Otto Schmidt Verlag


Vorlage der Vorschriften über die Einheitsbewertung an das BVerfG zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit

Der BFH hält die Vorschriften über die Einheitsbewertung (spätestens) ab dem Bewertungsstichtag 1.1.2009 für verfassungswidrig, weil die Maßgeblichkeit der Wertverhältnisse am Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.1964 für die Einheitsbewertung zu Folgen führt, die mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht mehr vereinbar sind.

BFH v. 22.10.2014 - II R 16/13

Der Kläger K erwarb im Jahr 2008 ein seit 1983 bestehendes Teileigentum im Erdgeschoss eines in West-Berlin gelegenen Mehrfamilienhauses. Das FA rechnete ihm dieses zum 1.1.2009 zu und wies darauf hin, dass der auf den 1.1.1984 im Wege der Nachfeststellung festgestellte Einheitswert (EW) wie bisher 21.576 € betrage. Den auf Aufhebung des bisherigen EW-Bescheids und Neufeststellung des EW (Wertfortschreibung) zum 1.1.2009 gerichteten Antrag des Klägers lehnte das FA ab. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Aufgrund der Revision des K, mit der er infolge des lange zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunktes (1.1.1964) eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) geltend macht, hält der BFH die Vorlage an das BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG für geboten, da er davon überzeugt ist, dass die im Streitfall anzuwendenden Vorschriften über die Einheitsbewertung am Stichtag 1.1.2009 nicht mehr den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprochen haben.

Rechtslage/Rechtsentwicklung: Der BFH stellt zunächst die Rechtslage hinsichtlich der Einheitsbewertung für inländischen Grundbesitz dar (Hauptfeststellung zum 1.1.1964; Nachfeststellung bei Neuentstehung wirtschaftlicher Einheiten nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt; Wertfortschreibung bei nachträglicher Änderung der tatsächlichen Verhältnisse; fehlerbeseitigende Wertfortschreibung; Maßgeblichkeit der am 1.1.1964 geltenden Wertverhältnisse; Geltung der EW-Bescheide bis zu einer Aufhebung bzw. Fortschreibung). Infolge der Anknüpfung an die Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt sollen sich Änderungen des Wert- und Preisniveaus innerhalb eines Hauptfeststellungszeitraums nicht auf die Höhe des EW auswirken. Nur eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse führt nach § 22 Abs. 1 und 4 BewG zu einer Wertfortschreibung bzw. nach § 23 BewG zu einer Nachfeststellung. Beim Grundvermögen umfasst der Begriff der Wertverhältnisse vor allem die wirtschaftlichen Verhältnisse, die ihren Niederschlag in den Grundstücks- und Baupreisen und im allgemeinen Mietniveau zum 1.1.1964 gefunden haben, so dass die am 1.1.1964 gezahlten bzw. üblichen Mieten auch bei späteren Nachfeststellungen und Wertfortschreibungen maßgebend sind. Andere die Ertragskraft eines Grundstücks mindernde Umstände wie eine veränderte Einzelhandelsstruktur, eine Wirtschaftsabschwächung oder die sinkende Kaufkraft der Region betreffen nicht die tatsächlichen Verhältnisse, sondern die Wertverhältnisse, sind also z.B. bei Wertfortschreibungen nicht zu berücksichtigen. Als zu berücksichtigende tatsächliche Änderungen gelten z.B. die besondere Verkehrslage eines Grundstücks, Änderungen der Grundstücksnutzung, Straßenausbau, Ausweis als Bauland etc. Auch bei Veränderungen derartiger tatsächlicher Umstände ist die Miete anzusetzen, die bei Vorhandensein des geänderten Grundstückszustandes nach den Wertverhältnissen im Hauptfeststellungszeitpunkt zu erzielen gewesen wäre.  

Bedeutung der Einheitsbewertung: Die Einheitsbewertung von Grundvermögen ist zum Stichtag 1.1.2009, abgesehen von der Kürzungsvorschrift in § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG, nur noch für die GrSt von Bedeutung. Der GrSt-Messbetrag des § 13 Abs. 1 Satz 1 GrStG ergibt sich durch Anwendung eines Tausendsatzes (Steuermesszahl) auf den maßgebenden EW. Die GrSt wiederum ergibt sich aus der Anwendung des von der Gemeinde gemäß § 25 Abs. 1 GrStG bestimmten Hundertsatzes (Hebesatz) auf den Steuermessbetrag.

Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab: Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen. Die einmal getroffene Belastungsentscheidung hat der Gesetzgeber unter dem Gebot möglichst gleichmäßiger Belastung aller Stpfl. bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestandes folgerichtig umzusetzen. Ausnahmen hiervon bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes. Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber zwar einen weitreichenden Entscheidungsspielraum, der allerdings vor allem durch die Ausrichtung der Steuerlast an den Prinzipien der finanziellen Leistungsfähigkeit, der Folgerichtigkeit und der Beachtung der Steuergerechtigkeit begrenzt wird, wonach die Stpfl. dem Grundsatz nach durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden müssen. Für die Feststellung des Verfassungsverstoßes kommt danach dem Zusammenspiel zwischen dem Einzelsteuergesetz, welches den Belastungserfolg unmittelbar bewirkt, und den Bewertungsvorschriften maßgebliche Bedeutung zu. Für die Einheitsbewertung kommt es danach in verfassungsrechtlicher Hinsicht auf den Belastungserfolg an, den die festgestellten EW als Bemessungsgrundlage im Rahmen der Festsetzung der GrSt bewirken.

GrSt als Objektsteuer; Anpassung der gemeinen Werte: Aus der Zusammenschau von Bewertungsregeln und GrSt ergibt sich, dass sich die durch die Einheitsbewertung vorgezeichnete Steuerlast wegen des Charakters der GrSt als Objektsteuer nicht an den Prinzipien der finanziellen Leistungsfähigkeit des Stpfl. ausrichten muss, da die GrSt wirtschaftlich mur auf die durch den Besitz sogenannten fundierten Einkommens vermittelte Leistungskraft zielt. Da die GrSt an die Werte von Wirtschaftsgütern anknüpft, müssen Bemessungsgrundlagen gefunden werden, die deren Werte in ihrer Relation realitätsgerecht abbilden. Insofern kann hier auf die Grundsätze der Realitätsgerechtigkeit und Folgerichtigkeit der Bewertung nicht verzichtet werden. Ist der gemeine Wert des Grundstücks zu einem zeitnahen oder zumindest nur wenige Jahre zurückliegenden (Haupt-)Feststellungszeitpunktmaßgebend, muss der den genannten Grundsätzen verpflichtete Gesetzgeber für eine fortlaufende Wertanpassung am Maßstab des gemeinen Werts sorgen.

Beschränkung typisierender Regelungen: Auch wenn Steuergesetze i.d.R. Massenvorgänge des Wirtschaftslebens betreffen und Sachverhalte typisierend regeln dürfen, darf die wirtschaftlich ungleiche Wirkung auf die Steuerzahler allerdings ein gewisses Maß nicht übersteigen. Vielmehr müssen die steuerlichen Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen. Außerdem darf eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren.

Verfassungswidrigkeit der Einheitsbewertung von Grundvermögen aufgrund des lange zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkts: Die Vorschriften über die Einheitsbewertung von Grundvermögen sind (spätestens) seit dem Feststellungszeitpunkt 1.1.2009 wegen des 45 Jahre zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkts nicht mehr mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine gleichheitsgerechte Ausgestaltung des Steuerrechts vereinbar. An der bisherigen Rspr. zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Einheitsbewertung nach den Wertverhältnissen zum 1.1.1964 hält der BFH für den Feststellungszeitpunkt 1.1.2009 nicht mehr fest, da das Unterbleiben einer allgemeinen Neubewertung des Grundvermögens für Zwecke der GrSt auf diesen Stichtag mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen, insbesondere mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), nicht vereinbar ist.

