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BFH präzisiert Voraussetzungen für Kettenschenkung

Der BFH präzisiert in seiner Entscheidung in überzeugender Weise die Anforderungen unter denen die Weitergabe eines Gegenstandes seitens des Erstbeschenkten an den Zweitbeschenkten schenkungsteuerrechtlich anzuerkennen ist und insoweit zu zwei freigebigen Zuwendungen (sog. „Kettenschenkungen“) führt.

BFH v. 18.7.2013 – II R 37/11

Das Problem: Streitig war, ob die Klägerin das Wohneigentum von ihrem Ehegatten oder dessen Mutter freigebig zugewendet erhielt. Die Schwiegermutter der Klägerin überließ ihrem Sohn und Ehemann der Klägerin Wohneigentum. Als Gegenleistung wurden ein Wohnrecht und ein Leibgeding für die Mutter vereinbart sowie Verpflichtungen bzgl. Begräbnis und Grabmalpflege. Der Sohn musste sich nach der Vereinbarung die Zuwendung auf seinen gesetzlichen Pflichtteilsanspruch bzw. Pflichtteilsergänzungsanspruch anrechnen lassen.

Mit darauf folgender Urkundsnummer übertrug der Ehemann der Klägerin einen Miteigentumsanteil zu ½ an dem soeben übertragenen Wohneigentum unentgeltlich. Die Eheleute vereinbarten Rückübertragungsrechte für verschiedene Fallgestaltungen. Die Eintragung des Miteigentums der Klägerin sollte im Wege der Kettenauflassung erfolgen; ihr Ehemann verzichtete insoweit auf seine Zwischeneintragung als Alleineigentümer. Die Eheleute traten gemeinsam in alle sich aus dem Leibgeding ergebenden Verpflichtungen ein. In Ihrer Schenkungsteuererklärung vom 18.1.2007 gab die Klägerin (wohl aus Gründen der Vorsicht) als Schenker die Mutter und nicht ihren Ehemann an.

Das FA beurteilte diese Vorgänge als Schenkung der Mutter an den Sohn und an die Klägerin als Miteigentümer, je zur Hälfte. Dementsprechend setzte es mit Bescheid vom 2.3.2007 die Schenkungsteuer aus einem Erwerb der Klägerin von der Mutter auf 2.616 € fest.

Hiergegen erhob die Klägerin erfolglos Einspruch und Klage. Das FA begründete seine Entscheidung wie folgt: Wenn jemand eine Zuwendung als Durchgangsperson erhalte, die er – wie bei einer Schenkung unter Auflage (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) – entspr. einer bestehenden Verpflichtung in vollem Umfang an einen Dritten weitergebe, liege schenkungsteuerrechtlich nur eine Zuwendung aus dem Vermögen des Zuwendenden an den Dritten vor. Wegen der Verpflichtung zur Weitergabe bestehe keine Bereicherung der Mittelsperson aus dem Vermögen des Zuwendenden, sodass eine Schenkung der Mittelsperson an den Dritten nicht in Betracht komme. Durch die Zwischenschaltung des Ehemannes sollten die Schenkungsteuerfreibeträge ausgeschöpft werden. Es sei von einem Zusammenwirken des Personenkreises zur Vermeidung von Schenkungsteuer zulasten des Fiskus auszugehen. Auch ergebe sich eine sachliche Verknüpfung beider Verträge, die auf einem Gesamtplan zwischen den Beteiligten beruhe.

Das FG München bestätigte mit Urteil vom 25.5.2011 (FG München v. 25.5.2011 – 4 K 960/08, EFG 2011, 1733) die Auffassung des FA, ließ jedoch die Revision gegen die Entscheidung zu.

Die Lösung des Gerichts: Die Revision war erfolgreich und führt gleichzeitig zur Aufhebung des Schenkungsteuerbescheids. Der BFH präzisiert in seiner Entscheidung die Grundsätze unter denen eine Kettenschenkung steuerlich anzuerkennen ist. Dabei setzt er sich auch mit der Frage des Vorliegens eines Gesamtplanes und mit dem Vorliegen eines Gestaltungsmissbrauches auseinander und verneint beide Rechtsinstitute. Der Leitsatz der Entscheidung lautet wie folgt:

Überträgt ein Elternteil ein Grundstück schenkweise auf ein Kind und schenkt das bedachte Kind unmittelbar im Anschluss an die ausgeführte Schenkung einen Miteigentumsanteil an dem Grundstück an seinen Ehegatten weiter, ohne dem Elternteil gegenüber zur Weiterschenkung verpflichtet zu sein, liegt schenkungsteuerrechtlich keine Zuwendung des Elternteils an das Schwiegerkind vor.

Konsequenzen für die Praxis: Die Entscheidung ist für die Praxis von erheblicher Bedeutung: Der Begriff der Kettenschenkung wird leider unterschiedlich verwendet, sodass er mit Vorsicht zu gebrauchen ist (vgl. insoweit die gewählte Definition im Leitsatz).

