Otto Schmidt Verlag


Aktuell im AO-StB

Influencer in der Steuerwelt aus dem Blickwinkel der Außenprüfung (Danielmeyer/Hartwig, AO-StB 2022, 261)

Die steuerliche Beratung gestaltet sich bei influencenden Personen regelmäßig aufgrund der komplexen Sachverhalte und der technisch anspruchsvollen Sachverhaltsermittlung als schwierig. Es besteht ein erhöhtes Steuerausfallrisiko, auf das die Finanzverwaltung vermutlich künftig mit in einer erhöhten Prüfungsdichte reagieren wird. Der Beitrag gibt Hinweise, was von digital agierenden Steuerpflichtigen zu beachten ist, wenn das Hobby zum Beruf wird.

I. Einführung
1. Motivation
2. Steuerausfallrisiko durch digitaluntaugliche Gesetze?
II. Digital agierende Steuerpflichtige
1. Vielfalt und Schnelllebigkeit
2. Erscheinungsformen – Tätigkeitsfelder
3. Dokumentation (digitaler) Handels- und Geschäftsbriefe
4. Digitale bzw. virtuelle „Marktplätze und Geschäftsräume“ und Plattformen
5. Typische Einnahmequellen
a) Überblick
b) Spenden/Trinkgelder
c) Sach- und Dienstleistungszuwendungen
d) Affiliate Marketing
e) „Quasi“ Affiliate/Creator Codes
f) Einnahmen aus virtuellen Währungen in virtuellen Welten
III. Beginn der unternehmerischen Tätigkeit und steuerrechtlichen Pflichten
1. Beispiel
2. Telemediengesetz
IV. „Sachverhaltsermittlung“ durch Steuerpflichtige und Angehörige der steuerberatenden Berufe
1. Dokumentation der Tätigkeiten und der Einnahmequellen
2. Allgemein zugängliche Recherche- und Analysetools
V. Fazit


I. Einführung

1. Motivation

Die Werbeindustrie hat in den letzten Jahren die Branche der influencenden Personen für sich entdeckt. Mit der Werbung auf Social Media lassen sich Milliarden umsetzen. Werbegelder werden heutzutage zu einem überwiegenden Teil in digital agierende Unternehmen und Personen investiert und der zu bewerbende Inhalt erreicht so ein Millionenpublikum. So werden bspw. in einem Zeitraum von 60 Sekunden auf Youtube ca. 3 Mio. Videos angeklickt, auf Instagram ca. 3 Mio. Likes verteilt, auf Facebook ca. 140.000 Bilder hochgeladen oder auf LinkedIn ca. 22.000 Profile gesichtet. Das Marktvolumen für Influencer wird hierbei innerhalb von Deutschland, Österreich und der Schweiz für das Jahr 2020 auf 990 Mio. Euro prognostiziert. Im Vergleich zur analogen Welt mit Werbung an Litfaßsäulen oder im Kino vor dem Hauptfilm, bei der die Inhalte nur in einem begrenzten Rahmen, nämlich den anwesenden Personen vor Ort, einen Kaufanreiz geben, lässt sich die Schaltung von Werbung über die bekannten Social Media Kanäle genauestens auf die entsprechende Zielgruppe (Alter, Geschlecht, Wohnort, Hobbys, etc.) steuern.

Abb.: Anteile der Werbeträger am Gesamtnettoumsatz von ca. 23 Mrd. € in Deutschland im Jahr 2020.

