„Naked in/naked out“-Abfindungsklausel und ErbSt
Vereinbaren die Gesellschafter einer GmbH, dass sie beim Erreichen einer bestimmten Altersgrenze ihren Geschäftsanteil zum Nominalwert an einen Treuhänder verkaufen, der den Geschäftsanteil nach außen im eigenen Namen, im Innenverhältnis aber für die verbleibenden Gesellschafter erwirbt und hält und von diesen Gesellschaftern auch den Kaufpreis zur Verfügung gestellt bekommt, so ist jedenfalls nicht die GmbH Erwerberin i.S.d. ErbStG.
BFH v. 4.3.2015 – II R 51/13
Problem In dem Gesellschaftsvertrag einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft war vorgesehen, dass der Anteil eines Gesellschafters bei seinem Ausscheiden wegen Erreichens einer bestimmten Altersgrenze zum Nennwert an einen Pooltreuhänder zu übertragen sei. Dieser hat die Aufgabe, die Geschäftsanteile bis zur Aufnahme neuer Poolmitglieder als fremdnütziger Treuhänder für die übrigen Poolmitglieder zu halten.
Nachdem ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausschied, nahm das FA einen steuerpflichtigen Erwerb nach § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG an und erließ einen Steuerbescheid gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.
Lösung des Gerichts Sowohl das FG (FG Düsseldorf v. 13.11.2013 – 4 K 834/13 Erb, EFG 2014, 220 = StBW 2014, 89) als auch der BFH gaben der Klage statt. Der BFH teilt nicht die Auffassung der Finanzbehörde, die die Gesellschaft als Steuerpflichtigen ansah. Nach Auffassung des BFH ist mangels abweichender Regelung Steuerschuldner im Fall des § 7 Abs. 7 ErbStG der Erwerber.
Wer Erwerber ist, bestimmt sich ausschließlich nach Zivilrecht. Nach der getroffenen Poolvereinbarung war der Übergang auf den Treuhänder, nicht aber auf die Gesellschaft gewollt. Somit wurde diese jedenfalls nicht Erwerber der Anteile.
Der Auffassung des FA, Erwerber der zum Nennwert übertragenen Anteile sei stets die Gesellschaft, weil es in erster Linie um das Verhältnis des ausgeschiedenen Gesellschafters zu dieser gehe, erteilt der BFH ebenfalls eine Absage. Konsequenterweise müsse das dann auch bei der Übertragung von Anteilen zum Nennwert an den Ehegatten oder nahestehende Personen gelten. So weit gehe aber selbst die Finanzverwaltung nicht.
Der BFH stützt seine Auffassung außerdem auf § 7 Abs. 7 Satz 2 ErbStG, wonach bei einer Einziehung der Anteile zum Nennwert nicht die Gesellschaft, sondern die verbleibenden Gesellschafter bereichert sind. Es sei nicht ersichtlich, weshalb zwischen § 7 Abs. 7 Satz 2 und Satz 1 ErbStG unterschieden werden solle.
Konsequenzen für die Praxis Der BFH hat nur zu der Frage Stellung genommen, ob die Gesellschaft Steuerpflichtiger eines Erwerbes nach § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG sein kann und ausdrücklich offengelassen (Rz. 23), ob der Tatbestand dieser Vorschrift überhaupt erfüllt ist. Für die Anwendbarkeit des § 7 Abs. 7 ErbStG soll jedenfalls dann kein Raum sein, wenn jemand zu einem von vornherein festgelegten Zeitpunkt (z.B. 63. Lebensjahr) wieder aus der Gesellschaft ausscheiden muss und dann nur einen Anspruch auf Abfindung zum Buchwert hat. In diesem Fall nimmt der Gesellschafter nur an den während seiner Zeit erworbenen Gewinnansprüchen teil, die während seiner Beteiligung realisiert worden sind.
Allerdings ist für § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG kein Bereicherungswille erforderlich, sondern allein auf die objektive Werterhöhung abzustellen. Es handelt sich bei der Vorschrift um einen fiktiven Erwerb. Dem Wortlaut nach tritt die Besteuerung somit auch bei „Naked in/Naked out“-Klauseln ein.
Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass die Finanzverwaltung (gleich lautende Ländererlasse, z.B. FinMin. NW v. 5.6.2014 – S 3102 - 100 - VA 6, BStBl. I 2014, 882) Verfügungsbeschränkungen als ungewöhnliche Verhältnisse i.S.v. § 9 Abs. 2 Satz 3 BewG ansieht, die bei der Wertermittlung nicht zu berücksichtigen sind (s. dazu ausführlich Geck in Kapp/Ebeling, ErbStG, § 7 ErbStG Rz. 199).
Beraterhinweis § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG hatte bis zur Erbschaftsteuerreform zum 1.1.2009 keine nennenswerte Bedeutung, denn durch den Ansatz der Steuerbilanzwerte bei der Bewertung des Anteils an einer Personengesellschaft oder durch den Ansatz des Stuttgarter Verfahrens bei der Bewertung nicht börsennotierter Kapitalgesellschaften kam es regelmäßig nicht zu einer Überschreitung der vereinbarten Abfindung.
Dies hat sich ab 2009 erheblich geändert: Bei der Bewertung sowohl von Personengesellschaften als auch von Kapitalgesellschaften sind nun die Verkehrswerte anzusetzen. Die verbleibenden Gesellschafter sind somit immer dann schenkungsteuerlich bereichert, wenn der ausscheidende Gesellschafter eine Abfindung erhält, die unterhalb des Verkehrswerts dieser Beteiligung liegt, wie es insb. in Freiberuflersozietäten häufig praktiziert wird.
Auch nach dem BFH-Urteil bleibt ein Risiko, dass bei Ausscheiden eines Gesellschafters Schenkungsteuer auch ohne Bereicherungswillen entsteht. Die Rechtsentwicklung auf diesem Gebiet muss weiterhin intensiv beobachtet werden.
WP/StB/RA/FASt Friedemann Kirschstein, Lübeck
Service: BFH v. 4.3.2015 – II R 51/13; FG Düsseldorf v. 13.11.2013 – 4 K 834/13 Erb; gleich lautende Ländererlasse, z.B. FinMin. NW v. 5.6.2014 – S 3102 - 100 - VA 6 abrufbar unter steuerberater-center.de