Otto Schmidt Verlag


Aktuell im EStB

Wann liegt die Nutzung einer Immobilie zu „eigenen Wohnzwecken“ vor? (Ulbrich, EStB 2023, 315)

Die Frage, ob es sich bei der Veräußerung einer Immobilie um ein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft handelt, beschäftigt Steuerpflichtige und die Finanzgerichtsbarkeit regelmäßig, was möglicherweise auch mit dem starken Anstieg des Preisniveaus und der damit einhergehenden größeren Neigung zu einem Verkauf zu tun haben könnte. Der Beitrag gibt einen Überblick über die aktuelle Rechtsprechung zu diesem Thema.


I. Gesetzliche Grundlagen

1. Sachliche und zeitliche Aspekte

2. Ausnahme von der Besteuerung

II. Nutzung zu eigenen Wohnzwecken

1. Eigene Wohnzwecke

2. Nur zeitweises Bewohnen

3. Leerstand

4. Beruflich/betrieblich genutzte Räume

a) Häusliches Arbeitszimmer

b) Eigenbetrieblich genutzte Grundstücksteile von untergeordnetem Wert

c) Einzelne Räume nach Entnahme aus dem Betriebsvermögen

5. Einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang „zurückgebliebener“ Räume

6. Dazugehöriger Grund und Boden

7. Überlassung an Dritte

a) Überlassung nur von Teilen der Wohnung

aa) Unentgeltliche Überlassung

bb) Entgeltliche Überlassung

b) Überlassung der gesamten Wohnung

aa) Unentgeltliche Überlassung an ein Kind, für das Anspruch auf Kindergeld oder den Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG besteht

bb) Sonderfall: Überlassung an Ex-Ehepartner und das gemeinsame minderjährige Kind

cc) Andere (unterhaltsberechtigte) Angehörige

III. Zeitraum

1. Nutzung im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren

2. Berechnung der Zehn-Jahres-Frist bei Abhängigkeit von einer Genehmigung

IV. Fazit

V. Tabellarische Übersicht


I. Gesetzliche Grundlagen

1. Sachliche und zeitliche Aspekte


Zu den als sonstige Einkünfte i.S.d. § 22 Nr. 2 EStG einzuordnenden privaten Veräußerungsgeschäften gehören nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG Veräußerungsgeschäftebei

  • Grundstücken und
  • Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (z.B. Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht),


bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre (Haltefrist) beträgt.


Für die Berechnung des Zeitraums sind nach ständiger BFH-Rechtsprechung grundsätzlich die Zeitpunkte maßgebend, in denen die obligatorischen Verträge abgeschlossen wurden.

Gebäude und Außenanlagen sind nach Satz 2 einzubeziehen, soweit sie innerhalb dieses Zeitraums errichtet, ausgebaut oder erweitert werden; dies gilt entsprechend für

  • Gebäudeteile, die selbständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind,
  • Eigentumswohnungen und
  • im Teileigentum stehende Räume.


Bei den privaten Veräußerungsgeschäften handelt es sich um eine Ausnahme vom Grundsatz der im Dualismus der Einkunftsarten verankerten Nichtsteuerbarkeit von Wertveränderungen privater Wirtschaftsgüter.

2. Ausnahme von der Besteuerung

Nach der Rückausnahme in Satz 3 sind allerdings Wirtschaftsgüter ausgenommen, die

  • im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich oder
  • im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren


zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden.

Hintergrund: Die Ausnahme von der Besteuerung wurde zur Vermeidung einer ungerechtfertigten Besteuerung eines Veräußerungsgewinns bei Aufgabe eines Wohnsitzes (z.B. wegen Arbeitsplatzwechsels) im Zuge der Verlängerung der Haltefrist von zwei auf zehn Jahre (ironischerweise) durch das Steuerentlastungsgesetz (StEntlG) 1999/2000/2002 ins EStG aufgenommen. Nach dem Gesetzentwurf ermöglicht (nur) die erste (!) Alternative, von der „Spekulationsbesteuerung“ abzusehen, wenn das Wirtschaftsgut, z.B. wegen Arbeitsplatzwechsels, verhältnismäßig kurzfristig veräußert wird. Auf den Begriff „Spekulationsgeschäft“ verzichtete man in der Neufassung allerdings, um zum Ausdruck zu bringen, dass „nicht nur Geschäfte mit Spekulationsabsicht der Besteuerung unterliegen, sondern [u.a.] allgemein Veräußerungsgeschäfte, bei denen das Tatbestandsmerkmal der Veräußerung innerhalb einer bestimmten Frist nach Anschaffung erfüllt ist.“ 

Das Kriterium der „Ausschließlichkeit“ in der ersten Alternative bezieht sich nur auf  (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 24.08.2023 16:14
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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