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Die Lizenzschrankenregelung des § 4j EStG und ihre verfassungsrechtliche Bewertung (Reichwein, FR 2023, 1057)
Die sog. Lizenzschrankenregelung des § 4j EStG führte ein grundsätzliches Abzugsverbot von Lizenzaufwendungen in den Fällen ein, in denen diese auf Seiten des Lizenzgebers infolge einer dem § 4j Abs. 2 EStG entsprechenden Präferenzregelung niedrig besteuert werden und jener eine dem Lizenznehmer nahestehende Person i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG ist. Die zahlreichen, zum Teil evidenten verfassungsrechtlichen Probleme dieser Regelung werden im folgenden Beitrag diskutiert.
I. Einführung
II. Tatbestandsvoraussetzungen des § 4j EStG
1. Aufwendungen aus der Nutzungsüberlassung immaterieller Vermögenswerte
2. Nahestehende Personen als Empfänger von Aufwendungen
3. Niedrigere Besteuerung beim Lizenzgeber
4. Präferentielle Besteuerung
5. Zwischenschaltungsfälle und Unterlizenzverhältnisse
III. Rechtsfolge des § 4j EStG
IV. Verfassungsrechtliche Bewertung
1. Treaty Override
2. Verstoß gegen Leistungsfähigkeitsprinzip durch Versagung des Betriebsausgabenabzugs
a) Eingriff
b) Rechtfertigung
aa) Mögliche Rechtfertigungsgründe
bb) Der sog. qualifizierten Fiskalzweck als Rechtfertigungsgrund
cc) Rechtfertigung über Missbrauchsbekämpfung
3. Verstoß gegen Leistungsfähigkeitsprinzip durch mangelnde Möglichkeit der Gegenkorrektur
4. Nachweispflichten
a) Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen
b) Ausdehnung der Qualifikationsverkettung
5. Missachtung des Steuersubjektcharakters der Körperschaftsteuer und Verstoß gegen das Trennungsprinzip
6. Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Grundfreiheiten
7. Verweis auf den OECD-Abschlussbericht zu Aktionspunkt Nr. 5
a) Demokratieprinzip
b) Rechtsstaatliches Publikationsgebot
c) Hinreichende Bestimmtheit
aa) § 4j Abs. 1 S. 4 EStG und das Bestimmtheitsgebot
bb) § 4j Abs. 1 S. 4 EStG und das Gebot der Normenklarheit
V. Fazit
I. Einführung
Dem grenzübergreifend agierenden Konzern eröffnet sich durch die Nutzung von Lizenzzahlungen an eine nahestehende Person im Ausland, wo derartige Zahlungen niedrig oder überhaupt nicht besteuert werden, die Chance, die in Deutschland erwirtschafteten Gewinne in das Ausland zu transferieren und somit der hiesigen Besteuerung zu entziehen. Aufwendungen in Form von Lizenzgebühren sind nämlich grundsätzlich vollkommen als Betriebsausgaben abziehbar. Das durch diese Möglichkeit eingeräumte vermeintliche Missbrauchspotential wurde sowohl vom deutschen Gesetzgeber als auch von der OECD erkannt. Dabei verfolgen beide dasselbe Ziel, auch wenn sie unterschiedliche Mittel zur Bekämpfung dieser Praxis wählen. Während die OECD i.R.d. Projektes mit den G20 gegen Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (Base Erosion and Profit Shifting, kurz BEPS) unter dem Aktionspunkt „Wirksamere Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken unter Berücksichtigung von Transparenz und Substanz“4 durch den Nexus-Ansatz die steuerliche Privilegierung des Lizenzgebers regeln möchte, knüpft § 4j EStG hingegen an den Lizenznehmer an und belegt diesen mit einem Abzugsverbot. § 4j Abs. 1 S. 4 EStG stellt eine Ausnahme vom Abzugsverbot dar, um den Ansatz der OECD nicht zu unterlaufen.
Gegenstand dieses Beitrages sind die problematischen Schnittstellen des § 4j EStG mit dem Verfassungsrecht. Vorab wird ein kurzer Überblick über die Norm gegeben.
II. Tatbestandsvoraussetzungen des § 4j EStG
1. Aufwendungen aus der Nutzungsüberlassung immaterieller Vermögenswerte
Für den Begriff der Lizenzaufwendungen i.S.d. § 4j Abs. 1 S. 1 EStG wird die nicht abschließende Aufzählung von § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG wortgleich übernommen. Für die Auslegung der Begrifflichkeiten kann somit auf § 73a Abs. 2, 3 EStDV und die einschlägigen Kommentierungen verwiesen werden. Wie bei § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG dürfte die Lizenzschranke nur Aufwendungen für eine zeitlich befristete Überlassung von immateriellen Vermögenswerten erfassen. Nicht erfasst sind hingegen die vom Käufer getätigten Aufwendungen bei Verkauf und Übertragung eines Rechtes. Dies gilt auch, wenn ein Lizenzverhältnis nicht als zeitlich befristete Überlassung, sondern aufgrund der besonderen Ausgestaltung des Lizenzverhältnisses als endgültige Rechtsübertragung zu werten ist.
2. Nahestehende Personen als Empfänger von Aufwendungen
Erfasst sind nach § 4j Abs. 1 S. 1 EStG nur Aufwendungen, die an eine dem Schuldner nahestehende Person i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG geleistet werden. Nach § 1 Abs. 1 S. 2 AStG gelten auch Personengesellschaften als nahestehende Personen. Zwar verweist § 4j Abs. 1 S. 1 EStG ausdrücklich nur auf § 1 Abs. 2 AStG, jedoch ist trotz des isolierten Verweises auf § 1 Abs. 2 AStG davon auszugehen, dass § 1 Abs. 1 S. 2 AStG auch in diesen Fällen anwendbar ist.13 Ein gesetzgeberisches Versehen liegt nahe.
3. Niedrigere Besteuerung beim Lizenzgeber
Die Besteuerung der Lizenzeinnahmen beim Gläubiger muss nach § 4j Abs. 2 S. 1 EStG unterhalb von 25 % liegen. Dies ist kritisch zu bewerten, da vor dem Hintergrund, dass in Deutschland ein Körperschaftsteuersatz von (...)