Otto Schmidt Verlag


Verlust der Steuervergünstigung aus § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG bei Anteilsübertragung auf eine Kapitalgesellschaft

Die allgemeine Steuervergünstigung des § 3 Nr. 4 GrEStG für Grundstückserwerbe durch den Ehegatten findet im Rahmen des § 6 GrEStG entsprechende Anwendung. Überträgt ein Gesamthänder einen Anteil am Vermögen der erwerbenden Gesamthand auf eine Kapitalgesellschaft, liegt darin eine Verminderung des Anteils i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG. Bei einer doppelstöckigen Gesamthandsgemeinschaft tritt eine Verminderung der Beteiligung des Gesamthänders am Vermögen der erwerbenden Gesamthand i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG auch dann ein, wenn die Anteile der an der erwerbenden Gesamthand beteiligten anderen Gesamthand rechtsgeschäftlich oder durch Umwandlung auf eine Kapitalgesellschaft übertragen werden.

BFH v. 17.12.2014 - II R 24/13

Durch Verschmelzungsvertrag wurde die grundbesitzende R GmbH & Co. KG (R KG) im Jahr 2004 auf die Klägerin, die K-GmbH & Co. KG (K-KG), als übernehmende Rechtsträgerin verschmolzen. Zu diesem Zeitpunkt war die A KG an der K-KG als Komplementärin mit 99,66 % und an der R KG als Komplementärin mit 99,11 % beteiligt. Die restlichen Kommanditanteile an der K-KG und an der R KG hielt M, dem Ehemann von F. Nach der Verschmelzung betrug der Kapitalanteil der A KG an der K-KG 99,39 % und der Kapitalanteil des Kommanditisten M 0,61 %. An der A KG waren bei Abschluss des Verschmelzungsvertrags als Kommanditisten die F mit 99,34 % und die J KG, an der wiederum M mittelbar beteiligt war, mit 0,66 % beteiligt. Zum 31.12.2005 schieden M als Kommanditist der K-KG und ferner die J KG als Kommanditistin der A KG aus, so dass nunmehr die A KG alleinige Kommanditistin der K-KG und F alleinige Kommanditistin der A KG war. Im Jahr 2006 gründete F als alleinige Gesellschafterin die B GmbH. Auf diese übertrug sie zum 1.7.2006 90 % ihres Kommanditanteils an der A KG. Das FA bejahte zwar die Befreiung von der GrESt gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 GrEStG; diese sei jedoch aufgrund des von F auf die B GmbH übertragenen Kommanditanteils von 90 % an der A KG gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG entfallen. Dementsprechend stellte das FA gegenüber der K-KG die Besteuerungsgrundlagen für die GrESt dahingehend gesondert fest, dass der aufgrund der Verschmelzung eingetretene Rechtsträgerwechsel der Grundstücke der R KG lediglich in Höhe von 10 % von der GrESt befreit sei. Das FG änderte den Bescheid über die gesonderte Feststellung dahingehend, dass die GrESt- Begünstigung unter Berücksichtigung der Beteiligungen des Z bzw. der J KG nur in Höhe von 88,4559 % entfallen ist. Im Übrigen wies das FG die Klage als unbegründet ab. Der BFH wies die Revision der K-KG als unbegründet zurück.

Rechtsträgerwechsel bei Verschmelzung: Bei einer Verschmelzung durch Aufnahme sind nach st. Rspr. des BFH die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG erfüllt, wenn zum Vermögen des übertragenden Rechtsträgers ein inländisches Grundstück gehört und das Eigentum an diesem Grundstück nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG kraft Gesetzes auf den übernehmenden Rechtsträger übergeht. Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der Grundstücke der R KG aufgrund deren Verschmelzung auf die K-KG erfüllt.

Nichterhebung der GrESt bei Übertragungen zwischen Gesamthandgemeinschaften: Im Zeitpunkt der Steuerentstehung (Eintragung im Handelsregister) war für diesen Grundstückserwerb der K-KG zunächst gemäß § 3 Nr. 4 GrEStG und § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG insgesamt keine GrESt zu erheben. Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG wird die Steuer nicht erhoben, soweit Anteile der Gesellschaft am Vermögen der erwerbenden Gesamthand den jeweiligen Anteilen dieser Gesellschafter am Vermögen der übertragenden Gesamthand entsprechen. Bei doppelstöckigen Gesamthandsgemeinschaften, bei denen eine Gesamthand unmittelbar an einer anderen beteiligt ist, ist nicht die Gesamthand als solche als Zurechnungsobjekt anzusehen, sondern ein Rückgriff auf die am Vermögen der Gesamthand Beteiligten geboten. Soweit sich daher die Beteiligung der F am Vermögen der R KG nach Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister am Vermögen der K-KG fortgesetzt hat, waren die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG erfüllt. Soweit sich aufgrund des im Verschmelzungsvertrag bestimmten Kapitalanteils der A KG an der K-KG die vermögensmäßige Beteiligung der F an der K-KG erhöht hat, war für diesen Mehrerwerb gemäß § 3 Nr. 4 GrEStG und § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG ebenfalls keine Steuer zu erheben. Der im Verschmelzungsvertrag bestimmte Kapitalanteil der A KG an der K-KG von nunmehr 99,39 % hat, verglichen mit dem Kapitalanteil der A KG an der R KG vor der Verschmelzung in Höhe von 99,11 %, zu einer Erhöhung der vermögensmäßigen Beteiligung der F an der K-KG um 0,2782 % geführt. Dieser Mehrerwerb der F zu Lasten der vermögensmäßigen Beteiligung des M an der A KG ist gemäß § 3 Nr. 4 GrEStG und § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG deshalb begünstigt, weil F und M im Zeitpunkt des verschmelzungsbedingten Mehrerwerbs Ehegatten waren. Die allgemeine Steuervergünstigung des § 3 Nr. 4 GrEStG für Grundstückserwerbe durch den Ehegatten findet im Rahmen des § 6 GrEStG entsprechende Anwendung.

