Otto Schmidt Verlag


FG München v. 19.5.2022, 15 K 2067/18

Umfang des Auskunftsrechts hinsichtlich personenbezogener Daten

Der Frage nach dem Umfang des Auskunftsrechts im Bereich der Steuerverwaltung ist nach der Einführung der DSGVO im Jahr 2018 grundsätzliche Bedeutung beizumessen. Darüber hinaus erscheint angesichts widerstreitender Entscheidungen der Finanzgerichte zum Anwendungsbereich der DSGVO im Bereich der direkten Steuern die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Der Sachverhalt:
Vor dem Hintergrund gegen ihn geführter steuerstrafrechtlicher Ermittlungen beantragte der Kläger, der sich zu dieser Zeit in Untersuchungshaft befand, im Mai 2018 vom Finanzamt Auskunft nach Art. 13 Abs. 1 bis 3 DSGVO über alle Daten, die bei ihm selbst erhoben wurden, sowie alle Informationen die sich aus der Anwendung des Art. 14 DSGVO ergeben. Das Finanzamt lehnte diese Auskunft ab und verwies auf § 32c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO i.V.m. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Abs. 2 AO.

Schon vorher war dem Kläger im Rahmen eines Verfahrens nach § 69 Abs. 3 FGO durch das FG München in den Räumen des FG Köln Akteneinsicht in die dort streitgegenständlichen Akten gewährt worden. Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Verurteilung des Finanzamtes zur beantragten Auskunft. Nachdem das Finanzamt die Vorlage der Steuerakten bei Gericht bzw. Einsicht in dieselben verweigert hatte, hat der Kläger klargestellt, dass primäres Klageziel die Auskunft nach der DSGVO sei. Zweites Ziel sei die Vorlage der Steuerakten bei Gericht mit dem Ziel der Einsichtnahme.

Das FG hat die Klage abgewiesen. Allerdings wurde die Revision zugelassen. Das Verfahren ist beim BFH unter dem Az.: II R 21/22 anhängig.

Die Gründe:
Das Finanzamt hat zu Recht den Antrag des Klägers auf Überlassung einer Kopie sämtlicher ihn betreffenden Steuerakten abgelehnt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats gewährt der Anspruch auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO kein Recht auf Überlassung von Kopien der Steuerakten. Der Anwendungsbereich der DSGVO ist nach Art. 2 Abs. 1 DSGVO begrenzt auf die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nicht automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. Akten und Aktensammlungen, die nicht nach besonderen Kriterien sortiert sind, sollen nicht unter deren Anwendungsbereich fallen.

Nur innerhalb ihres Anwendungsbereichs gewährt die DSGVO das Auskunftsrecht aus Art. 15 DSGVO. Die DSGVO selbst schränkt dieses Recht vielfältig ein und der deutsche Gesetzgeber hat in Ausübung der durch Art. 23 DSGVO den Mitgliedsstaaten eingeräumten Kompetenz, namentlich der Beschränkungskompetenz des Art. 23 Abs. 1 e) DSGVO, in den §§ 32a AO ff. vielfältige Beschränkungen des Auskunftsanspruchs im Bereich der Steuerverwaltung vorgenommen.

Der erkennende Senat hat in mehreren Entscheidungen für den Bereich der Steuerverwaltung herausgearbeitet, welche Daten in den Anwendungsbereich der DSGVO fallen (FG München, Urt. v. 4.11.2021 - 15 K 118/20; Gerichtsbescheid v. 3.2.2022 - 15 K 1212/19; Urt. v. 5.5.2022 - 15 K 193/20 u. 15 K 194/20). Danach fallen noch nicht „gehobene“ Einzelangaben in Steuerakten vor allem wegen ihrer fehlenden Strukturiertheit bzw. ihrer noch nicht erfolgten Kriterienbestimmung (noch) nicht in den Anwendungsbereich der DSGVO. Diese ungehobenen Daten könnten auch nicht mit einem vertretbaren Aufwand von den vielfältigen - nicht personenbezogene Daten des Betroffenen darstellenden - Daten, die sich in den in den Akten abgelegten Volltexten bzw. Schriftstücken befinden, abgegrenzt werden.

Dagegen unterliegen „gehobene“ Einzelangaben, die mit dieser Kriterienzuordnung zur zumindest teilautomatisierten Datenverarbeitung gekürt werden, der DSGVO. Sie unterliegen als strukturierte personenbezogene Daten grundsätzlich dem Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO, so dass eine Auskunft über diese nur - selektiv - unterbleiben kann, wenn eine der genannten Beschränkungen eingreift. Im Ergebnis unterliegen somit strukturierte Einzelangaben dem Auskunftsanspruch, die Volltexte, die ggf. die Quelle der noch nicht strukturierten/gehobenen Daten darstellen, jedoch grundsätzlich nicht. Insbesondere gewährleistet der Auskunftsanspruch somit keinen Anspruch auf Überlassung von Kopien der in der Steuerakte enthaltenen Schriftstücke.

Nach Maßgabe dieser Rechtsgrundsätze hat die Klage keinen Erfolg. Die Steuerakten unterfallen nicht dem Anwendungsbereich der DSGVO, so dass sich der Kläger für sein Begehren auf Akteneinsicht bzw. Überlassung von Kopien der Steuerakten nicht mit Erfolg auf Art. 15 DSGVO stützen kann. Allerdings ist der Frage nach dem Umfang des Auskunftsrechts im Bereich der Steuerverwaltung nach der Einführung der DSGVO im Jahr 2018 grundsätzliche Bedeutung beizumessen. Darüber hinaus erscheint angesichts widerstreitender Entscheidungen der Finanzgerichte zum Anwendungsbereich der DSGVO im Bereich der direkten Steuern die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 18.08.2022 13:14
Quelle: Bayern.Recht

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