Darlehensverträge zwischen nahen Angehörigen
Die Fremdvergleichsprüfung bei Darlehensverträgen zwischen nahen Angehörigen erfolgt je nach dem Anlass der Darlehensaufnahme unterschiedlich intensiv. Wurden die Darlehensmittel dem Darlehensgeber zuvor geschenkt, erfolgt eine strikte, dienen sie der Finanzierung von Wirtschaftsgütern, reicht eine großzügigere Prüfung. Vergleichsmaßstab ist neben den Verträgen zwischen Kreditinstituten und Darlehensnehmern, was im Bereich der Geldanlage üblich ist.
BFH v. 22.10.2013 – X R 26/11
Das Problem: Die Kläger und Revisionskläger sind zusammenveranlagte Eheleute. Der Kläger betrieb eine Bäckerei in Form eines Einzelunternehmens, erwarb von seinem Vater Anlagevermögen und schloss mit diesem über den Kaufpreis eine Darlehensvereinbarung. Hiernach war der jeweilige jährliche Darlehensrestbetrag mit 8 % zu verzinsen. Eine Laufzeit des Darlehens wurde nicht vereinbart; vielmehr wurde ein beiderseitiges Kündigungsrecht unter Einhaltung einer sechsmonatigen Frist bestimmt. Die Darlehenszinsen werden nach dem Vertrag dem Darlehen zum Ende des jeweiligen Jahres zugeschlagen. Der Vater des Klägers gab am selben Tag gegenüber seinen Enkelkindern – den Kindern des Klägers – das privatschriftliche Schenkungsversprechen ab, die Darlehensforderung auf sie zu übertragen. Tatsächliche Auszahlungen an seine Kinder aufgrund der Darlehensverträge nahm der Kläger zunächst nicht vor.
Als Folge einer Betriebsprüfung versagte das FA die steuerliche Anerkennung des vom Kläger geltend gemachten Zinsaufwandes als BA. Zur Begründung führte das FA aus, die vereinbarten Darlehensbedingungen hielten in wesentlichen Punkten (fehlende Vereinbarung eines festen Rückzahlungszeitpunktes, Vereinbarung der Rücküberlassung der jährlich anfallenden Zinsen) einem Fremdvergleich nicht stand. Gegen die entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheide richteten sich die Kläger erfolglos mit dem Einspruch und der Klage vor dem FG (FG Nds. v. 23.6.2010 – 4 K 12347, 12348/07). Gegen das FG-Urteil wandte sich der Kläger mit seiner Revision zum BFH.
Die Lösung des Gerichts: Der X. Senat des BFH gab der Revision statt, hob das Urteil des FG auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück, weil er den Sachverhalt als noch nicht entscheidungsreif beurteilte.
In der Sache folgte der BFH dem FG nicht in seiner Beurteilung, den BA-Abzug im Hinblick auf die Darlehenszinsen zu versagen.
Vorzunehmende Differenzierung nach dem Anlass der Darlehensaufnahme: Das FG habe nicht beachtet, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung bei Anwendung des Fremdvergleichs auf Darlehensverträge zwischen nahen Angehörigen nach dem Anlass der Darlehensgewährung differenziere. Maßgeblich für die steuerliche Anerkennung von Angehörigen-Verträgen sei hierbei stets die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten; geringfügige Abweichungen einzelner Sachverhaltsmerkmale vom Üblichen schlössen die Anerkennung grundsätzlich (noch) nicht aus.
Drei Fallgruppen der Darlehensgewährung bildet der BFH im Ergebnis:
- Darlehensgewährung aus zuvor geschenkten Mitteln: Werde das Darlehen aus Mitteln gewährt, die der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber zuvor geschenkt habe, sei die Fremdvergleichsprüfung strikt vorzunehmen.
- Novation: Trete das Darlehen an die Stelle einer geschuldeten Auszahlung (z.B. eine Vergütung aus einem Arbeits-, Miet-, oder Pachtvertrag) (sog. Novation), sei dies dann problematisch, wenn die Vergütung „stehen gelassen“ werde, ohne diese zuvor zur Auszahlung angeboten zu haben.
- Eindeutige betriebliche Veranlassung: Diene das Darlehen zur Finanzierung der Anschaffungs-/Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern, d.h. ist es eindeutig betrieblich veranlasst, werde es selbst dann steuerlich anerkannt, wenn es unter im Einzelnen nicht fremdüblichen Bedingungen gewährt werde.
Konsequenzen für die Praxis: Keine zu enge Fremdvergleichsprüfung: Der BFH „fängt“ mit seinem ausführlich begründeten Besprechungsurteil sowohl das FA als auch das FG in Bezug auf eine zu enge Auslegung der Fremdvergleichsprüfung „ein“. Gleiches hatte er bereits mit seinem Urteil vom 17.7.2013 zur Anerkennung von Angehörigen-Arbeitsverhältnissen getan (BFH v. 17.7.2013 – X R 31/12, EStB 2013, 444).
Differenzierung nach Fallgruppen: Zugleich bestätigt der BFH mit dem Besprechungsurteil die in ständiger Rechtsprechung ausgeführte Notwendigkeit der Differenzierung nach unterschiedlichen Fallgruppen.
Unterschiedlicher Vergleichsmaßstab: In offenem Gegensatz zur Finanzverwaltung tritt er hinsichtlich der Frage des Vergleichsmaßstabes:
- während die Finanzverwaltung hier ausschließlich auf Vertragsgestaltungen zwischen Darlehensnehmern und Kreditinstituten abstellt (vgl. BMF v. 23.12.2010 – IV C 6 – S 2144/07/10004 – DOK 2010/0862046, EStB 2011, 64 = BStBl. I 2011, 37 Rz. 4 Satz 3),
- reicht dem BFH auch aus, was im Bereich der Geldanlagen ansonsten üblich ist.
Beraterhinweis: Erneut spricht der BFH Recht zugunsten des Steuerpflichtigen. Bei der Gestaltungsberatung sollte gleichwohl nicht außer Acht bleiben, dass im Rahmen einer Gesamtwürdigung über die steuerliche Anerkennung von Angehörigen-Verträgen entschieden wird. Das Pendel kann daher im Einzelfall weiterhin zu Ungunsten des Steuerpflichtigen ausschlagen. Entsprechende Verträge sollten daher nach wie vor mit Bedacht gestaltet werden. Für die Abwehrberatung liefert der BFH mit dem Besprechungsurteil gute Argumente gegen eine zu enge Anwendung der Fremdvergleichsgrundsätze. Es bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung auf das Urteil reagieren wird.
RA/StB/FASt Dr. Mirko Wolfgang Brill, M.R.F.,c k s s Carlé Korn Stahl Strahl, Köln