Verfehlung des Zwecks der Hauptfeststellung: Das System der Hauptfeststellung auf einen bestimmten Stichtag ist darauf angelegt, dass Hauptfeststellungen in bestimmten, nicht übermäßig langen Abständen stattfinden (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 BewG: Hauptfeststellungen in Zeitabständen von je sechs Jahren). Diese Hauptfeststellungen sollen die sich innerhalb dieses Zeitraums ergebenden Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse vollständig erfassen und einen Wertabgleich am Maßstab der aktuellen Verkehrswerte vornehmen. Die mit dieser Festschreibung der Wertverhältnisse für einen Hauptfeststellungszeitraum verbundenen Bewertungsungenauigkeiten sind deshalb aus verfassungsrechtlicher Sicht nur hinnehmbar, wenn der Hauptfeststellungszeitraum eine angemessene Dauer nicht überschreitet. Hiernach verfehlt erst recht die über 45 Jahre unveränderte Einheitsbewertung des Grundbesitzes, die immer noch an die Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt (1.1.1964) anknüpft, die sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebenden Anforderungen.

Unterschiedliche allgemeine Preisentwicklungen unerheblich… Die Verfassungswidrigkeit kann allerdings nicht allein darauf gestützt werden, dass sich die Grundstückswerte seither von Land zu Land und von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich entwickelt haben. Da es sich bei der GrSt um eine Gemeindesteuer handelt, deren Höhe nicht nur von den EW, sondern auch von dem von der jeweiligen Gemeinde festgesetzten Hebesatz abhängt, beziehen sich die Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes lediglich auf das Gebiet der einzelnen Gemeinden. Verfassungsrechtlich kommt es vielmehr entscheidend darauf an, ob es durch den Verzicht auf weitere Hauptfeststellungen nach Anzahl und Ausmaß zu dem Gleichheitssatz widersprechenden Wertverzerrungen bei den EW solcher Grundstücke gekommen ist, die innerhalb des Gebiets der jeweiligen Städte und Gemeinden belegen sind.

…aber erhebliche Wertverzerrungen innerhalb von Gemeinden: Insbesondere in größeren Städten sind derartige gewichtige Abweichungen in bedeutendem Umfang gegeben. Die mehrere Jahrzehnte umfassende Dauer des Hauptfeststellungszeitraums führt somit zu einer Verletzung des verfassungsrechtlichen Gebots einer folgerichtigen Gesetzgebung und zum weitgehenden Verlust eines einheitlichen, am gemeinen Wert ausgerichteten Bewertungsmaßstabes führt. Hauptursache für die weitreichenden Wertverzerrungen ist u.a. der Umstand, dass die seit 1964 eingetretenen tiefgreifenden Veränderungen im Gebäudebestand sowie auf dem Immobilienmarkt als Folge der Festschreibung der Wertverhältnisse auf den 1.1.1964 keinen hinreichenden Einfluss auf den EW haben und bei der Bewertung weitgehend unberücksichtigt bleiben. Diese Wertverzerrungen werden nicht dadurch kompensiert, dass eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse unter den Voraussetzungen des § 22 BewG zu einer Wertfortschreibung führt. Aufgrund der Entwicklung des Bauwesens gibt es eine immer größere Zahl von Gebäuden, die sich nach Bauart, Bauweise oder Objektgröße von den im Jahr 1958 vorhandenen Gebäuden so sehr unterscheiden, dass ihre Bewertung nicht mehr mit einer entsprechenden Genauigkeit und Überprüfbarkeit möglich ist. Für derartige neue Gebäude gibt es in Bezug auf die Herstellungskosten keine Vergleichsmöglichkeit mit entsprechenden Gebäuden, die im Jahr 1958 errichtet wurden. Entspr. gilt auch für eine Bewertung im Ertragswertverfahren, da hierbei die am 1.1.1964 geltende hypothetische Miete für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung zu schätzen ist, wenn es das Gebäude zu diesem Zeitpunkt schon gegeben hätte. Je länger der Hauptfeststellungszeitraum dauert und je mehr sich die neu errichteten Gebäude von den am Hauptfeststellungszeitpunkt vorhandenen unterscheiden, desto problematischer wird auch aus verfassungsrechtlicher Sicht diese Schätzung, für die es keine ausreichend gesicherten Grundlagen mehr gibt. Außerdem finden Eigenschaften und Ausstattungsmerkmale von Gebäuden oder Wohnungen, die seinerzeit allgemein nicht anzutreffen waren oder denen anders als heute seinerzeit keine oder nur eine unbedeutende wertmäßige Bedeutung zugemessen wurde, keinen Niederschlag im EW. Heute maßgebliche wertbildende Faktoren wie Energieeffizienz oder das Vorhandensein von Solaranlagen, Wärmepumpen, Lärmschutz, luxuriöse Bad- und Kücheneinrichtungen, elektronische Steuerung der gesamten Haustechnik, Anschlussmöglichkeiten an Hochgeschwindigkeitsdatennetze usw. können sich danach im EW nicht abbilden. Dies gilt auch für in 1964 bereits vorhandene Gebäude, die nachträglich mit entsprechenden Einrichtungen versehen wurden und dadurch einen höheren Wert erhalten, ohne dass sich dies auf den EW auswirkt. Die sich hieraus ergebenden Wertverzerrungen sind erheblich. So betragen die Preisspannen der Nettokaltmieten in Berlin unabhängig vom Gebäudealter und der Lage allein wegen unterschiedlicher Ausstattung bis zu 4 €, was zu einem Wertaufschlag von bis zu 50 % auf den unteren Wert der Mietpreisspanne führen kann. Diese Nichtberücksichtigung wesentlicher Ausstattungsmerkmale betrifft nach den Feststellungen des BFH eine Vielzahl von Gebäuden und Wohnungen. Weitere erhebliche Wertverzerrungen ergeben sich auch daraus, dass die Veränderungen der Marktlage vor allem in Großstädten durch Um- und Eingemeindungen keine Auswirkungen auf den Vervielfältiger und damit den EW haben, da immer auf die Einwohnerzahl der Belegenheitsgemeinde am 1.1.1964 abzustellen ist. Des Weiteren ist beim Sachwertverfahren eine Alterswertminderung nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt ausgeschlossen, so dass z.B. ein im Jahr 1964 errichtetes Gebäude bei identischem Gebäudenormalherstellungswert auf den 1.1.2009 mit demselben Gebäudewert anzusetzen wie ein im Jahr 2008 errichtetes Gebäude.

