Otto Schmidt Verlag


FG Hamburg v. 13.11.2024 - 3 K 111/21

Einkommensteuer: Anforderungen an ein Fahrtenbuch bei Berufsgeheimnisträgern

Berufsgeheimnisträger können bei der Vorlage eines Fahrtenbuchs nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG Schwärzungen vornehmen, soweit diese erforderlich sind, um die Identitäten von Mandanten zu schützen. Die Berechtigung, einzelne Eintragungen im Fahrtenbuch zu schwärzen, ändert nichts an der grundsätzlichen Beweislastverteilung; gegebenenfalls muss der Berufsträger substantiiert und nachvollziehbar darlegen, weshalb Schwärzungen in dem erfolgten Umfang erforderlich waren, und die berufliche Veranlassung der Fahrten durch ergänzende Angaben darlegen.

Der Sachverhalt:
Der Kläger war in den Streitjahren 2017 bis 2019 als Rechtsanwalt tätig. Im Februar 2017 hatte er ein gebrauchtes Kfz zu einem Bruttokaufpreis von 49.800 € erworben. In der Folge nutzte der Kläger das Auto sowohl beruflich als auch privat, wobei die berufliche Nutzung unstreitig mehr als 50% betrug. Das Finanzamt erließ einen Einkommensteuerbescheid für 2017 sowie einen Umsatzsteuerbescheid für 2017. In dem Einkommensteuerbescheid wurde der Wert der privaten Pkw-Nutzung nach der 1%-Methode berechnet und mit 5.976 € angesetzt. Dabei erfolgte die Berechnung nicht auf der Grundlage des Bruttolistenpreises i.H.v. 59.014 €, sondern auf der Basis des gezahlten Kaufpreises i.H.v. 49.800 €. Bei der Umsatzsteuer wurden für die private Kfz-Nutzung unentgeltliche Wertabgaben zu 19% i.H.v. 4.780 € (dies entspricht 80% von 5.976 €) angesetzt. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein.

Das Finanzamt bat den Kläger daraufhin um Vorlage eines Fahrtenbuchs für 2017. Der Kläger legte die Kopie eines Fahrtenbuchs vor; darin waren bei allen beruflich veranlassten Fahrten die Eintragungen in den Spalten "Fahrtstrecke" und "Grund der Fahrt / besuchte Personen" geschwärzt. Der Anteil der Fahrten, die als Privatfahrten eingetragen waren, belief sich auf 6,25%. Zahlreiche als beruflich eingetragene Fahrten hatten an Wochenenden stattgefunden. Zu den Schwärzungen erklärte der Kläger, dass die geschwärzten Eintragungen gem. § 43a Abs. 2 BRAO und § 203 StGB) der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht unterlägen. Damit war die Steuerbehörde nicht einverstanden.

Das FG wies die gegen die Bescheide gerichtete Klage ab. Das Revisionsverfahren ist beim BFH unter dem Az. VIII R 35/24 anhängig.

Die Gründe:
Die angefochtenen Bescheide waren nicht gem. § 125 AO nichtig und somit nicht gem. § 124 Abs. 3 AO unwirksam. Es lag weder ein absoluter Nichtigkeitsgrund nach § 125 Abs. 2 AO noch ein sonstiger Nichtigkeitsgrund vor.

Ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch liegt nach ständiger Rechtsprechung nur dann vor, wenn die Aufzeichnungen eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten und mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sind. In dem Fahrtenbuch sind neben dem Datum und den Fahrtzielen grundsätzlich auch die jeweils aufgesuchten Geschäftspartner oder - wenn solche nicht vorhanden sind - der konkrete Gegenstand der beruflichen Verrichtung aufzuführen. Bloße Ortsangaben im Fahrtenbuch genügen allenfalls dann, wenn sich der aufgesuchte Geschäftspartner aus der Ortsangabe zweifelsfrei ergibt oder wenn sich der Name auf einfache Weise unter Zuhilfenahme von Unterlagen ermitteln lässt, die ihrerseits nicht mehr ergänzungsbedürftig sind.

Die Anforderungen, die die Rechtsprechung an ein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch stellt, kann bei Berufsgeheimnisträgern mit deren Verschwiegenheitspflicht kollidieren, wenn Berufsgeheimnisträger Daten in das Fahrtenbuch eintragen müssen, die der Verschwiegenheitspflicht unterfallen. Infolgedessen sind Berufsgeheimnisträger durchaus berechtigt, bei der Vorlage eines Fahrtenbuchs nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG Schwärzungen vorzunehmen, soweit diese erforderlich sind, um die Identitäten von Mandanten zu schützen. Die Schwärzungen müssen jedoch auf das erforderliche Maß beschränkt bleiben und dürften sich nicht auf Daten erstrecken, die nicht der Verschwiegenheitspflicht unterliegen.

Schwärzungen dürfen nur bei solchen Daten vorgenommen werden, die Rückschlüsse auf die Identitäten von Mandanten zulassen. Ortsnamen dürfen grundsätzlich nicht geschwärzt werden. Keine Schwärzungen dürfen ferner vorgenommen werden bei Fahrten in die eigene Kanzlei oder Fahrten zu Behörden, wenn zu diesen kein Mandatsverhältnis besteht. Bei Gerichtsterminen unterliegt die Bezeichnung des Gerichts ebenfalls nicht der Verschwiegenheitspflicht. Keine Schwärzungen dürfen ferner vorgenommen werden, wenn der betroffene Mandant auf die Geheimhaltung seiner Identität verzichtet hat.

Bei Anwendung der Fahrtenbuchmethode obliegt es dem Steuerpflichtigen, das Verhältnis von Privatfahrten zu beruflichen Fahrten nachzuweisen. Gelingt dieser Nachweis nicht, findet bei überwiegend betrieblich genutzten Kraftfahrzeugen die 1%-Methode Anwendung, was im Grundsatz auch für die Fahrtenbücher von Berufsgeheimnisträgern gilt. Es bleibt dabei, dass sich das Gericht die volle Überzeugung verschaffen können muss, dass das Fahrtenbuch vollständig und richtig ist. Gegebenenfalls muss der Berufsträger substantiiert und nachvollziehbar darlegen, weshalb Schwärzungen in dem erfolgten Umfang erforderlich gewesen sind, und die berufliche Veranlassung der betroffenen Fahrten durch ergänzende Angaben darlegen.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 26.06.2025 15:03
Quelle: Landesrecht Hamburg

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