Otto Schmidt Verlag


Bagatellgrenze für die Nichtanwendung der Abfärberegelung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG

Eine Rechtsanwalts-GbR ist gewerblich tätig, soweit sie einem angestellten Rechtsanwalt die eigenverantwortliche Durchführung von Insolvenzverfahren überträgt. Ihre Einkünfte werden dadurch nicht insgesamt nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG zu solchen aus Gewerbebetrieb umqualifiziert, wenn die Nettoumsatzerlöse aus dieser auf den Angestellten übertragenen Tätigkeit 3 v.H. der Gesamtnettoumsatzerlöse der Gesellschaft und den Betrag von 24.500 € im Veranlagungszeitraum nicht übersteigen. Gleiches gilt für eine in der Rechtsform einer GbR auftretende freiberufliche Gesangsgruppe, die auch den Verkauf von Merchandising-Artikeln betreibt. Dagegen führt die (gewerbliche) Vermittlung von Druckaufträgen gegen Provision durch eine Werbeagentur in der Rechtsform einer GbR zur Umqualifizierung ihrer im Übrigen ausgeübten freiberuflichen Tätigkeit, wenn die Nettoumsatzerlöse aus den Provisionen 3 v.H. der Gesamtnettoumsatzerlöse der Gesellschaft oder den Betrag von 24.500 € übersteigen.

BFH v. 27.8.2014 – VIII R 6/12; VIII R 16/11; VIII R 41/11

Den drei Urteilen lagen jeweils Sachverhalte zugrunde, in denen freiberuflich tätige GbR auch gewerbliche Tätigkeiten ausübten.

Im ersten Urteilsfall (VIII R 6/12) ist die Klägerin (K 1) eine aus sieben Rechtsanwälten bestehende GbR, die auch auf dem Gebiet der Insolvenzverwaltung tätig ist. Einer der Gesellschafter, Rechtsanwalt X (X) wurde in den Streitjahren 2003 und 2004 regelmäßig zum (vorläufigen) Insolvenzverwalter  oder Treuhänder in Verbraucherinsolvenzverfahren bestellt. Darüber hinaus nahm er Prozesstermine in Mandatsangelegenheiten wahr. Außerdem wurde der angestellte RA Y regelmäßig zum Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder bestellt. Die aus der Tätigkeit des Rechtsanwalts Y als Insolvenzverwalter und Treuhänder erzielten Einnahmen der Klägerin beliefen sich auf 15.400 € im Jahr 2003 und 21.100 € im Jahr 2004. Die GbR erzielte in 2003 einen Gewinn von 528.400 € und in 2004 einen solchen von 410.500 €. Das FA bejahte unter Anwendung der Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG insgesamt gewerbliche Einkünfte und erließ entspr. Gewinnfeststellungs- und GewSt-Meßbetragsbescheide. Die Klage war erfolgreich.

Im zweiten Fall (VIII R 16/11) war die Klägerin (K 2) als GbR eine künstlerisch auftretende Gesangsgruppe, die überwiegend im Rahmen des Karnevals bei Konzerten und (Karnevals )Veranstaltungen auftritt. In den Erlösen von 221.000 € waren solche von 5.000 € enthalten, die auf Verkäufe von Merchandising-Artikeln (T-Shirts, Aufkleber, Kalender und CDs) entfielen. Die Klage gegen die Erfassung des gesamten Gewinns als Einkünfte aus Gewerbebetrieb im GewSt-Messbescheid war ebenfalls erfolgreich.

Im dritten Fall (VIII R 41/11) betrieb die Klägerin (K 3) als GbR eine freiberufliche Werbeagentur mit einer Tätigkeit auf dem Gebiet des Webdesigns. Sie erklärte für 2007 Erlöse von 254.000 € und für 2008 solche 168.000 €. Hierin waren Einnahmen aus Provisionszahlungen mehrerer Druckereien für die Vermittlung von Druckaufträgen in Höhe von 10.840 € (2007) und 8.200 € (2008) enthalten. Auch hier bejahte das FA insgesamt gewerbliche Einkünfte und erließ entspr. GewSt-Messbetragsbescheide. Die Klage hiergegen war erfolgreich.

Der BFH wies die Revisionen des FA gegen die klagestattgebenden Urteile zurück [VIII R 6/12 (erster Fall) und VIII R 16/11 (zweiter Fall)] zurück, während es der Revision des FA gegen das dritte Urteil VIII R 41/11 stattgab und die Klage abwies.

