Otto Schmidt Verlag


Tarifbegünstigter Verkauf einer Steuerberaterpraxis

Hat ein Steuerberater mehrere selbständige Praxen gekauft, die nahe beieinander liegen, so ist der Weiterverkauf einer Praxis steuerbegünstigt (§ 18 Abs. 3, § 34 EStG), wenn die verkaufte Praxis im Wesentlichen nicht verändert wurde.

BFH v. 26.6.2012 – VIII R 22/09

Das Problem: Ein Steuerberater kaufte im Jahre 1983 eine Praxis in A und im Jahr 1991 eine Praxis im 22 km entfernten B. Ferner gründete er 1991 eine Praxis in C. Alle drei Praxen führte er allein unter seinem Namen. Zur Auslastung des Personals ließ der Steuerberater in B auch Arbeiten für Mandanten aus A und C durchführen. Im Jahr 1998 verkaufte er die Praxis in B (Praxiswert: 720.000 DM; Inventar: 30.000 DM). Zuvor hatte er seine Wirtschaftsprüfungsmandate auf eine GmbH unter seiner Leitung übertragen. FA und FG vertraten die Ansicht, eine steuerbegünstigte Veräußerung einer Teilpraxis liege nicht vor (FG Rh.-Pf. v. 29.4.2008 – 5 K 2457/05, EFG 2009, 1113).

Die Lösung des Gerichts: Der BFH hat das Urteil des FG aufgehoben. Im zweiten Rechtsgang muss das FG nach detaillierten Vorgaben prüfen, ob der Steuerberater einen selbständigen Teilbetrieb veräußert hat.

Konsequenzen für die Praxis: Selbständig i.S.d. § 18 Abs. 3 EStG ist ein Teil des Vermögens eines Freiberuflers, wenn ein Teilbetrieb – ähnlich wie bei Gewerbebetrieben – bejaht werden kann.

Organisatorische Selbständigkeit – hier drei räumlich getrennte Praxen mit eigenem Personal und eigener Gewinnermittlung – ist Voraussetzung für mehrere Teilbetriebe, die für sich allein aber nicht genügt. Da der wesentliche Wert der Praxis eines Freiberuflers im Mandantenstamm liegt, muss dieser

  • im Wesentlichen veräußert und
  • die Tätigkeit zumindest für gewisse Zeit eingestellt werden.

Drei Fallgruppen bei Teilbetrieben: Die bisherige Rechtsprechung hat für die Annahme von Teilbetrieben zwei Fallgruppen entwickelt, die der BFH nun um eine dritte Fallgruppe erweitert:

  • Wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten (Fallgruppe 1): Übt ein Freiberufler zwei verschiedene Tätigkeiten mit jeweils unterschiedlichem Kunden- oder Patientenkreis aus, kann er einen Tätigkeitsbereich begünstigt verkaufen und den anderen fortführen. Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung sind – entgegen der Ansicht des FG – nicht generell als gleichartig anzusehen. Werden sie organisatorisch getrennt ausgeübt, liegen zwei selbständige Teilbetriebe vor. Ohne organisatorische Trennung besteht eine einheitliche Praxis.
  • Gleichartige Tätigkeiten (Fallgruppe 2) führen nur bei örtlicher Trennung zu Teilbetrieben. Fehlt es – wie im Streitfall zwischen den Praxen in A und B – hieran, kann durch Aufteilung der Mandanten auf zwei Organisationen kein Teilbetrieb begründet werden.
  • Neu: Weiterverkauf einer gekauften Praxis ohne wesentliche Änderung (Fallgruppe 3): Kauft ein Steuerberater im örtlichen Bereich seiner Praxis eine zweite Praxis hinzu, die ein Konkurrent bisher selbständig geführt hat, so geht die Selbständigkeit dieser Praxis mit dem Kauf nicht ohne weiteres verloren. Die gekaufte Praxis bleibt vielmehr ein selbständiger Teilbetrieb, solange sie als eigene organisatorische Einheit ohne wesentliche Veränderungen fortgeführt wird.

Die Vorgaben des BFH zur weiteren Prüfung durch das FG stellen klar, dass

  • die Zuordnung der Mandanten zu den einzelnen Praxen das maßgebliche Kriterium für Veränderungen ist,
  • d.h. eine organisatorische „Eingliederung“ bzw. „Zusammenlegung“ der Praxen durch Änderungen bei der Zuordnung darf zwischen dem Kauf 1991 und dem Verkauf 1998 nicht erfolgt sein.

Beim Kauf 1991 vorhandene Mandanten: Sollte der Steuerberater nach 1991 Mandanten der Praxis B in A oder C betreut haben (oder Mandanten von A und C in B), wäre dies eine schädliche Praxiszusammenlegung. Feinsinnig abzugrenzen ist zwischen

  • der Verlagerung von Mandanten zwischen den Praxen und
  • bloßer Arbeitsverteilung zur Personalauslastung.

Nach Kauf hinzuerworbene Mandanten sind unschädlich, wenn sie der „richtigen“ Praxis zur Betreuung zugeordnet wurden. Haben neue Mandanten aus räumlichen Gründen das Büro in B aufgesucht, liegt keine Veränderung der Praxisführung vor.

Wirtschaftsprüfungsmandate: Sollte der Steuerberater im Büro in B nach 1991 zunächst Wirtschaftsprüfungsmandate bearbeitet haben, hat er die zwei verschiedenen Tätigkeiten Steuerberatung/Wirtschaftsprüfung in einer Praxis ausgeübt. Die spätere Abspaltung in eine GmbH kann dies nicht rückgängig machen und ist als schädliches  Zurückbehalten von Mandaten zu beurteilen.

Wesentliche Änderungen liegen nur vor, wenn mit den Mandatsverschiebungen bzw. dem Zurückbehalten von Mandaten die Bagatellgrenze von 10 % (vgl. H 18.3 EStH) überschritten wird.

Beraterhinweis: Die Fallgruppen, in denen ein selbständiger Teilbetrieb eines Freiberuflers angenommen wird, sind nicht abschließend. Sie beschreiben die in der Praxis wichtigsten Sachverhalte, schließen aber Sonderfälle nicht aus.

VRiFG Anton Siebenhüter, Augsburg

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 25.10.2012 12:11

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