Ziel der Kettenschenkung ist zumeist das Ausnutzen von „höheren“ Freibeträgen:

  • Oft soll erreicht werden, dass der Beschenkte von beiden Eltern Vermögen erhält und dabei jeweils die Freibeträge für beide Elternteile in Anspruch nehmen kann;
  • zweite häufige Erscheinungsform ist – wie im Streitfall – die Begünstigung von Schwiegerkindern über den jeweiligen Ehegatten (vgl. hierzu Geck in Kapp/Ebeling, ErbStG, § 7 ErbStG Rz. 393 ff.) und
  • die dritte Erscheinungsform verfolgt die Begünstigung von Enkelkindern über die Zwischengeneration.

Bereicherung …: In Tz. 12 der Entscheidung verweist der BFH auf seine frühere Rspr. und wiederholt, dass eine Bereicherung des Empfängers gegeben ist, wenn dieser über das Zugewendete im Verhältnis zum Leistenden tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann (BFH v. 30.11.2009 – II R 70/06, BFH/NV 2010, 900).

… zur freien Verfügung: Unter Tz. 16 fasst der BFH nun die Kriterien zusammen unter denen ein Bedachter frei verfügen kann. Dies sei unter Berücksichtigung der abgeschlossenen Verträge, ihrer inhaltlichen Abstimmung untereinander sowie der mit der Vertragsgestaltung erkennbar angestrebten Ziele der Vertragsparteien zu entscheiden (vgl. BFH v. 10.3.2005 – II R 54/03, BStBl. II 2005, 412 = ErbStB 2005, 145 m. Komm. Kirschstein).

Die Verpflichtung zur Weitergabe könne sich aus einer ausdrücklichen Vereinbarung im Schenkungsvertrag oder aus den Umständen ergeben (vgl. Piltz, ZEV 1994, 55). Hier hatte die Finanzverwaltung und die Erstinstanz eine fiskalische Auffassung, die vom BFH nicht geteilt wurde. Maßgebend für die Beurteilung seien die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten. Von einer Weitergabeverpflichtung kann auch nach Auffassung des BFH auszugehen sein, wenn dieser noch vor Ausführung der freigebigen Zuwendung an ihn den Gegenstand an einen Dritten weiterschenkt. Grundsätzlich kann man festhalten, dass bei fehlender Weitergabeverpflichtung eine Kettenschenkung auch vom BFH anerkannt wird.

Im Streitfall: Der BFH erläutert i.E. welche (rechtlichen) Gründe im Streitfall zu einer freien Verfügung des Ehemannes der Klägerin geführt haben – bspw. die Anrechnung auf den gesetzlichen Pflichtteilsanspruch und die Begründung von Rückübertragungsverpflichtungen – und widerlegt die Argumente des Beklagten und der Vorinstanz.

Gesamtplan: In Tz. 23 der Entscheidung setzt sich der BFH auch mit einem etwaigen Gesamtplan auseinander. Er folgt damit der Tendenz der jüngeren Rspr. des BFH, der den Anwendungsbereich deutlich zurückfährt. In Fällen dieser Art kommt es nach zutreffender Auffassung des Senats wegen der Anknüpfung an das Zivilrecht und der durch die Zuwendung der Eltern ausgelösten Rechtsfolgen schenkungsteuerrechtlich nicht darauf an, ob die Beteiligten von vornherein durch abgestimmtes Verhalten im Wege eines Gesamtplans auf eine Schenkung durch die Eltern an das Kind und eine anschließende Weiterschenkung eines Teils des geschenkten Gegenstands durch das Kind an seinen Ehegatten hingewirkt haben.

Beraterhinweis: Die Entscheidung ist von Ihnen in allen einschlägigen Fällen anzuwenden. In der Praxis wird es wahrscheinlich noch einige Zeit dauern, bis sich das Verständnis auch in den Köpfen der Fiskalisten festgesetzt hat.

Weiterübertragung in der Praxis: Zwar bestätigt der BFH, dass eine zeitliche Komponente für das Halten durch den Zwischenerwerber nicht notwendig ist, aber es hat sich in der Praxis gezeigt, dass ein solches Halten die Diskussionen mit der Finanzbehörde deutlich erleichtert. Deshalb bietet es sich m.E. weiterhin an, vor Weiterübertragung des geschenkten Vermögens eine gewisse Schamfrist verstreichen zu lassen. So kann der Erstbeschenkte auch eigene Kapitaleinkünfte erwirtschaften.

Sofern jedoch Gerichtsgebühren etc. erspart werden sollen, können Sie zwar auf eine Zwischeneintragung des Erstbeschenkten im Grundbuch verzichten; allerdings müssen Sie stets sicherstellen, dass der Erstbeschenkte im Verhältnis zum Erstschenker tatsächlich und rechtlich über den geschenkten Gegenstand frei verfügen kann. Deshalb muss in einem solchen Sachverhalt zumindest stets verhindert werden, dass die beiden Übertragungen in einer Urkunde erfolgen.

StB/RA/FASt Dipl.-Finw. Stefan Heinrichshofen, Peters, Schönberger & Partner, München

Service: BFH v. 18.7.2013 – II R 37/11; BFH v. 30.11.2009 – II R 70/06; BFH v. 10.3.2005 – II R 54/03, ErbStB 2005, 145; FG München v. 25.5.2011 – 4 K 960/08 abrufbar unter www.steuerberater-center.de

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 14.11.2013 13:06

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