Freiberufliche Tätigkeit einer Personengesellschaft: Nach ständiger Rspr. des BFH entfaltet eine Personengesellschaft (PersG) nur dann eine Tätigkeit, die die Ausübung eines freien Berufs i.S.v. § 18 EStG darstellt, wenn sämtliche Gesellschafter die Merkmale eines freien Berufs erfüllen, denn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Freiberuflichkeit können nicht von der Personengesellschaft selbst, sondern nur von natürlichen Personen erfüllt werden. Das Handeln der Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit und damit das Handeln der Gesellschaft darf kein Element einer nicht freiberuflichen Tätigkeit enthalten. Es ist unschädlich, wenn die PersG (hier K 1) durch ihre Gesellschafter neben ihrer freiberuflichen Tätigkeit auch eine sonstige selbständige Arbeit i.S.v. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG ausübt (sog. interprofessionelle Mitunternehmerschaft), solange die Gesellschafter auch hinsichtlich dieser Tätigkeit die oben dargestellten Anforderungen erfüllen.

Freiberuflichkeit bei fachlich qualifizierten Mitarbeitern: Bedienen sich die Gesellschafter bei der Ausübung ihrer freiberuflichen oder sonstigen selbständigen Arbeit der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte, dann müssen die Gesellschafter dennoch auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig sein (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Dies setzt allerdings nicht voraus, dass jeder Gesellschafter in allen Unternehmensbereichen leitend tätig ist und an jedem Auftrag mitarbeitet. "Teamarbeit" oder Mitarbeit ist grds. ausreichend, aber auch in dem Sinne erforderlich, dass sich jeder Gesellschafter kraft seiner persönlichen Berufsqualifikation an der "Teamarbeit" beteiligt. Die Gesellschafter müssen an der Bearbeitung der erteilten Aufträge zumindest in der Weise mitwirken, dass die Berufsträger die mit einem übernommenen Auftrag verbundenen Aufgaben untereinander aufteilen und jeder den ihm zugewiesenen Aufgabenbereich aufgrund seiner Sachkenntnis eigenverantwortlich leitet.

Freiberuflichkeit der K 1 (Anwalts-GbR): Hiernach ist das FG zutreffend davon ausgegangen, dass die K 1, deren sieben Mitunternehmer-Gesellschafter Rechtsanwälte sind und auch als solche tätig waren, insoweit eine freiberufliche Tätigkeit i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausgeübt hat. Soweit der X darüber hinaus als (vorläufiger) Insolvenzverwalter und Treuhänder tätig war, erzielte K 1 Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit i.S.v. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG, da die Tätigkeit eines Insolvenz-, Zwangs- und Vergleichsverwalters ist – auch wenn  durch Rechtsanwälte – nach der Rspr. des BFH eine vermögensverwaltende Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG ist. Dies gilt auch für die Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter und als Treuhänder im Verbraucherinsolvenzverfahren. Beide Aufgaben stellen jedoch – ebenso wie die Tätigkeit eines Insolvenzverwalters – keine für den Katalogberuf des Rechtsanwalts i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG berufstypische Tätigkeit dar. Denn ebenso wie zum Insolvenzverwalter kann auch zum vorläufigen Insolvenzverwalter und zum Treuhänder nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InsO eine geeignete, geschäftskundige und von den Beteiligten unabhängige natürliche Person bestellt werden.

Freiberuflichkeit der K 2: Diese erzielt mit den Gesangsauftritten ihrer Gesellschafter Einkünfte aus freiberuflicher, künstlerischer Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Auch bei dieser müssen alle Gesellschafter jeweils künstlerisch tätig sein. Da es keinen allgemeinen Kunstbegriff gibt und im Gegensatz zu den sog. Katalogberufen hierfür auch keine bestimmte fachliche Qualifikation erforderlich ist, liegt nach ständiger Rspr. eine künstlerische Tätigkeit dann vor, wenn der Schaffende eigenschöpferisch tätig wird, d.h. Leistungen vollbringt, in denen sich eine individuelle Anschauungsweise und eine besondere Gestaltungskraft widerspiegeln, und wenn diese Leistungen eine gewisse Gestaltungshöhe erreichen. Auch die Darbietung von Tanz- und Unterhaltungsmusik ist grundsätzlich unter den Begriff der Kunst nach diesen Maßstäben einzuordnen. Da alle Gesellschafter der K 2 gemeinsam als Sänger tätig sind und als Gruppe unter dem Bandnamen "X" vor allem im Rahmen des Karnevals auftreten, erfüllen die Gesangsdarbietungen der Gesellschafter danach den Tatbestand der künstlerischen Tätigkeit.

