Otto Schmidt Verlag


Zwangsweise Beendigung einer Betriebsaufspaltung

Die Gesamtplanrechtsprechung des BFH findet keine Anwendung, wenn sich der Steuerpflichtige bewusst für die Übertragung von Wirtschaftsgütern in Einzelakten entscheidet und sich diese Schritte zur Erreichung des „Gesamtzieles“ als notwendig erweisen – auch wenn dem Ganzen ein vorab erstelltes Konzept zugrunde liegt und die Übertragungen in unmittelbarer zeitlicher Nähe zueinander erfolgen. Sieht ein vorab erstelltes Konzept vor, dass Teile des vereinbarten Kaufpreises – oder gar der gesamte vereinbarte Betrag – unmittelbar als Schenkung von dem Veräußerer an den Erwerber zurückfließen, liegt in Höhe des zurückgeschenkten Betrags keine entgeltliche Übertragung vor; bei einer „teilentgeltlichen Betriebsaufgabe“ sind die Grundsätze der sog. Einheitstheorie nicht anzuwenden.

BFH v. 22.10.2013 – X R 14/11

Das Problem: Der Steuerpflichtige (E) war seit März 1997 Alleingesellschafter der X-GmbH (GmbH) und zugleich Alleineigentümer dreier, mit Büro- und Fabrikationsgebäuden sowie Montagehallen bebauter Grundstücke, die er an die GmbH verpachtete. Aufgrund von Alters- und Gesundheitsgründen und größerer Liquiditätsprobleme der GmbH (Fehlbetrag von rd. 2,1 Mio. DM) plante E die Übertragung des Unternehmens auf seine beiden Söhne J und M. Zur Finanzierung des für die Grundstücke und Geschäftsanteile beabsichtigten (Gesamt-)Kaufpreises von 3,1 Mio. DM sah das Konzept neben der Aufnahme normaler Kredite die Inanspruchnahme verschiedener Förderprogramme für Existenzgründer vor. Das von den Banken geforderte Eigenkapital von jeweils 150.000 DM sollte durch Zwischenkredite vorfinanziert und letztlich durch Rückschenkungen von E an J und M aus den Kaufpreiszahlungen erbracht werden. Ein Gutachten ermittelte den Wert des Gewerbeanwesens mit 3,9 Mio. DM.
Mit notariellem Vertrag vom 9.12.1997 veräußerte E die Grundstücke an eine aus J und M bestehende GbR zum Kaufpreis von 3 Mio. DM. Tag der Besitzübergabe war der 15.12.1997. Der Kaufpreis wurde von den Söhnen am 22.12.1997 überwiesen. E überwies am selben Tag einen Teilbetrag des Kaufpreises i.H.v. 2,33 Mio. DM auf das Betriebskonto der GmbH mit dem Vermerk „Gesellschaftereinlage zur Gutschrift als Kapitalrücklage“. Weitere Teilbeträge i.H.v. 306.000 DM und 294.000 DM überwies er an seinen Sohn J und seinen Sohn M ebenfalls am selben Tag mit dem Vermerk „Schenkung“ zurück. Am 29.12.1997 veräußerte E 51 % der Geschäftsanteile der GmbH i.H.v. 51.000 DM an J und 49 % der Anteile für 49.000 DM an M. Der festgelegte Kaufpreis entsprach jeweils dem Nominalwert der Geschäftsanteile. Laut Vertrag sollten die Geschäftsanteile nicht übergehen, bevor die Gesellschaftereinlage i.H.v. 2,33 Mio. DM geleistet wurde. Der von den Söhnen überwiesene Kaufpreis wurde von E mit dem Vermerk „Schenkung“ an die Söhne zurücküberwiesen.
In der Einkommensteuererklärung des E wurden die Veräußerung der Grundstücke und die Veräußerung der GmbH-Anteile als vollentgeltliche, laufende Geschäftsvorfälle behandelt und ein Verlust i.H.v. 1.207.286 DM erklärt.
Nach einer durchgeführten Außenprüfung behandelte das FA die Veräußerung der Grundstücke als teilentgeltliche Betriebsaufgabe. Durch Beendigung der Betriebsaufspaltung und einen anzusetzenden Verkehrswert von 4 Mio. DM läge eine nach §§ 16, 34 EStG begünstigte teilentgeltliche Veräußerung vor. Das FA ermittelte einen begünstigten Veräußerungsgewinn i.H.v. 2.076.603 DM sowie einen laufenden Verlust von 53.889 DM.
Die Übertragung der GmbH-Anteile sei dagegen angesichts der von vornherein beabsichtigten Rückschenkung als unentgeltlicher Vorgang anzusehen und ein dadurch entstandener Veräußerungsverlust mangels Entgeltlichkeit nicht zu berücksichtigen.
Nach erfolglosem Einspruch beurteilte das FG (FG BW v. 22.2.2011 – 8 K 60/06) die Veräußerung der Grundstücke und der Geschäftsanteile nach der Gesamtplanrechtsprechung als einheitlichen Vorgang und kam zu dem Ergebnis, dass insgesamt der gezahlte Kaufpreis von saldiert 2,4 Mio. DM den Buchwert des übertragenen Vermögens nicht überschreite und somit insgesamt von einer unentgeltlichen Betriebsübertragung auszugehen sei. Bei E sei deshalb weder ein Veräußerungsgewinn noch ein Veräußerungsverlust entstanden.
Die Lösung des Gerichts: Keine einheitliche Betriebsübertragung: Der BFH hat das Urteil des FG aufgehoben und entschieden, das FG sei zu Unrecht von einer einheitlichen Betriebsübertragung i.S.d. § 7 Abs. 1 EStDV ausgegangen.

