Otto Schmidt Verlag


Kurzbesprechung

Zur Höhe der Gebühr bei Rücknahme eines Antrags auf verbindliche Auskunft

Im Fall der Rücknahme eines Antrags auf verbindliche Auskunft führt AEAO zu § 89 Nr. 4.5.2 nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null in der Weise, dass die Gebührenermäßigung (§ 89 Abs. 7 Satz 2 AO) nach den Maßgaben der Bemessung einer Zeitgebühr auszurichten ist.

BFH v. 4.5.2022 - I R 46/18

AO § 5, § 89 Abs. 7 Satz 2
FGO § 102
AEAO § 89 Nr. 4.5.2


Streitig war die Höhe der Gebühren für den Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft, der zurückgenommen wurde.

Das FA setzte für die Bearbeitung des Auskunftsersuchens gem. § 89 Abs. 3 bis 7 AO eine Gebühr in Höhe von 98.762 € fest. Bei der Berechnung ging das FA von einem Gegenstandswert in Höhe von 30 Mio. € (Höchstbetrag) aus, der grundsätzlich eine Gebühr in Höhe von 109.736 € zur Folge gehabt hätte. Wegen der Rücknahme des Antrags sei es aber sachgerecht, diese Gebühr gem. § 89 Abs. 7 Satz 2 AO und Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) zu § 89 Nr. 4.5.2 um 10 % auf 98.762 € zu ermäßigen. Die Minderung sei auf der Grundlage des bisherigen Bearbeitungsaufwands von ca. 156 Stunden (Arbeitszeiten des FA, des Landesamts für Steuern und des Ministeriums der Finanzen des Landes Rheinland-Pfalz) und des bis zur endgültigen Entscheidung über den Antrag noch ausstehenden Aufwands von schätzungsweise 10 bis 15 Stunden ermittelt worden.

Nach erfolglosem Einspruch gab das FG der eingelegten Klage statt und reduzierte die Gebühr auf 15.600 €. Dagegen hob der BFH die Entscheidung der Vorinstanz auf und wies die eingelegte Klage ab.

Nach § 89 Abs. 3 Satz 1 AO wird für die Bearbeitung eines Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft eine Gebühr erhoben. Die Gebühr wird gem. § 89 Abs. 4 Satz 1 AO primär nach dem Wert berechnet, den die verbindliche Auskunft für den Antragsteller hat (Gegenstandswert); hierfür verweist § 89 Abs. 5 AO auf eine entsprechende Anwendung von § 34 GKG. Sofern ein Gegenstandswert nicht bestimmbar ist und auch nicht durch Schätzung bestimmt werden kann, ist gem. § 89 Abs. 6 Satz 1 AO eine Zeitgebühr zu berechnen; sie beträgt 50 € je angefangene halbe Stunde Bearbeitungszeit.

§ 89 Abs. 7 Satz 1 AO bestimmt, dass auf die Gebühr ganz oder teilweise verzichtet werden "kann", wenn ihre Erhebung nach der Lage des Einzelfalls unbillig wäre. Nach § 89 Abs. 7 Satz 2 AO "kann" die Gebühr insbesondere ermäßigt werden, wenn ein Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft vor Bekanntgabe der Entscheidung der Finanzbehörde zurückgenommen wird.

§ 89 Abs. 7 Satz 1 und 2 AO sind Ermessensvorschriften i.S. des § 5 AO. Hinsichtlich des in § 89 Abs. 7 Satz 2 AO geregelten Ermessens, die Gebühr im Fall der Rücknahme eines Antrags zu ermäßigen, hat die Finanzverwaltung in AEAO zu § 89 Nr. 4.5.2 eine ermessenslenkende und für die nachgeordneten Behörden bindende Verwaltungsvorschrift erlassen.

Eine entsprechende Ermessensreduzierung auf Null folgt insbesondere nicht aus AEAO zu § 89 Nr. 4.5.2. Zwar handelt es sich hierbei um eine ermessenslenkende und für das FA bindende Verwaltungsvorschrift. Diese Vorschrift schreibt aber lediglich vor, den bis zur Rücknahme des Antrags angefallenen Bearbeitungsaufwand "angemessen" zu berücksichtigen und die Gebühr "anteilig" zu ermäßigen. Weitere Vorgaben zur konkreten Berechnung der Ermäßigung enthält sie nicht.

AEAO zu § 89 Nr. 4.5.2 kann keine generelle Begrenzung auf die Zeitgebühr entnommen werden. Vielmehr sind deren Vorgaben auch bei einer ‑‑vom FA zugrunde gelegten‑‑ proportionalen Reduzierung der Wertgebühr im Verhältnis des bisherigen zu dem noch ausstehenden Bearbeitungsaufwand erfüllt. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass das FG die Ermessensrichtlinie nicht selbst auslegen durfte, sondern darauf beschränkt war zu prüfen, ob die vom FA vorgenommene Auslegung möglich ist.

Im Übrigen bezieht sich die Ermäßigung nach § 89 Abs. 7 Satz 2 AO auf "die Gebühr" (ebenso AEAO zu § 89 Nr. 4.5.2). Damit kann als Ausgangspunkt nur diejenige Gebühr gemeint sein, die sich zuvor aus § 89 Abs. 4 bis 6 AO ergeben hat. Ein grundsätzlicher Wechsel von der Wert- zur Zeitgebühr (oder umgekehrt) ist dagegen nicht vorgesehen.

Im Streitfall hatte das FA für die Gebührenermäßigung nach § 89 Abs. 7 Satz 2 AO als Ausgangspunkt zutreffend auf die Wertgebühr nach § 89 Abs. 4 AO abgestellt; die Voraussetzungen für die Erhebung einer Zeitgebühr nach § 89 Abs. 6 AO waren nicht erfüllt.

Die vom FA vorgenommene Kürzung war nach dem Verhältnis des bisherigen zu dem noch ausstehenden Bearbeitungsaufwand mit den Vorgaben der ermessenslenkenden AEAO zu § 89 Nr. 4.5.2 und den Gebührenzwecken vereinbar. Da dem bisher beim FA, dem Landesamt für Steuern und dem Ministerium der Finanzen des Landes Rheinland-Pfalz angefallenen Bearbeitungsaufwand von 156 Stunden ein noch ausstehender Bearbeitungsaufwand von schätzungsweise 10 bis 15 Stunden gegenübersteht, führt dies im Streitfall zu der vom FA angenommenen Reduzierung der Wertgebühr um 10 %.

Das FA hatte durch seine Ermessensausübung auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das daraus abgeleitete Äquivalenzprinzip verstoßen, nach dem Gebühren in keinem Missverhältnis zu der von der öffentlichen Gewalt gebotenen Leistung stehen dürfen. Dass die auf 98.762 € ermäßigte Wertgebühr das 6,3-fache der reinen Zeitgebühr beträgt, reicht hierfür nicht aus.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 25.08.2022 14:41
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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