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Zur Unternehmensstiftung nach der Reform des Stiftungsrechts (Uhl, Ubg 2022, 551)

Das im Jahr 2021 verabschiedete Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts bildet künftig das neue Fundament, das auch für unternehmensverbundene Stiftungen relevant sein wird. Der nachfolgende Überblick weist auf die wesentlichen Neuerungen hin, benennt typische Unternehmensstiftungsmodelle und diskutiert rechtliche Gestaltungen im Kontext einer Unternehmensnachfolgeplanung, die durch die Reform womöglich zweifelhaft geworden sind.

 I. Einführung
1. Unternehmensverbundene Stiftung
2. (Verdeckte) Selbstzweckstiftung
3. Doppelstiftung
II. Neue Diskussionsfelder
1. Neue Zweifel an der Existenzberechtigung der Stiftung & Co. KG?
2. Dauertestamentsvollstreckung bei der Errichtung einer Stiftung von Todes wegen
3. Ausstattung mit „belastetem“ Vermögen
III. Fazit


I. Einführung

Zur Einordnung der unternehmensverbundenen Stiftung im Kontext der Reform des Stiftungsrechts durch das „Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes“ vom 16.7.2021 sind zwischenzeitlich einige Beiträge erschienen, die jeweils auch einen Überblick über die steuerlichen Rahmenbedingungen geben. Danach soll die Stiftung als Rechtsform für die Gestaltung einer Unternehmensnachfolge durch die Reform an Attraktivität tendenziell eher gewinnen. Festgemacht wird dies etwa daran, dass das Stiftungsrecht aufgrund detaillierter Regelungen nunmehr auch „übersichtlicher und verständlicher“ würde. Daneben wird auf die nicht nur für den Nachfolge- und unternehmerischen Kontext relevanten Befunde verwiesen, dass das Stiftungsprivatrecht spätestens zum 1.7.2023 bundeseinheitlich geregelt ist und mit dem ab dem 1.1.2026 eingerichteten und vom Bundesamt für Justiz geführten Stiftungsregister für mehr Transparenz im Rechtsverkehr vor allem hinsichtlich der Vertretungsverhältnisse sorgen wird. Als öffentliches Register mit der Wirkung negativer Publizität kommt diesem Stiftungsregister eine weitaus größere Rolle als den sog. Stiftungsverzeichnissen zu, die bislang von den Bundesländern geführt werden und ab 2026 eigentlich obsolet werden. Die Relevanz dieser Thematik sollte spätestens seit der BGH-Entscheidung zur Beschränkung der Vertretungsmacht des Stiftungsvorstands aus dem Jahr 2021 einer breiteren (Fach-)Öffentlichkeit offenkundig geworden sein („Schlaganfall-Hilfe“).

Aus der mit dem neuen Stiftungsregister verbundenen Transparenz folgt jedoch auch, dass jedermann Einsicht in die zum Stiftungsregister eingereichten Dokumente (maßgeblich also in die Stiftungssatzung) nehmen kann. Eine Einsichtnahme soll nur bei „berechtigtem Interesse der Stiftung oder Dritter“ beschränkt oder ausgeschlossen werden können, was etwa für personenbezogene Daten von Destinatären oder Stiftern und Regelungen zur Vermögensverwaltung gelten soll. Der Gesetzgeber reagiert damit in begrenztem Umfang auf Forderungen von Verbänden, die Einsichtnahme in Dokumente bzw. Statusunterlagen gänzlich auszuschließen oder nur beim Nachweis eines besonderen Interesses zu gewähren. Bei der Gestaltung der Stiftungsverfassung ist folglich bereits heute daran zu denken, dass künftig jedermann die Stiftungssatzung – wie etwa bislang schon den Gesellschaftsvertrag über eine GmbH – einsehen kann.

Festzuhalten bleibt, dass der Gesetzgeber im Zuge der jüngsten Reform wiederholt darauf verzichtet hat, Sonderregelungen für unternehmensverbundene Stiftungen zu entwickeln. Die Stiftung als Rechtsform für die Gestaltung einer Unternehmensnachfolge ist gleichwohl auch nach der Reform trotz gewisser ordnungspolitischer Kritikpunkte jedenfalls ohne weiteres weiterhin zulässig, solange die Tätigkeit der Stiftung über die Erhaltung und Mehrung des eigenen (unternehmerischen) Vermögens hinausgeht (s. zur Selbstzweckstiftung sogleich I.2.). Der nachfolgende Überblick bleibt folglich auch für die Zukunft bedeutsam.