Bei Influencern wird oft aus dem Hobby ein Fulltimejob. Selten stehen dann die steuerlichen Pflichten oder die Dokumentation (digitaler) Geschäftsvorfälle im Fokus. Damit einhergehen – oft aus Unkenntnis – im Fall einer Betriebsprüfung hohe Steuernachzahlungen. Zwar gibt es zur steuerlichen Würdigung von Sachverhalten zahlreiche Publikationen, jedoch zeigt sich in der Praxis häufig, dass die wahren Probleme in der tatsächlichen Sachverhaltsdarstellung bzw. -ermittlung, der mangelnden analogen und digitalen Dokumentation und der Vielseitigkeit der Tätigkeiten liegen. Dabei sind die steuerrechtlichen Problematiken im Bereich der Influencer keineswegs neu. Fragen beispielsweise zur Liebhaberei, dem Beginn der gewerblichen, bzw. unternehmerischen Tätigkeit, der wertmäßig korrekten Erfassung bei der Entgegennahme von Vergünstigungen, Waren oder Dienstleistungen sowie umsatzsteuerrechtliche Problematiken bei Auslandsbeziehungen können allerdings nur dann beantwortet werden, wenn es gelingt, das aus der analogen Welt Bekannte auf die digitale Wirklichkeit gedanklich zu übertragen.

Da die innovativen Geschäftsvorfälle nicht in altbekannter bzw. herkömmlicher Weise anfallen und aufgezeichnet werden, sondern vielfach mit dem Smartphone Handels- und Geschäftsbriefe in Form von Direktnachrichten ausgetauscht, steuerlich relevante Postings in Videoform oder Umsätze in Form von Verlinkungen generiert werden, betreten sowohl die Seite der Steuerberatung aber auch die Seite der Finanzverwaltung oftmals Neuland. Aufgrund der komplexen Sachverhalte und der anspruchsvollen Sachverhaltsermittlung besteht ein erhöhtes Steuerausfallrisiko. Der Verwaltung ist dieses neue Geschäftsfeld nicht unbekannt. So wurde beispielsweise seitens des BMF ein FAQ „Ich bin Influencer. Muss ich Steuern zahlen?“ veröffentlicht. Allerdings kritisiert der Bundesrechnungshof, dass seitens der Finanzverwaltung effektive Kontrollmechanismen bei Social-Media-Akteuren fehlen.

Beachten Sie: Die Reaktion der Finanzverwaltung könnte sich hier in einer erhöhten Prüfungsdichte bemerkbar machen.

2. Steuerausfallrisiko durch digitaluntaugliche Gesetze?
In einer Kleinen Anfrage an den Bundestag aus dem Jahr 2020 zur Besteuerung von Social-Media-Akteuren wurden u.a. Fragen dazu gestellt, ob die derzeit geltende Gesetzeslage der Einkommensteuer‑, Umsatzsteuer- und Gewerbesteuergesetze ausreichen, um die Besteuerungsgrundlagen bei Influencern hinreichend ermitteln zu können. Die Bundesregierung antwortete hierauf, dass die abstrakt- und allgemeingültigen Besteuerungstatbestände unabhängig vom Berufsbild und der ausgeübten Tätigkeit des Steuerpflichtigen auch auf Social-Media Akteure Anwendung finden. Auch seien die „bestehenden rechtlichen Möglichkeiten zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen aus Sicht der Bundesregierung ausreichend“.

Aus Sicht der Autoren ist hier die Anwendung der Besteuerungstatbestände der genannten Gesetze von den rechtlichen Möglichkeiten für deren Ermittlung zu unterscheiden.

Anwendung der Besteuerungstatbestände: Die Definition von Besteuerungstatbeständen im Einkommensteuer‑, Umsatzsteuer- sowie Gewerbesteuergesetz lässt sich zweifelsfrei auf alle Formen der Berufsausübung übertragen. Für die Beurteilung, ob eine Liebhaberei im steuerrechtlichen Sinne vorliegt, ist es rechtlich völlig unerheblich, ob ein Hobby analog oder digital ausgelebt wird. Auch die Frage, wann eine Leistung i.S.d. UStG vorliegt, lässt sich unabhängig davon klären, ob jemand als Influencer oder Bäcker tätig ist.

Rechtlichen Möglichkeiten für deren Ermittlung: Problematisch wird es in der Besteuerungspraxis sowohl für die Angehörigen der steuerberatenden Berufe, als auch für die Steuerverwaltung, bei der Ermittlung dieser Tatbestände und den Besteuerungsgrundlagen, da man sich hierbei zwangsläufig nicht mehr mit einem wohl bekannten Berufsbild, sondern mit...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 26.08.2022 11:51
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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