Otto Schmidt Verlag


Abgeltungsteuer: Schuldzinsen als Werbungskosten

Im Zusammenhang mit einer teilweise kreditfinanzierten Festgeldanlage im Veranlagungszeitraum 2008 angefallene Schuldzinsen können in vollem Umfang als Werbungskosten abgezogen werden, auch wenn die Zinsen hieraus erst im Veranlagungszeitraum 2009 zufließen. § 20 Abs. 9 Satz 1  2. Halbsatz EStG i.d.F. des UntStRefG 2008 ist erstmalig ab dem Veranlagungszeitraum 2009 anzuwenden.

BFH v. 27. 8. 2014 - VIII R 60/13

Im Mai 2008 nahm der Kläger K bei der Bank A einen Kredit i.H.v. 300.000 € auf mit Fälligkeit am 30.1.2009. Der Darlehensbetrag und weitere bereits vorher bei der Bank A angelegten 600.000 € wurden im Mai 2008 dem Festgeldkonto bei einer Sparkasse gutgeschrieben. Im Jahr 2008 leistete K Zinsen für den Kredit i.H.v. insgesamt 10.000 €. Am 30.1.2009 wurden ihm auf seinem Festgeldkonto bei der Sparkasse Zinsen für die Zeit vom Mai 2008 bis Ende Januar 2009 i.H.v. 30.000 € abzüglich der darauf entfallenden KESt und SolZ gutgeschrieben. Am selben Tag tilgte er durch Umbuchung seine Kreditschuld bei der Bank A. Das FA erkannte die in 2008 gezahlten Schuldzinsen nicht als Werbungskosten (WK) bei den Kapitaleinkünften 2008 an und stützte dies auf § 20 Abs. 9 S. 1, 2. Halbsatz EStG i.d.F. des UntStRefG 2008. Die Klage war erfolgreich, da § 20 Abs. 9 EStG nicht für in 2008 abgeflossene WK gelten.  Der BFH wies die Revision des FA als unbegründet zurück.

Schuldzinsen als vorweggenommene WK: Die Schuldzinsen sind unstreitig (vorab entstandene) WK bei den Kapitaleinkünften des K: Sie sind aufgrund des objektiven wirtschaftlichen Zusammenhangs durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst, da der aufgenommene Kredit zum Erwerb einer Kapitalanlage verwendet wurde, da mit dieser auf Dauer gesehen ein Überschuss der Einnahmen (§ 8 EStG) über die WK (§ 9 EStG) erzielt werden sollte, der Zweck der Schuldaufnahme also in der Erwerbssphäre lag. Die vom K gezahlten Schuldzinsen sind Werbungskosten: Da er den Kredit für seine Festgeldanlage verwendet hat, sind die von ihm gezahlten Schuldzinsen WK. Auch hat er hinsichtlich der Festgeldanlage mit Überschusserzielungsabsicht gehandelt, da er bezogen auf die gesamte Dauer der Festgeldanlage einen Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten i.H.v. 30.000 € Festgeldzinsen ./. 10.000 € Schuldzinsen = 20.000 € erzielt hat.

Keine Aufteilung der Festgeldanlage: Eine Aufteilung des Festgelds in einen fremdfinanzierten bzw. einen mit Eigenmitteln angeschafften Teil scheidet aus, da K einen einheitlichen Vertrag über die Anlage eines Betrages von 900.000 € als Festgeld abgeschlossen und nicht mehrere Verträge über eine fremdfinanzierte bzw. eine mit Eigenmitteln finanzierte Festgeldanlage. Deshalb liegt ein einheitliches Anschaffungsgeschäft vor. Die Überschusserzielungsabsicht war daher nur hinsichtlich dieser einen Festgeldanlage zu prüfen.

Keine Anwendung des Sparer-Pauschbetrags in 2008: § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG steht dem WK-Abzug nicht entgegen. Danach können WK bei den Kapitaleinkünften ab dem Veranlagungszeitraum (VZ) 2009 grds. nicht mehr abgezogen werden. Abziehbar ist lediglich ein Sparer-Pauschbetrag i.H.v. 801 €, der bei zusammen veranlagten Ehegatten auf 1.602 € verdoppelt wird. Es bestehen auch keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung. Diese Regelung ist im Streitfall indes nicht anwendbar. Denn nach § 52a Abs. 2 EStG ist § 2 Abs. 2 EStG, welcher für die Kapitaleinkünfte anordnet, dass § 20 Abs. 9 EStG (vorbehaltlich der Regelung in § 32d Abs. 2 EStG) an die Stelle der §§ 9 und 9a EStG tritt, erstmals ab dem VZ 2009 anzuwenden. Daraus folgt, dass für VZ bis 2008 § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG a.F. anwendbar bleibt, so dass für diese Zeiträume die Kapitaleinkünfte ‑ weiterhin ‑ durch den Überschuss der Einnahmen über die WK ermittelt werden. Dafür spricht ferner, dass auch die Neufassung des § 9a EStG, mit der der Gesetzgeber den zuvor für die Kapitaleinkünfte bestehenden WK-Pauschbetrag aufgehoben hat, gemäß § 52a Abs. 6 EStG erstmals ab dem VZ 2009 Anwendung findet. Die Anwendung des § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG vor dem 1.1.2009 hätte die Konsequenz, dass Stpfl. sowohl den Sparer-Freibetrag gemäß § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG a.F. als auch den Sparer-Pauschbetrag gemäß § 20 Abs. 9 Satz 1 1. Halbsatz EStG bei Ermittlung der Kapitaleinkünfte abziehen könnten, obwohl der Gesetzgeber sowohl den Sparer-Freibetrag als auch der WK-Pauschbetrag gemäß § 9a Satz 1 Nr. 2 EStG a.F. in dem einheitlichen Sparer-Pauschbetrag gemäß § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG aufgehen lassen wollte.