1. Unternehmensverbundene Stiftung
Unternehmensverbundene Stiftungen („Unternehmensbeteiligungsstiftungen“) sind zum einen solche, die maßgeblich an einem Unternehmen in Form einer Personen- oder Kapitalgesellschaft beteiligt sind und/oder als „Holdingstiftungen“ die Verwaltung eines Konzerns übernehmen. Daneben gibt es – in der Praxis jedoch nur noch selten – „Unternehmensträgerstiftungen“, Stiftungen also, die unmittelbar Rechtsträger eines Unternehmens sind, das von ihnen betrieben wird. Für jede Art der unternehmensverbundenen Stiftung ist typisch, dass das Unternehmen und die unternehmerischen Beteiligungen in ihrem Bestand zu erhalten (und ggf. auch weiterzuentwickeln) sind. Häufig handelt es sich um Familienstiftungen. Gemeinnützige unternehmensverbundene Stiftungen sind gleichwohl keineswegs ausgeschlossen, sofern sich die unternehmerische Tätigkeit auch aus gemeinnützigkeitsrechtlicher Sicht (Stichwort: Gebot der Verfolgung ausschließlich steuerbegünstigter Zwecke) nicht im Betrieb des Unternehmens und damit in einem Selbstzweck erschöpft (zur Selbstzweckstiftung s. noch sogleich). An der grundsätzlichen Tauglichkeit von unternehmensverbundenen Stiftungen für die Zwecke der Unternehmensführung bestehen aufgrund entsprechender empirischer Studien zum aktuellen Stand der Wissenschaft zwischenzeitlich wohl keine ernsthaften Zweifel mehr. Etwaige wirtschaftliche und rechtliche Interessenkonflikte zwischen einem betriebswirtschaftlich orientierten Unternehmen (Unternehmensinteresse) und einer auf bestmögliche Zweckverwirklichung bedachten (Träger-)Stiftung (Stiftungsinteresse) sind damit freilich nicht ohne weiteres vom Tisch.

2. (Verdeckte) Selbstzweckstiftung
Aus dem Verbot der (Unternehmens-)Selbstzweckstiftung folgt, dass sich der Zweck der Stiftung nicht in der Erhaltung eines Unternehmens erschöpfen darf. Unternehmen und Stiftungszweck dürfen nicht identisch sein. Gemeint ist der tatsächliche Zweck, so dass ein (auch satzungsgemäß) nur vorgeschobener Zweck unbeachtlich ist. Verdachtsmomente für eine Selbstzweckstiftung kommen auf, wenn der (weit) überwiegende Teil der Unternehmensgewinne auf Ebene des Unternehmens thesauriert wird, statt als Mittel den gemein- oder privatnützigen Stiftungszwecken zu dienen. Da gesetzliche Vorgaben über eine „Mindestausschüttungsquote“ fehlen und solche auch nicht ohne weiteres aus stiftungsdogmatischen Vorgaben ableitbar sind, bleiben entsprechende Thesaurierungen in der Praxis häufig unbeanstandet, sofern die zugrunde liegende Entscheidung wirtschaftlich nachvollziehbar begründet werden kann.

3. Doppelstiftung
Als klassisches Instrument der Nachfolgegestaltung kann als Kombination einer privatnützigen mit einer fremdnützigen (steuerbegünstigten) Stiftung im Einzelfall weiterhin das Modell der Doppelstiftung fungieren. Zwei Stiftungen sind danach an einem Vermögen, in der Regel an einer Kapitalgesellschaft als Rechtsträger eines unternehmerischen Vermögens, beteiligt. Das Modell war aufgrund einer disproportionalen Verteilung vermögensbezogener Rechte zwischen den beteiligten Stiftungen (Aufspaltung von Kapital und Stimmrecht) lange Zeit vor allem steuerlich motiviert. Typischerweise und im Ausgangspunkt erhält eine steuerbegünstigte Stiftung 95 % des Kapitals, aber nur 5 % der Stimmrechtsmacht an der unternehmenstragenden Kapitalgesellschaft. Eine Familienstiftung erhält spiegelbildlich lediglich 5 % des Kapitals, jedoch 95 % der Stimmrechte und damit die Kontrollmöglichkeiten.

II. Neue Diskussionsfelder

1. Neue Zweifel an der Existenzberechtigung der Stiftung & Co. KG?

Die Gesetzesmaterialien lassen aufhorchen: Dort ist nachzulesen, dass in der Rechtsform der Stiftung nicht (nur) ein Zweck verfolgt werden könne, für dessen Erfüllung die Nutzung eines Vermögens nicht erforderlich sei, namentlich wie...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 07.10.2022 09:46
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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