Nicht hinnehmbarer Defizit beim Gesetzesvollzug: Die o.g. Wertverzerrungen werden zudem durch nicht mehr hinnehmbare Defizite beim Gesetzesvollzug deutlich verstärkt. Ohne regelmäßige Neubewertung sämtlicher der GrSt unterliegender Objekte ist nicht sichergestellt, dass Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse, die Wertänderungen bewirken und zu Fortschreibungen nach § 22 BewG führen müssten, im Sinne des erforderlichen gleichmäßigen Gesetzesvollzugs durchgehend erfasst werden. Eine allgemeine Pflicht zur Abgabe von Erklärungen zur Feststellung des EW oder zur Mitteilung veränderter tatsächlicher Umstände besteht nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt nicht. Auch die Mitteilungspflichten der in § 29 Abs. 3 und 4 BewG genannten Behörden sichern nicht den Gesetzesvollzug, da nicht alle Baumaßnahmen genehmigungs- oder anzeigepflichtig sind. Ebenso gibt es den Wert beeinflussende Umstände, die nicht den tatsächlichen Zustand des Grundstücks selbst betreffen, sondern z.B. dessen Verkehrslage oder die Zu- oder Abnahme des Lärms, die durch konkrete verkehrstechnische Maßnahmen bedingt ist, oder die Verunreinigung der Luft durch eine in der Nähe errichtete Fabrik oder der Wegfall einer solchen Verunreinigung.