Auslegung der Übergangsnorm: § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG steht dieser Beurteilung nicht entgegen, der ebenfalls dahin auszulegen ist, dass § 20 Abs. 9 Satz 1 2. Halbsatz EStG erst ab dem VZ 2009 anzuwenden ist. Hierfür streitet bereits der Gesetzeswortlaut. Danach ist § 20 Abs. 9 EStG erstmalig auf Kapitalerträge anzuwenden, die nach dem 31.12.2008 zufließen. Dass die Regelung erstmalig ‑ und veranlagungszeitraumübergreifend ‑ auf WK anzuwenden ist, die mit nach dem 31.12.2008 zufließenden Kapitalerträgen zusammenhängen, aber schon vorher angefallen sind, kann dem Wortlaut des Gesetzes indes nicht entnommen werden. § 20 Abs. 9 EStG ist auf Kapitalerträge grds. nur im Jahr ihres Zuflusses anzuwenden. Denn nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Satz 2 EStG sind die Kapitaleinkünfte jeweils für ein Kalenderjahr, den VZ i.S.d. § 25 Abs. 1 EStG, zu ermitteln. Auch das spricht dafür, dass § 20 Abs. 9 EStG erstmalig ab dem VZ 2009 Anwendung finden soll. Eine auf § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG gestützte Anwendung von § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG bereits vor dem 1.1.2009 würde zudem der oben erwähnten Anwendungsregelung des § 52a Abs. 2 EStG widersprechen, wonach § 9 EStG und § 9a EStG erstmals ab 2009 durch § 20 Abs. 9 EStG ersetzt werden. Diese Auslegung ergibt sich auch aus § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG, welcher die erstmalige Anwendung von § 20 Abs. 3 bis 9 EStG an den Zufluss von Kapitalerträgen nach dem 31. 12. 2008 knüpft. Damit einher gehen der gesonderte Steuertarif für Kapitaleinkünfte von lediglich 25 % sowie der Ausschluss des Abzugs der tatsächlichen WK; eine Ausnahme macht der Gesetzgeber lediglich für sog. unternehmerische Beteiligungen gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG, eine Regelung, welche gemäß § 52a Abs. 15 EStG erstmals für den Veranlagungszeitraum 2009 Anwendung findet.

Kein Gestaltungsmissbrauch: Demgemäß kann K bei seinen Kapitaleinkünften die von ihm geltend gemachten Schuldzinsen als WK abziehen. Hierin liegt auch kein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i.S.d. § 42 AO, weil K mit seiner Festgeldanlage eine unangemessene Gestaltung durch den Abzug von (vorweggenommenen) Werbungskosten in Verbindung mit einer daraus resultierenden Steuerminderung verwirklicht haben soll. Unabhängig davon, ob ein solches Verhalten überhaupt geeignet wäre, einen Missbrauch i.S.d. § 42 AO zu beinhalten, ist ein solcher im Streitfall jedenfalls schon deshalb zu verneinen, weil K wirtschaftliche, d.h. außersteuerliche Gründe vorgetragen hat, weshalb ihm das Kreditinstitut bei einem insgesamt rückläufigen Kapitalmarktzins eine höhere Verzinsung einer Festgeldanlage zugesagt hat, sofern seine bisherige Festgeldanlage ‑ durch Verwendung zuvor von dem Kreditinstitut bewilligter Darlehensmittel ‑ entsprechend aufgestockt werde. Die von ihm dazu vorgelegte Berechnung macht deutlich, dass eine solche Aufstockung der Festgeldanlage auch unter Berücksichtigung der von ihm zu leistenden Darlehenszinsen wirtschaftlich sinnvoll war.

Beraterhinweis: Der BFH hält sich mit seiner Entscheidung an den eindeutigen Wortlaut der Übergangsregelungen des § 52 EStG im Zusammenhang mit der Einführung der Abgeltungssteuer bei Kapitaleinkünften. Daraus folgt, dass im VZ 2008 abgeflossene WK auch dann nach bisherigem Recht in voller Höhe abzugsfähig sind, wenn die damit zusammen hängenden Erträge erst im Jahre 2009 oder später zufließen. Umgekehrt folgt m.E. aus dem Urteil, dass auch in 2009 abgeflossene WK als nachträgliche WK in voller Höhe abzugsfähig sind, wenn die damit zusammenhängenden Erträge bereits im Jahre 2008 zugeflossen sind.

Wichtig ist auch der Hinweis des BFH, dass kein Missbrauch vorliegt, wenn Steuervorteile dadurch erlangt werden, dass die Kalenderjahre des WK-Abflusses und des Ertragszuflusses verschieden sind, da es entscheidend ist, dass insgesamt aus einer Kapitalanlage ein Überschuss erwirtschaftet wird. 

RD a.D., Michael Marfels, Nordkirchen

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 10.02.2015 14:21

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