Fragliche Freiberuflichkeit der K 3: Bei dieser lässt es der BFH offen, ob der Betrieb einer "Werbeagentur" mit einer "Tätigkeit auf dem Gebiet des Webdesigns" freiberuflich, ggf. künstlerisch ist, da es wegen der gleichzeitigen gewerblichen Tätigkeit hierauf nicht ankommt.

Gewerbliche Einkünfte der K 1: Bei ihr entfielen die Vergütungen aus den von dem angestellten Rechtsanwalt Y als Insolvenzverwalter und Treuhänder geführten Verfahren nicht auf eine leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit der Mitunternehmer der K 1. Die auch für den Bereich des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zulässige Mitarbeit fachlich Vorgebildeter setzt voraus, dass der Berufsträger trotz solcher Mitarbeiter auch in diesem Bereich seinen Beruf leitend und eigenverantwortlich i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ausübt. Diesem Erfordernis entspricht eine Berufsausübung nur, wenn sie durch Planung, Überwachung und Kompetenz zur Entscheidung in Zweifelsfällen gekennzeichnet und die Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit in ausreichendem Maße gewährleistet ist. Nur unter diesen Voraussetzungen trägt die Arbeitsleistung – selbst wenn der Berufsträger ausnahmsweise in einzelnen Routine-fällen nicht mitarbeitet – den erforderlichen "Stempel der Persönlichkeit" des Stpfl. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist vom FG unter Würdigung der jeweils tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls und der Besonderheiten des jeweiligen Berufs festzustellen. Nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des FG ist der angestellte Rechtsanwalt Y selbst insoweit leitend und eigenverantwortlich tätig gewesen, wie er selbst vom jeweiligen Insolvenzgericht zum (vorläufigen) Insolvenzverwalter oder Treuhänder bestellt worden sei, da er den ihm nach der InsO obliegenden Kernaufgaben höchstpersönlich nachgekommen sei. Insoweit sind die Gesellschafter der K 1 im Rahmen der Insolvenzverwaltung nicht eigenverantwortlich tätig geworden, als sie sich des Rechtsanwalts Y als qualifiziertem Mitarbeiter bedient haben, der selbst als (vorläufiger) Insolvenzverwalter und Treuhänder bestellt worden war und als solcher eigenverantwortlich und ohne Einwirkung der Gesellschafter der K 1 tätig geworden ist. Dies gilt trotz des sich aus dem Arbeitsvertrag folgenden Weisungsrecht des Arbeitgebers und die damit verbundene Eingliederung in dessen betriebliche Strukturen: Dies führt für sich allein nicht dazu, dass von einer leitenden und eigenverantwortlichen Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG des jeweiligen Berufsträgers in Bezug auf die von dem Arbeitnehmer verrichteten Tätigkeiten ausgegangen werden kann. Andernfalls liefe dieses Merkmal weitestgehend leer.

Gewerbliche Einkünfte der K 2 und K 3: Bei dem Verkauf der Merchandise-Artikel durch K 2 und der entgeltlichen Vermittlung von Druckaufträgen durch K 3 auch eine originär gewerbliche Tätigkeit i.S.v. § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG ausgeübt handelt es sich jeweils um eine originär gewerbliche Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG.

Abfärberegelung und deren Einschränkung durch Bagatellgrenze: Im Unterschied zur sog. gemischten Tätigkeit eines Einzelunternehmers, bei dem gleichzeitig verrichtete gewerbliche und freiberufliche Betätigungen selbst bei sachlichen und wirtschaftlichen Berührungspunkten i.d.R. getrennt zu beurteilen sind, fingiert die Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG für gemischt tätige PersG sämtliche Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb, wenn die PersG neben nicht gewerblichen Tätigkeiten gleichzeitig eine gewerbliche Tätigkeit ausübt. Unerheblich ist dabei nach dem Wortlaut der Norm, ob der gewerblichen Tätigkeit im Rahmen des gesamten Unternehmens nur geringfügige wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Das BVerfG hat die Verfassungsmäßigkeit dieser Abfärberegelung gerade im Hinblick auf diese Ungleichbehandlung zwischen Einzelunternehmen und PersG und die erheblichen steuerrechtlichen Folgen  die grundsätzlich unabhängig von der Höhe der gewerblichen Einkünfte und des Verhältnisses zum Gesamtgewinn eintreten  grundsätzlich bestätigt (BverfG v. 15. 1. 2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1). Die mit der Typisierung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG verbundenen Nachteile stehen danach in einem vertretbaren Verhältnis zu den mit der Regelung verfolgten Zielen, die Ermittlung der Einkünfte auch gewerblich tätiger PersG durch Fiktion nur einer Einkunftsart zu vereinfachen und das GewSt-Aufkommen zu schützen. Dabei ist das BVerfG allerdings davon ausgegangen, dass die gewerbesteuerliche Belastung auf ein zumutbares Maß gemildert wird durch die Möglichkeit, mit Hilfe gesellschaftsrechtlicher Gestaltungen der Abfärberegelung auszuweichen (sog. Ausgliederungsmodell), durch die Anrechnung der GewSt auf die ESt nach § 35 EStG und schließlich durch die restriktive Rspr. des BFH zu § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, u.a. durch den Ausschluss einer die Einkunftsart insgesamt fingierenden Wirkung einer originär gewerblichen Tätigkeit von äußerst geringem Ausmaß (BFH v. 30.8.2001 – IV R 43/00, BStBl. II 2002, 152).

