Otto Schmidt Verlag


Niedersächsisches FG v. 14.12.2021 - 9 K 17/21

Mitgliedsbeiträge für Fitnessstudio zur Durchführung ärztlich verordneter Wassergymnastik nicht abzugsfähig

Aufwendungen für die Durchführung von Funktionstraining (ärztlich verordnete Wassergymnastik) in einem Fitnessstudio sind nicht als außergewöhnliche Belastungen i.S.d. § 33 Abs. 1 EStG abzugsfähig.

Der Sachverhalt:
Der behinderten Klägerin (GdB 30) wurde zur Behandlung der zunehmend schmerzhaften Bewegungseinschränkungen, zur funktionalen Verbesserung und zur Schmerzreduktion ein Funktionstraining in Form von Wassergymnastik ärztlich verordnet. Die zuständige Krankenkasse übernahm die Kosten für ein wöchentliches Funktionstraining.

Nachdem die Klägerin die Wassergymnastikkurse zunächst in einem Verein durchgeführt hatte, entschied sie sich schließlich, die Kurse in einem näher zu ihrem Wohnort gelegenen Fitnessstudio zu absolvieren. Das Funktionstraining wurde hier von qualifizierten Übungsleitern mit einer gültigen Übungsleiterlizenz für den Rehabilitationssport durchgeführt. Voraussetzung dafür war jedoch, dass sich die Klägerin als Mitglied im Fitnessstudio anmelden und den (reduzierten) Beitrag für das auf die Teilnahme an den verordneten Kursen zugeschnittene Modul ("Wellness und Spa") bezahlen musste. Neben der Teilnahme an dem verordneten Funktionstraining beinhaltete der Beitrag auch noch die Saunabenutzung und weitere Aqua-Fitnesskurse. Das Fitnessstudio stellte der Klägerin auch noch den wöchentlichen Beitrag für den Reha-Verein, der das Funktionstraining durchführte, in Rechnung.

Die Klägerin macht ihre Gesamtkosten (Fitnessstudiobeitrag, Reha Vereinsbeitrag, Fahrtkosten) als Teil ihrer Heilbehandlungskosten i.S.v. § 33 EStG geltend.

Das FG gab der Klage teilweise statt. Die beim BFH anhängige Revision des Klägers wird dort unter dem Az. V R 29/21 geführt. Die Revision zum BFH wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Die Gründe:
Die Fitnessstudio-Mitgliedsbeiträge für ein für die Teilnahme an dem verordneten Funktionstraining zugeschnittenes Grundmodul (im Streitfall: „Wellness und Spa") stellen jedenfalls dann keine außergewöhnlichen Belastungen i.S.d. § 33 EStG dar, wenn mit dem Mitgliedsbeitrag auch weitere Leistungen abgegolten werden (hier: Saunanutzung; Aqua Fitnesskurse), die ihrer Art nach nicht nur von kranken, sondern auch gesunden Menschen in Anspruch genommen werden, um die Gesundheit zu erhalten, das Wohlbefinden zu steigern oder die Freizeit sinnvoll zu gestalten, und eine Aufteilung nach objektiven Kriterien nicht möglich ist. Gegen die Zwangsläufigkeit spricht danach insbesondere, wenn dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eröffnet ist, die ärztlich verordneten Kurse auch außerhalb eines Fitnessstudios durchführen zu können. Allein die räumliche Nähe des Fitnessstudios zum Wohnort, die Einsparung von Park- und Fahrtkosten sowie die größere zeitliche Flexibilität hinsichtlich der Durchführung und Nachholung der Kurse können die Zwangsläufigkeit der Mitgliedsbeiträge für das Fitnessstudio nicht begründen.

Das FG ließ ausdrücklich offen, ob etwas Anderes gelten könne, wenn dem Steuerpflichtigen zur Durchführung der ärztlich verordneten Kurse in einem Fitnessstudio keine sinnvolle Alternative zur Verfügung steht.

Erfolg hatte die Klage hinsichtlich der Abzugsfähigkeit der zwangsläufig angefallenen Beiträge für einen Reha-Verein, der die ärztlich verordneten Kurses in einem Fitnessstudio durchführt. Diese zählen zu den als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennenden Heilbehandlungskosten. Zum Abzug zuzulassen sind zudem die Aufwendungen für die Fahrten zum Fitnessstudio, die ausschließlich im Zusammenhang mit der Durchführung der ärztlich verordneten Kurse anfallen. Diese teilen das Schicksal der Kurskosten als zwangsläufige Heilbehandlungskosten (im Streitfall: Übernahme der Kurskosten durch die Krankenkasse) und stellen daher ebenfalls außergewöhnliche Belastungen dar.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 24.01.2023 16:17
Quelle: Niedersächsisches FG NL vom 19.1.2023

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