Otto Schmidt Verlag


Aktuell im EStB

JStG 2022: Zur Konzeption der Tagespauschale (Müller, EStB 2023, 113)

Mit Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes (JStG) 2022 vom 16.12.2022 hat die bisherige Regelungssystematik zur steuerlichen Berücksichtigung des häuslichen Arbeitszimmers und zur Inanspruchnahme der sog. Homeoffice-Pauschale eine grundlegende Neugestaltung erfahren. Unter besonderer Berücksichtigung der reformierten Pauschalierung gibt der vorliegende Beitrag einen Überblick über die gesetzlichen Innovationen und geht auf mögliche damit einhergehende Zweifelsfragen ein.


I. Einleitung

II. Die neue Regelungssystematik im Überblick

1. Die tatbestandliche Ausgestaltung vor Inkrafttreten des JStG 2022

a) Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer

b) Homeoffice-Pauschale

2. Die tatbestandliche Ausgestaltung seit Inkrafttreten des JStG 2022

3. Schlussfolgerung – Innovative Neuausrichtung der Pauschalierung

III. Offene Fragen und mögliche Interpretationsansätze

1. Die „Verfügbarkeit eines anderen Arbeitsplatzes“

2. Das Tatbestandsmerkmal der „Dauerhaftigkeit“

a) Abstellen auf die gesetzlichen Vorgaben des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4, 4a S. 3, Abs. 4 EStG?

b) Aber: Divergierende Regelungsziele bei Regelungen zum Fahrtkostenabzug und zur Tagespauschale

c) (Folgerichtige) Fokussierung auf das zeitliche Element

3. Das Erfordernis der „überwiegenden Tätigkeitsausübung“

4. Das Erfordernis der „tatsächlichen Tätigkeitsausübung“

IV. Abschließende Beurteilung


I. Einleitung

Die vormals „kleine Lösung auf Zeit“ hat sich zu einer „großen Lösung auf Dauer“ fortentwickelt: Mit Inkrafttreten des JStG 2022 wurde die auf das JStG 2020 zurückgehende sog. „Homeoffice-Pauschale“ – nunmehr als Tagespauschale legaldefiniert – zu einer ernstzunehmenden Abzugsmöglichkeit ausgebaut (vgl. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6c EStG). Damit einhergehend wurden auch die Abzugsmodalitäten im Hinblick auf das häusliche Arbeitszimmer neu durchdacht. Die beachtlichen Konsequenzen zeigen sich in einer tiefgreifenden Beeinflussung des bislang bekannten, historisch gewachsenen Abzugsregimes.

II. Die neue Regelungssystematik im Überblick

Bereits auf den ersten Blick zeigt sich die tatbestandliche Umstrukturierung besonders auffällig daran, dass der Gesetzgeber die Regelungen zum häuslichen Arbeitszimmer auf der einen Seite und zur Pauschalierung auf der anderen Seite nunmehr einer klaren äußerlichen Trennung unterwirft:

  • während in § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG n.F. – nach wie vor – das häusliche Arbeitszimmer beheimatet ist,
  • wurden die Vorschriften über die pauschalierten Abzugsmöglichkeiten im Unterschied zur bisherigen Gesetzesfassung nunmehr in den neugeschaffenen § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6c EStG ausgegliedert.


In inhaltlicher Hinsicht hält die gesetzliche Neufassung teils Altbekanntes, teils Neugeschaffenes bereit. Im Ausgangspunkt unverändert sind

  • die Beibehaltung eines grundsätzlichen Abzugsverbots sowie
  • die für einen (vollständigen) Abzug weiterhin herausragende Bedeutung des Betätigungsmittelpunktes.


Beachten Sie: Demgegenüber präsentiert sich das Tatbestandsmerkmal der (Nicht-)Verfügbarkeit eines anderen Arbeitsplatzes funktionell in einem neuen Gewand und bildet somit den Dreh- und Angelpunkt der regelungssystematischen Neuausrichtung.

1. Die tatbestandliche Ausgestaltung vor Inkrafttreten des JStG 2022

a) Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer


Für die Berücksichtigungsfähigkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer kam der (Nicht-) Verfügbarkeit eines außerhäuslichen Arbeitsplatzes nach der bisherigen Gesetzesfassung regelmäßig eine ausschlaggebende Bedeutung zu.

Nach der gesetzlichen Systematik unterliegen Aufwendungen betreffend das häusliche Arbeitszimmer – nach wie vor – einem grundsätzlichen Abzugsverbot nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 1 EStG.

„... kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand“: Von diesem Grundsatz war nach bisheriger Gesetzeslage nur dann ausnahmsweise abzuweichen, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildete oder wenn dem Steuerpflichtigen für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand (§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 2 EStG a.F.). Abgesehen von den sog. „Mittelpunktsfällen“ brachte mithin erst die mangelnde Verfügbarkeit eines anderen Arbeitsplatzes den Genuss einer steuerlichen Anerkennung mit sich. Dahinter stand die Erwägung, (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 31.03.2023 10:16
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

zurück zur vorherigen Seite