Wegfall der Befreiung durch Anteilsübertragung auf Kapitalgesellschaft: Die Voraussetzungen für die Nichterhebung der Steuer gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG sind dadurch rückwirkend i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO entfallen, dass F ihre Kommanditbeteiligung i.H.v. 90 % in 2006 an der A KG auf die B GmbH übertragen hat. Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG ist § 6 Abs. 1 GrEStG insoweit nicht entsprechend anzuwenden, als sich der Anteil des Gesamthänders am Vermögen der erwerbenden Gesamthand innerhalb von fünf Jahren nach dem Übergang des Grundstücks von der einen auf die andere Gesamthand vermindert. Kommt es innerhalb dieses Zeitraums zu einer Verminderung des Anteils des Gesamthänders am Vermögen der erwerbenden Gesamthand, so ist danach die GrESt für den ursprünglichen Erwerbsvorgang abweichend von § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG zu erheben.

Zweck der Steuerbefreiung: Nach der Zielsetzung des § 6 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 GrEStG soll der Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand nur in dem Umfang begünstigt sein, in dem sich die Beteiligung der Gesellschafter am Vermögen der übertragenden Gesamthand am Vermögen der erwerbenden Gesamthand fortsetzt. Damit knüpft § 6 GrEStG an die für die Gesamthand kennzeichnende unmittelbare dingliche Mitberechtigung der Gesamthänder am Gesellschaftsvermögen an. Diese dingliche Mitberechtigung geht durch den Übergang eines Anteils an einer Gesamthand auf eine Kapitalgesellschaft verloren. Demgemäß liegen die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG dann vor, wenn die erwerbende Gesamthand innerhalb von fünf Jahren nach dem Grundstücksübergang in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt wird.

Anteilsverminderung bei doppelstöckiger Gesamthandsgemeinschaft: Bei einer doppelstöckigen Gesamthandsgemeinschaft tritt eine Verminderung der Beteiligung des Gesamthänders am Vermögen der erwerbenden Gesamthand i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG auch dann ein, wenn die Anteile der an der erwerbenden Gesamthand beteiligten anderen Gesamthand durch Umwandlung oder   wie hier   rechtsgeschäftlich auf eine Kapitalgesellschaft übertragen werden. Im Umfang dieses Anteilsübergangs auf eine Kapitalgesellschaft entfällt die für die Nichterhebung der Steuer nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG entscheidende unmittelbare dingliche Berechtigung der an der umgewandelten Gesamthand vormalig beteiligten weiteren Gesamthand. Für die Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG ist es dabei unerheblich, dass F als Alleingesellschafterin der B GmbH auch im Umfang der von ihr in die B GmbH eingebrachten Anteile der A KG wirtschaftlich am Gesamthandsvermögen der A KG und der K-KG beteiligt blieb. Eine solche wirtschaftliche Beteiligung genügt den Anforderungen des § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG nicht, weil der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft nicht dinglich an einem zum Vermögen der Personengesellschaft gehörenden Grundstück mitberechtigt ist. Die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft ist auch keine Fortführung einer bisher bestehenden gesamthänderischen Mitberechtigung am Grundstück.

Beraterhinweis: Der BFH bestätigt entspr. der gesetzlichen Regelung in § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG seine bisherige Rspr., wonach die GrESt-Befreiung rückwirkend entfällt, wenn der Anteil an einer grundbesitzenden Gesamthandsgemeinschaft innerhalb von fünf Jahren auf eine Kapitalgesellschaft übergeht. Bei einer doppelstöckigen Gesamthandsgemeinschaft tritt eine Verminderung der Beteiligung des Gesamthänders am Vermögen der erwerbenden Gesamthand i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG auch dann ein, wenn die Anteile der an der erwerbenden Gesamthand beteiligten anderen Gesamthand durch Umwandlung oder rechtsgeschäftlich auf eine Kapitalgesellschaft übertragen werden.

RD a.D., Michael Marfels, Nordkirchen

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 25.03.2015 17:52

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