Otto Schmidt Verlag


Aktuell im EStB

Das Jahressteuergesetz 2022 (Schumann, EStB 2023, 23)

Das Jahressteuergesetz 2022 setzt im Koalitionsvertrag angekündigte Maßnahmen um, passt nationale Vorschriften an das EU-Recht an und reagiert auf Rechtsprechung des EuGH, des BVerfG sowie des BFH. Zusätzlich beinhaltet es verschiedene steuerliche Einzelmaßnahmen. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über wesentliche ertragsteuerliche Neuerungen und zeigt erste Folgen, Zweifelsfragen und etwaigen Handlungsbedarf auf.


I. Änderungen im Einkommensteuerrecht

1. Photovoltaik

2. Häusliches Arbeitszimmer und Homeoffice-Pauschale ab VZ 2023

3. Einheitliche Verzichtsoption bei Rechnungsabgrenzungsposten

4. Anhebung des AfA-Satzes für neue Wohngebäude

5. Prolongation der Sonderabschreibung für den Mietwohnungsneubau

6. Tarifbegrenzung bei Gewinneinkünften im VZ 2007

7. Beschränkte Steuerpflicht der sog. Registerfälle

8. Besteuerung der Entlastungen durch die Gas-/Wärmepreisbremse

9. Weitere Änderungen des EStG

II. EU-Energiekrisenbeitragsgesetz (EU-EnergieKBG)

III. Sonstige ausgewählte Änderungen durch das JStG 2022

IV. Fazit



I. Änderungen im Einkommensteuerrecht

1. Photovoltaik


Steuerfreie Einnahmen und Entnahmen: § 3 Nr. 72 EStG stellt rückwirkend Einnahmen und Entnahmen aus dem Betrieb bestimmter Photovoltaikanlagen steuerfrei, wenn diese nach dem 31.12.2021 erzielt oder getätigt werden (§ 52 Abs. 4 S. 27 EStG). Begünstigt sind Photovoltaikanlagen
 

  • mit einer installierten Gesamtbruttoleistung von bis zu 30 kWp, die auf, an oder in einem Einfamilienhaus (einschließlich Dächern von Garagen und Carports oder anderweitiger Nebengebäude) vorhanden sind;
  • mit einer installierten Gesamtbruttoleistung von bis zu 30 kWp, die auf, an oder in nicht zu Wohnzwecken dienenden Gebäuden (z.B. Gewerbeimmobilie oder Garagenhof) vorhanden sind;
  • auf Mehrfamilienhäusern und gemischt genutzten Gebäuden mit Wohn- und Gewerbeeinheiten mit überwiegender Nutzung zu Wohnzwecken bis zu einer Größe von 15 kWp pro Wohn- und Gewerbeeinheit.


Leistungsgrenze: Steuerfrei sind insgesamt die Einnahmen und Entnahmen, die höchstens auf 100 kW (peak) pro Steuerpflichtigen (Stpfl.) oder Mitunternehmerschaft entfallen. Hinsichtlich der installierten Gesamtbruttoleistung ist auf die jeweiligen Angaben im Marktstammdatenregister 1 abzustellen.

Beraterhinweis Die unterschiedlichen Leistungsgrenzen für einzelne Stpfl. und Mitunternehmerschaften sind bei der Sachverhaltsgestaltung zu berücksichtigen.

Beispiel 1

(nach Bundesrechnungshof [BRH]-Bericht nach § 88 Abs. 2 BHO v. 27.10.2022, Gz.: VIII 3 – 0000777, S. 6, im Internet unter: https://www.bundesrechnungshof.de/SharedDocs/Downloads/DE/Berichte/2022/regierungsentwurf-jstg2022-volltext.pdf?__blob=publicationFile&v= 2 [Stand: 10.1.2023]):

Die Eigentümergemeinschaft einer Reihenhausanlage mit 7 gleich großen Häusern betreibt auf den verbundenen Dachflächen der Wohnhäuser eine Photovoltaikanlage mit 105 kWp. Dies entspricht einer Gesamtleistung von 7 mal 15 kWp pro Wohneinheit.

Lösung: Durch die Leistungsbeschränkung auf insgesamt 100 kWp für Mitunternehmerschaften erzielt die Eigentümergemeinschaft insgesamt steuerpflichtige Einkünfte. Diese Einkünfte sind einheitlich festzustellen und dem jeweiligen Stpfl. zu 1/7 gesondert zuzurechnen. Im Ergebnis versteuert jeder Stpfl. Einnahmen und Entnahmen aus einer anteiligen Stromerzeugungsleistung von 15 kWp.

Beispiel 2

(nach BRH-Bericht nach § 88 Abs. 2 BHO v. 27.10.2022, Gz.: VIII 3 – 0000777, S. 6, s.o.)

Die jeweiligen Eigentümer von 7 gleich großen Häusern einer Reihenhausanlage betreiben auf den verbundenen Dachflächen der Wohnhäuser jeweils eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 15 kWp. Die auf der Dachfläche installierten Anlagen haben eine Gesamtleistung von 105 kWp.

Lösung: Die jeweiligen Eigentümer unterschreiten als einzelne Stpfl. die Leistungsgrenze von 100 kWp. Ihre Einnahmen und Entnahmen aus dem Betrieb der Stromerzeugung mit einer Leistung von jeweils 15 kWp sind steuerfrei.

Beachten Sie: Die Steuerbefreiung gilt unabhängig von der Verwendung des erzeugten Stroms. Damit sind auch Einnahmen aus Photovoltaikanlagen, bei denen der erzeugte Strom
 

  • vollständig in das öffentliche Stromnetz eingespeist,
  • zum Aufladen eines privaten oder betrieblich genutzten E-Autos verbraucht oder
  • von Mietern genutzt wird,


steuerfrei.

Keine Gewinnermittlung: § 3 Nr. 72 S. 2 EStG befreit die Anlagenbetreiber, die insgesamt nur steuerfreie Einnahmen aus dem Betrieb von Photovoltaikanlagen haben, von der Pflicht, einen Gewinn zu ermitteln.

Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs (BA-Abzugs): Nach § 3c Abs. 1 EStG dürfen Ausgaben, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht als BA abgezogen werden. Damit entfällt ab dem Veranlagungszeitraum (VZ) 2022 der BA-Abzug für den Betrieb der von der Besteuerung freigestellten Photovoltaikanlagen.

Beraterhinweis Falls möglich, sind BA-Potentiale (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 26.01.2023 14:26
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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