  • Die Veräußerung der Grundstücke hat zur Beendigung der bestehenden Betriebsaufspaltung und damit zu einer tarifbegünstigten Betriebsaufgabe gem. §§ 16 Abs. 3, 34 EStG geführt.
  • Die sich anschließende Geschäftsanteilsübertragung erfolgte unentgeltlich.

Da vom FG bislang keine Feststellung zur Höhe der in den Grundstücken ruhenden stillen Reserven getroffen wurde, ist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen worden.
Konsequenzen für die Praxis: Entfallen die Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung, rührt dies nach der Rechtsprechung des BFH regelmäßig zur Betriebsaufgabe und damit zur Versteuerung der in den Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens enthaltenen stillen Reserven.
Die Veräußerung der Grundstücke führte mit dem Übergang von Nutzen und Lasten zur Beendigung der Betriebsaufspaltung, da ab diesem Zeitpunkt keine wesentlichen Betriebsgrundlagen mehr an die GmbH überlassen wurden.
Die Geschäftsanteile der GmbH wurden somit zwangsweise in das Privatvermögen überführt. Sie bleiben nicht deshalb Betriebsvermögen, weil die Anteile nur wenige Tage nach dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an den Grundstücken übertragen wurden.
Keine Verhinderung durch Gesamtplanrechtsprechung: Die Rechtsfolgen der Betriebsaufgabe können nicht durch die Anwendung der Grundsätze der Gesamtplanrechtsprechung des BFH verhindert werden. Es obliegt der Entscheidung des Steuerpflichtigen,

  • eine betriebliche Einheit insgesamt oder
  • die jeweiligen Wirtschaftsgüter einzeln zu übertragen.

Geldrückfluss/Rückschenkung: Sofern eine Geldzahlung wieder zurückfließt oder bei Abschluss eines Grundstückskaufvertrages zwischen Angehörigen zugleich die (Rück-)Schenkung des Kaufpreises vereinbart ist, liegen diesbezüglich keine Anschaffungskosten – und korrespondierend – kein Veräußerungserlös vor. Insoweit wird der Veräußerungspreis entsprechend gemindert und die Veräußerung erfolgt teilentgeltlich. Beachten Sie: Die Übertragung der Geschäftsanteile war hingegen unentgeltlich, da der gesamte formal vereinbarte Kaufpreis in voller Höhe zurückgeflossen ist. Daher konnte die Übertragung nicht zu einer Verlustrealisierung nach § 17 EStG führen.
Beraterhinweis: Gesamtplan bei künstlicher Zerlegung eines einheitlichen Vorgangs: Ein Gesamtplan i.S.d. Rechtsprechung des BFH ist regelmäßig dadurch gekennzeichnet, dass

  • ein einheitlicher wirtschaftlicher Sachverhalt aufgrund eines vorherigen, zielgerichteten Plans künstlich zerlegt wird und
  • den einzelnen Teilakten dabei nur insoweit Bedeutung zukommt, als sie die Erreichung des Endzustands fördern

(BFH v. 9.11.2011 – X R 60/09, EStB 2012, 159 = BStBl. II 2012, 638). Dementsprechend ist ein Gesamtplan zu verneinen, wenn wirtschaftliche Gründe für die einzelnen Teilschritte vorliegen und es dem Steuerpflichtigen gerade auf die Konsequenzen dieser Teilschritte ankommt. Die Teilschritte haben insoweit eine eigenständige Funktion. Der Gesamtplan ist somit von dem „Plan in Einzelakten“ zu unterscheiden. Ein „Plan in Einzelakten“ ist auch dann kein Gesamtplan, wenn die Einzelakte auf einem vorab erstellten Konzept beruhen. Beachten Sie: Die vorherige Veräußerung der Grundstücke und die sich daran anschließende Verwendung des Verkaufserlöses als Kapitaleinlage in die GmbH waren unverzichtbare Teilschritte mit eigenständiger Funktion um den durch die Grundstücksveräußerung realisierten Gewinn mit dem Verlust aus der Anteilsübertragung zu kompensieren. Im Streitfall war die Übertragung der Grundstücke bereits deshalb nur teilentgeltlich, weil der von den Parteien formal vereinbarte Kaufpreis aufgrund der geplanten Rückschenkung im Ergebnis gemindert wurde. Hingegen war die Anteilsübertragung vollständig unentgeltlich, da der Kaufpreis in voller Höhe zurückgeschenkt wurde.
Dipl.-Finw. Rainer Formel, Gelsenkirchen

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 10.02.2014 10:55

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