Voraussetzung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG: Diese Norm ist zunächst nur anwendbar, wenn die Gesellschaft sowohl gewerbliche als auch von diesen zu trennende nicht gewerbliche Einkünfte erzielt, d.h. dass die unterschiedlichen Tätigkeiten nicht derart miteinander verflochten sind, dass sie sich gegenseitig unlösbar bedingen. Ist die Tätigkeit der Gesellschaft hingegen wegen untrennbarer Verflechtung der Tätigkeiten einheitlich als originär gewerblich zu qualifizieren, ergibt sich die GewSt-Pflicht unmittelbar aus § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG, § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Liegt hingegen eine einheitliche freiberufliche Tätigkeit vor, entfällt die Anwendung von § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG.

Trennbarkeit der Tätigkeiten in den Streitfällen: Ausgehend von diesen Grundsätzen führt der Bereich, in dem die Gesellschafter der K 1 (RA-GbR) nicht mehr leitend und eigenverantwortlich tätig sind, zu gewerblichen Einkünften i.S.v. § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG, die jedoch getrennt von der selbständigen Tätigkeit der Klägerin zu betrachten sind. Diese Trennung der beiden Tätigkeiten ist im Streitfall möglich, da die Mitunternehmer der K 1 nur im Hinblick auf die von Y ausgeübte Tätigkeit als Insolvenzverwalter und Treuhänder nicht leitend und eigenverantwortlich tätig gewesen sind und die darauf entfallenden Umsätze auch von den Umsätzen aus selbständiger Arbeit getrennt ermittelt werden konnten. Hinsichtlich der übrigen Tätigkeiten erfüllen alle Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit, sowohl ihrer persönlichen Qualifikation nach als auch mit der von ihnen und den anderen Arbeitnehmern ausgeübten Tätigkeit, die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 EStG.

Gleiches gilt für den Verkauf von Mechandise-Artikeln durch die K 2, der getrennt von ihrer freiberuflichen Tätigkeit zu betrachten ist. Denn deren Auftritte können auch ohne den Verkauf der Waren stattfinden; sie schuldet auch keinen einheitlichen Erfolg in Form von Auftritt und Verkauf.

Gleiches gilt für die Vermittlung der Druckaufträge durch K 3, da eine derartige Verflechtung, dass sich die Vermittlung und die kreative Tätigkeit unlösbar bedingen, liegt nicht vor. So könnten die Werbeaufträge auch ohne die Vermittlung an Druckereien stattfinden und es wird auch kein einheitlicher Erfolg in Form von Erstellung des Produkts und Vermittlung an eine Druckerei geschuldet. Dafür spricht bereits, dass die Vermittlungsprovision von der Druckerei selbst und nicht von den Kunden der K 3 gezahlt wird. Es wird vielmehr eine weitere, gesondert vergütete Leistung von der Klägerin an die Druckerei erbracht.

