Otto Schmidt Verlag


Aktuell im ErbStB

Die Grundsteuerreform auf dem Prüfstand (Grootens, ErbStB 2024, 72)

Die flächendeckende Neubewertung aller Grundstücke im Bundesgebiet ist ohne Zweifel eine der größten steuerlichen Reformen der letzten Jahrzehnte. Unmittelbar oder zumindest mittelbar über die umlagefähigen Nebenkosten ist jeder deutsche Haushalt von den Auswirkungen der Grundsteuerreform betroffen. Es bestand daher seit Beginn der Reform kein Zweifel daran, dass auch das neue Bewertungssystem einer gerichtlichen Prüfung zugeführt werden wird. Dies auch deswegen, weil mit einer Reform notwendigerweise auch Belastungsverschiebungen zwischen den Grundstücken einhergehen. Diese sind nicht nur Nebeneffekt einer Neubewertung, sondern Kern der Forderung des BVerfG zur Beseitigung des verfassungswidrigen Zustands einer nicht realitätsgerechten und nicht relationsgerechten Einheitsbewertung. Insbesondere an der Beseitigung dieses Zustands wird sich die Grundsteuerwertermittlung messen lassen müssen. Der Beitrag erörtert derzeit anhängige Verfahren.


I. Die Suche nach einem Musterverfahren

II. Hauptsacheverfahren beim Sächsischen FG Az.: 2 K 574/23

1. Tenor der Entscheidung

2. Ermittlung des Bodenwerts

3. Umrechnungskoeffizient für die Grundstücksgröße

4. Zusammensetzung des Gutachterausschusses

5. Besonderheit SächsGrStMG

6. Fehlende Abschätzbarkeit der endgültigen Steuerbelastung

7. Kritische Würdigung der Entscheidung des Sächsischen FG

III. AdV-Verfahren FG Rheinland- Pfalz Az.: 4 V 1295/23 und 4 V 1429/23

1. Tenor der Entscheidungen

2. Ermittlung der Bodenrichtwerte und Besetzung der Gutachterausschüsse

a) Überprüfbarkeit der Bodenrichtwerte auf dem Finanzrechtsweg

b) Ermittlung der Bodenrichtwerte und mangelnde Datengrundlage

c) Besetzung der Gutachterausschüsse in Rheinland-Pfalz

3. Folgerichtige Ausgestaltung der Bewertungsvorschriften

4. Belastungsgrund

5. Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts

6. Kritische Würdigung der Entscheidung

IV. Musterverfahren mit Unterstützung von Verbänden

V. Verfahren gegen die abweichenden Ländermodelle

VI. Fazit


I. Die Suche nach einem Musterverfahren

Mit der Reform der Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer wurde ein längst überfälliges steuerliches Mammutprojekt angegangen. Die flächendeckende Neubewertung aller Grundstücke im Bundesgebiet ist ohne Zweifel eine der größten steuerlichen Reformen der letzten Jahrzehnte. Unmittelbar oder zumindest mittelbar über die umlagefähigen Nebenkosten ist jeder deutsche Haushalt von den Auswirkungen der Grundsteuerreform betroffen. Es bestand daher seit Beginn der Reform kein Zweifel daran, dass auch das neue Bewertungssystem einer gerichtlichen Prüfung zugeführt werden wird. Dies auch deswegen, weil mit einer Reform notwendigerweise auch Belastungsverschiebungen zwischen den Grundstücken einhergehen. Diese sind nicht nur Nebeneffekt einer Neubewertung, sondern Kern der Forderung des BVerfG zur Beseitigung des verfassungswidrigen Zustands einer nicht realitätsgerechten und nicht relationsgerechten Einheitsbewertung. Insbesondere an der Beseitigung dieses Zustands wird sich die Grundsteuerwertermittlung messen lassen müssen.

II. Hauptsacheverfahren beim Sächsischen FG Az.: 2 K 574/23

1. Tenor der Entscheidung


Als erstes FG hat sich das Sächsische FG in der Hauptsache mit der Verfassungsmäßigkeit der neuen Grundsteuerwertermittlung befasst (Sächs. FG v. 24.10.2023 – 2 K 574/23, ErbStB 2024, 7 [Halaczinsky]). Die Bewertung eines im Freistaat Sachsen belegenen und mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks i.S.v. §§ 248, 249 Abs. 1 Nr. 1 BewG im Ertragswertverfahren gem. §§ 252 bis 257 BewG begegnet nach Auffassung des Sächsische FG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Eine über die im BewG vorgesehen Bewertungsvorgaben hinausgehende weitere Differenzierung nach konkreten Ausstattungsmerkmalen würde die vom Gesetzgeber beabsichtigte Typisierung und Vereinfachung des Verfahrens erheblich erschweren. Die Ermittlung der Nettokaltmieten beruhe auf einer breiten und aktuellen Datengrundlage, die nicht zu beanstanden sei.

2. Ermittlung des Bodenwerts

Der Gesetzgeber habe sich hinsichtlich des Bodenwerts von der Rspr. des BFH zu Gutachterausschüssen (zuletzt: Urteil des BFH v. 24.8.2022 – II R 14/20, ErbStB 2023, 29 [Marquardt] m.w.N.) leiten lassen. Der BFH sehe in der Heranziehung von Bodenrichtwerten eine unbedenkliche typisierende Bewertungsmethode, die der Vereinfachung der Grundsteuerwertermittlung dient (BT-Drucks. 19/11085, 109, ebenso BFH v. 12.1.2021 – II B 61/19, ErbStB 2021, 137 [Knittel] m.w.N.). Die Ermittlung von Bodenrichtwerten werde explizit einer außerhalb der Finanzverwaltung stehenden Stelle, den Gutachterausschüssen, aufgegeben, da diesen auf Grund ihrer besonderen Sach- und Fachkenntnis und ihrer größeren Ortsnähe sowie der von Beurteilungs- und Ermessenserwägungen abhängigen Wertfindung eine vorgreifliche Kompetenz bei der Feststellung von Bodenrichtwerten zukomme.

3. Umrechnungskoeffizient für die Grundstücksgröße

Die Regelung zu dem Umrechnungskoeffizienten für die Grundstücksgröße in § 257 Abs. 1 Satz 1 BewG i.V.m. Anlage 36 beruhe auf der Erwägung des Gesetzgebers, dass die Anpassungsmodalitäten dem Umstand Rechnung tragen, dass der Bodenwert bei kleiner werdenden Grundstücken ab einer Grundstücksgröße von ca. 500 qm regelmäßig überproportional ansteige. Mit der pauschalierenden Vorgabe der Umrechnungskoeffizienten in der Anlage 36 zum BewG werde der Verwaltungs- und Bürokratieaufwand geringgehalten. Hierbei sei der Gesetzgeber innerhalb seines Gestaltungsspielraums geblieben.

Beraterhinweis Die Umrechnungskoeffizienten nach Anlage 36 führen in der Praxis mitunter zu (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 08.03.2024 10:42
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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