Keine Praxisbedenken gegen allgemeine Neubewertung: Der Erforderlichkeit einer neuen Hauptfeststellung kann auch nicht entgegengehalten werden, dass sich diese auf das gesamte Bundesgebiet erstrecken müsste und die Länder im Beitrittsgebiet zu deren Durchführung noch nicht in der Lage seien, da ‑ soweit es beim System der Hauptfeststellung bleiben soll ‑ eine erneute Hauptfeststellung auch im Beitrittsgebiet verfassungsrechtlich geboten ist. Die in §§ 129 ff. BewG für das Beitrittsgebiet getroffenen Sonderregelungen können wegen der inzwischen verstrichenen Zeit nicht mehr mit Übergangsschwierigkeiten gerechtfertigt werden, zumal die für das Beitrittsgebiet maßgebenden Wertverhältnisse auf den 1.1.1935 auf noch schwerere verfassungsrechtlichen Bedenken stoßen. Zudem muss der Gesetzgeber bei einer zukünftigen Neuregelung der Grundbesitzbewertung für Zwecke der GrSt nicht die Anwendung der gegenwärtig geltenden Bewertungsvorschriften anordnen, die sowohl für die Stpfl. als auch für die Finanzverwaltung zu einem hohen Vollzugsaufwand führen. Er darf vielmehr von seiner Befugnis zur Typisierung Gebrauch machen, um so den mit der allgemeinen Neubewertung aller der GrSt unterliegenden wirtschaftlichen Einheiten für die Beteiligten verbundenen Aufwand auf ein zumutbares Maß zu beschränken.

Maßgeblichkeitsprüfung: Der BFH bejaht die Maßgeblichkeit der Vorlagefrage, da im Falle der Verfassungsmäßigkeit der Bewertungsnormen die Revision des Klägers zurückzuweisen wäre, da er dann keinen Anspruch auf Aufhebung des bisher für den Rechtsvorgänger festgestellten EW hätte. Bei Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Bewertungsnormen kann der auf den 1.1.1994 festgestellte EW nach rechtsstaatlichen Grundsätzen gegenüber dem Kläger keine bindende Wirkung entfalten. Der EW kann dann nicht der Festsetzung des GrSt-Messbetrags und der GrSt zugrunde gelegt werden. Er ist in diesem Fall vielmehr in entsprechender Anwendung des § 24 Abs. 1 Nr. 2 BewG aufzuheben, sofern das BVerfG dem Gesetzgeber nicht die Möglichkeit gibt, rückwirkend auf den 1.1.2009 eine Neubewertung des Grundbesitzes vorzuschreiben. Die im zuletzt genannten Fall gebotene Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO wäre eine andere Entscheidung als im Falle der Verfassungsmäßigkeit und Gültigkeit der Vorschriften. Der Entscheidungserheblichkeit der Frage, ob die Vorschriften verfassungsgemäß sind, steht auch nicht entgegen, dass das BVerfG bei einer Unvereinbarkeitserklärung die weitere Anwendung des bisherigen Rechts anordnen kann, obwohl in diesem Fall der Rechtsstreit nicht anders zu entscheiden wäre als bei Feststellung der Verfassungsmäßigkeit.

Beraterhinweis: Endlich steht auch die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Einheitsbewertung für Zwecke der Grundsteuer auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand. Der BFH führt überzeugend aus, dass die Zugrundelegung der Wertverhältnisse vom 1.1.1964 innerhalb einer Gemeinde zu erheblichen Wertverzerrungen führt, da veränderte Bauweisen, Ausstattungsmerkmale etc. keine nennenswerten Auswirkungen auf den EW haben. Es bleibt abzuwarten, welche Entscheidung das BVerfG zur evtl. Weitergeltung der bisherigen ggf. für verfassungswidrigen Bewertungsnormen treffen wird. Da bei einer Neubewertung die EW wahrscheinlich wesentlich höher ausfallen werden, sollte gegenüber bisherigen Wertfeststellungen nicht vorgegangen werden. Dies empfiehlt sich nur bei erwarteten Wertminderungen. In diesem Falle sollte einer fehlerberichtigen Wertfortschreibung beantragt werden, die jedoch gem. § 22 Abs. 4 Nr. 2 erst zu Beginn des Kalenderjahres möglich ist, in dem der Fehler dem FA bekannt wird, also erst zu Beginn des Jahres, in dem das BVerfG ggf. die Verfassungswidrigkeit der Bewertungsnormen feststellt.

RD a.D. Michael Marfels, Nordkirchen

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 05.01.2015 16:19

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