Bestimmung der prozentualen Bagatellgrenze: Aufgrund der dargestellten Rspr. des BVerfG, das die Verhältnismäßigkeit der Abfärberegelung u.a. auf der Grundlage der restriktiven Auslegung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG durch den BFH bejaht hat, hält der Senat an der Rspr. fest, dass einer originär gewerblichen Tätigkeit einer ansonsten Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielenden PersG dann keine die übrige Tätigkeit der Gesellschaft umqualifizierende Wirkung zukommt, wenn es sich um eine gewerbliche Tätigkeit von äußerst geringem Ausmaß handelt (z.B. BFH in BStBl. II 2000, 229; in BStBl. II 2002, 221). Eine Tätigkeit von äußerst geringem Ausmaß, die nicht dazu führt, dass die gesamte Tätigkeit der PersG einheitlich als gewerblich fingiert wird, liegt dann vor, wenn die originär gewerblichen Nettoumsatzerlöse 3 v.H. der Gesamtnettoumsatzerlöse der Gesellschaft im Veranlagungszeitraum nicht übersteigen. Ob es sich bei der gewerblichen Tätigkeit um eine derartige äußerst geringfügige Tätigkeit handelt, kann nur anhand eines Vergleichs beider Tätigkeiten festgestellt werden. Als geeigneter Vergleichsmaßstab ist das Verhältnis der Nettoumsätze der gewerblichen Tätigkeit zu den Gesamtnettoumsätzen der Gesellschaft aus selbständiger Arbeit und gewerblicher Tätigkeit heranzuziehen. Die erwirtschafteten Umsätze erlauben bei typisierender Betrachtung Rückschlüsse auf den auf die verschiedenen Tätigkeiten entfallenden zeitlichen und finanziellen Aufwand der Gesellschaft und damit darauf, ob der gewerblichen Tätigkeit eine völlig untergeordnete Bedeutung zukommt. Hinsichtlich der Höhe des Anteils der gewerblichen Umsätze folgt der Senat nicht der Auffassung des FA, wonach lediglich ein Anteil von 1,25 v.H. als äußerst geringfügig anzusehen ist. Zwar hat der BFH bereits entschieden, dass jedenfalls bei einem Anteil der gewerblichen Umsatzerlöse in Höhe von 1,25 v.H. der Gesamtumsatzerlöse eine gewerbliche Tätigkeit von äußerst geringem Umfang vorliege (BFH in BStBl. II 2000, 229 und in BStBl. II 2011, 506). Eine Entscheidung, dass höhere gewerbliche Umsätze immer zum Eintritt der Abfärbewirkung führen, war damit jedoch nicht getroffen. So hat der BFH bereits darauf hingewiesen (BFH in BStBl. II 2000, 229), dass erst bei gewerblichen Umsätzen i.H.v. 6 v.H. ein äußerst geringer Umfang nicht mehr vorliegen dürfte. In einem späteren summarischen Verfahren wurde zumindest ein Umsatzanteil in Höhe von 2,81 v.H. noch als äußerst geringfügig angesehen (BFH in BFH/NV 2004, 954).

Der erkennende Senat hält auf dieser Grundlage einen gewerblichen Umsatzanteil von 3 v.H. typisierend noch für von so untergeordneter Bedeutung, dass eine Umqualifizierung der gesamten Einkünfte unverhältnismäßig wäre. Dabei sind die Nettoumsätze zugrunde zu legen, um das Verhältnis der Umsätze bei unterschiedlichen Umsatzsteuersätzen nicht zu verfälschen.

Bestimmung der absoluten Bagatellgrenze: Zur Vermeidung einer Privilegierung von PersG, die besonders hohe freiberufliche Umsätze erzielen und damit in größerem Umfang gewerblich tätig sein könnten und unter Berücksichtigung des Normzwecks, das GewSt-Aufkommen zu schützen, ist es außerdem erforderlich, den Betrag der gewerblichen Nettoumsatzerlöse, bei dem noch von einem äußerst geringfügigen Umfang ausgegangen werden kann, auf einen Höchstbetrag i.H.v. 24.500 € zu begrenzen. Dieser orientiert sich an dem gewerbesteuerlichen Freibetrag für PersG nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG. Denn im Regelfall droht dann kein Ausfall von GewSt, wenn bereits die gewerblichen Umsätze unter dem gewinnbezogenen Freibetrag i.H.v. 24.500 € liegen. Allerdings handelt es sich bei diesem Freibetrag um eine Gewinn- und nicht um eine Umsatzgrenze. Auch liegt der Zweck dieser Regelung nicht in der Freistellung von Kleingewerbetreibenden von der GewSt, sondern in der Herstellung einer vergleichbaren gewerbesteuerlichen Belastung im Vergleich zu KapGes durch Berücksichtigung eines fiktiven Unternehmerlohnes. Gleichwohl ist es sachgerecht, den für PersG geltenden gewerbesteuerlichen Freibetrag als Umsatzgrenze für eine typisierende Einschränkung der Abfärbewirkung gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG heranzuziehen. Der Normzweck des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG steht einer Anwendung des Freibetrages als absolute Umsatzgrenze im Rahmen des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht entgegen. Denn wenn auch eine Freistellung von geringen gewerblichen Einkünften nicht Zweck der Norm ist, so ist sie doch deren Ergebnis. Da gewerbliche Erträge in dieser Höhe nicht mit GewSt belastet werden, droht insoweit auch nicht die Gefahr von Steuerausfällen. Es würde jedoch dem vorrangigen Zweck der Abfärberegelung – der vereinfachten weil einheitlichen Einkünfteermittlung – zuwider laufen, den Freibetrag des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG im Rahmen des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG als Gewinngrenze zu berücksichtigen, da dies eine getrennte Einkünfteermittlung für die verschiedenen Tätigkeiten zur Folge hätte. Die aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gebotene Einschränkung des Anwendungsbereiches des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG darf nicht dazu führen, dass damit der eigentliche Normzweck gefährdet wird. Die Berücksichtigung des Freibetrages als Umsatzgrenze vermeidet derartige Schwierigkeiten.

Entscheidungen in den Streitfällen: Die gewerblichen Nettoumsätze der K 1 betragen 15.400 € (1,81 v.H. der Nettogesamtumsätze) in 2003 und 21.100 € (2,68 v.H. der Nettogesamtumsätze) in 2004 und überschreiten damit weder die relative Grenze von 3 v.H. der Gesamtumsätze noch den Höchstbetrag von 24.500 €. Folglich hat das FG zu Recht entschieden, dass die Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht anwendbar ist und deshalb die freiberuflichen Einkünfte nicht in gewerbliche Einkünfte umzuqualifizieren sind.

Gleiches gilt für K 2: Da deren gewerblichen Nettoumsatzerlöse der nur 2,62 v.H. der Gesamtumsätze betragen und mit 5.000 € die Höchstgrenze von 24.500 € nicht überschreiten, hat das FG zu Recht § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht angewandt und den GewSt-Messbetragsbescheid aufgehoben.

Dagegen ist die Abfärberegelung bei der K 3 anzuwenden, da deren gewerbliche Einkünfte nicht so gering sind, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Abfärbewirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG im Streitfall ausschließt. Denn nach den oben aufgestellten Maßstäben beliefen sich die von der K 3 erzielten originär gewerblichen Umsatzerlöse in den Streitjahren auf 10.840 € und 8.200 €. Dies entspricht einem Anteil von 4,27 v.H. und 4,89 v.H. der Gesamtnettoumsatzerlöse (254.000 € und 168.000 €). Damit liegen die gewerblichen Umsatzerlöse über dem noch als äußerst geringfügig anzusehenden Anteil von 3 v.H. der Gesamtnettoerlöse. Dass die Umsätze den Höchstbetrag von 24.500 € nicht überschreiten, ist alleine nicht ausreichend, um von einer äußerst geringfügigen gewerblichen Tätigkeit ausgehen zu können.

Beraterhinweis: Bisher war unklar, bis zu welchem Ausmaß die gewerbliche Tätigkeit einer ansonsten freiberuflich tätigen Personengesellschaft als so geringfügig anzusehen ist, dass es nicht zu einer Umqualifizierung der (hauptsächlichen) freiberuflichen Einkünfte in solche aus Gewerbebetrieb kommt. Der BFH hatte bisher lediglich einerseits entschieden, dass gewerbliche Einnahmen i.H.v. 1,25 % des Gesamtumsatzes auf jeden Fall als geringfügig anzusehen sind, andererseits ein Anteil der gewerblichen Einnahmen von 6 % des Gesamtumsatzes die Bagatellgrenze überschreitet. Nunmehr legt der BFH eine eindeutige Richtschnur fest, an der sich die Praxis orientieren kann: Die Bagatellgrenze greift, wenn die Einnahmen aus gewerblicher Tätigkeit nicht mehr als 3 % betragen, gleichzeitig aber nicht höher sind als 24.500 €. Der BFH stellt mit diesen Beträgen also sowohl eine relative Grenze (3%) als auch eine absolute Grenze (24.500 €) auf: Bis zu diesen Beträgen erfolgt aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes demnach keine Umqualifizierung der ansonsten freiberuflichen Einkünfte einer Personengesellschaft in insgesamt gewerbliche Einkünfte gem. § 15 Abs. 3 .Nr. 1 EStG.

RD a.D. Michael Marfels, Nordkirchen

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 12.03.2015 14:11

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