Otto Schmidt Verlag


Pauschalbesteuerung gemäß Investmentsteuergesetz verstößt gegen Unionsrecht

Art. 63 AEUV steht einer nationalen Regelung entgegen, die für den Fall, dass ein ausländischer Investmentfonds – wie in dieser Regelung vorgesehen, unterschiedslos – für inländische und ausländische Fonds geltende Verpflichtungen zur Bekanntmachung und Veröffentlichung bestimmter Angaben nicht erfüllt, die Erträge, die der Steuerpflichtige aus diesen Investmentfonds erzielt, einer pauschalen Besteuerung unterwirft, da diese Regelung dem Steuerpflichtigen nicht ermöglicht, Unterlagen oder Informationen beizubringen, mit denen sich die derzeitige Höhe seiner Einkünfte nachweisen lässt.

EuGH v. 9.10.2014 – Rs. C-326/12

Deutsche Anleger hielten in den Jahren 2004 bis 2008 Anteile an intransparenten ausländischen Investmentfonds. Sie erklärten ihre Erträge daraus im Schätzungswege auf der Grundlage von Listen und Auszügen aus der Börsenzeitung. Das FA ermittelte demgegenüber die Erträge pauschal nach der Regelung des § 6 InvStG. Auf diese Weise kam das FA zu Erträgen, die mehr als das Dreifache der von den Anlegern erklärten Erträge betrugen. Die Anleger zogen vor das FG Düsseldorf. Dieses setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage vor, ob die pauschale Besteuerung von intransparenten Fonds nach § 6 InvStG gegen europäisches Unionsrecht verstoße, weil sie als eine verschleierte Beschränkung des freien Kapitalverkehrs (Art. 63 AEUV) anzusehen sei.

Der EuGH ging davon aus, dass § 6 InvStG eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellt. Der EuGH rügte zunächst die gleichermaßen für inländische und ausländische Fonds geltende Bekanntmachungsverpflichtung, die bei Nichterfüllung zu einer pauschalen Besteuerung führe. Die Bekanntmachungs- und Veröffentlichungspflichten gem. § 5 InvStG würden typischerweise von solchen Investmentfonds nicht erfüllt, die nicht aktiv auf den deutschen Markt abzielten. Dies seien vor allem ausländische Investmentfonds. Die pauschale Besteuerung sei somit geeignet, Steuerpflichtige davon abzuhalten, in Fonds zu investieren, welche die gesetzlichen Vorgaben nicht erfüllen. Der Steuerzahler müsse generell die Möglichkeit haben, mit Unterlagen oder Informationen die tatsächliche Höhe der Einkünfte aus Investmentfonds nachzuweisen.

Hintergrund: Das Investmentsteuergesetz ist für die Besteuerung deutscher Anleger in Investmentfonds anwendbar. Kommt ein Investmentfonds den Bekanntmachungs- und Veröffentlichungspflichten, die das Gesetz vorsieht, nicht nach und handelt es sich dabei nicht um einen Spezialinvestmentfonds (sog. intransparenten Fonds), wird der Anleger in Bezug auf seine Investmentanteile pauschal besteuert, § 6 InvStG. Danach muss der Anleger grundsätzlich neben sämtlichen Ausschüttungen den sog. Zwischengewinn und einen Mehrbetrag von 70 % der Wertsteigerung (also die positive Differenz zwischen dem letzten und dem ersten Rücknahmepreis des Investmentanteils) versteuern. Als Mindestbetrag muss der Anleger einen Betrag von 6 % des letzten Rücknahmepreises versteuern. Werden demgegenüber die Bekanntmachungs- und Veröffentlichungspflichten des Investmentfonds nach dem InvStG erfüllt, werden die Anlagen nach den konkreten Werten besteuert. Die Bekanntmachungs- und Veröffentlichungspflichten sowie die Sanktion der Pauschalbesteuerung belasten ausländische Investmentfonds erheblich stärker als inländische. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des absoluten Verbots des Nachweises von tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen geht der EuGH davon aus, dass die Regelungen eine nicht gerechtfertigte Beschränkung des freien Kapitalverkehrs (Art. 63 AEUV) darstellen.

Beraterhinweis: Nach einem veröffentlichten Entwurf eines BMF-Schreibens zum Verfahren bis zu einer gesetzlichen Umsetzung des EuGH-Urteils in der Rs. C-326/12 wird i.R.d. Veranlagung durch das zuständige FA von der pauschalen Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage nach § 6 InvStG in den Fällen Abstand genommen, in denen der Steuerpflichtige selbst die entsprechenden Unterlagen oder Informationen beibringt, mit denen sich die tatsächliche Höhe seiner Einkünfte nachweisen lässt, wenn der ausländische Fonds die Besteuerungsgrundlagen nicht nach § 5 InvStG ordnungsgemäß veröffentlicht hat. Verfahrensrechtlich ist zu beachten, dass vor einer Steuerfestsetzung das FA die nach seiner Feststellung zutreffenden Besteuerungsgrundlagen dem Bundeszentralamt für Steuern mitzuteilen hat und zu ermitteln hat, ob für den konkreten Investmentfonds oder Teilfonds bei anderen Steuerpflichtigen abweichende Besteuerungsgrundlagen angewendet wurden. Sofern dies der Fall ist, sind die Abweichungen aufzuklären. Das BMF weist zudem darauf hin, dass der Steuerpflichtige bei Beweismitteln, die in fremder Sprache vorgelegt werden, verpflichtet werden kann, eine Übersetzung in die deutsche Sprache vorzulegen (§ 87 Abs. 2 AO).

Zu beachten ist darüber hinaus, dass beim BFH zwei weitere Verfahren zur Rechtmäßigkeit der Besteuerung von Anteilen an intransparenten ausländischen Investmentfonds nach § 6 InvStG anhängig sind (Az. IX R 27/12 und IX R 36/12). Auch in diesen Verfahren wird die Entscheidung des EuGH zu berücksichtigen sein. Steuerpflichtige, die Erträge aus ausländischen Investmentfonds haben, die das FA der Besteuerung nach § 6 InvStG unterworfen hat, sollten grundsätzlich Einspruch gegen diese Entscheidung einlegen und sodann gegebenenfalls im Hinblick auf die anhängigen BFH-Verfahren das Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 AO anregen.

RA/FASt/FAArbR/FAStrafR Dr. ManzurEsskandari, RA DanielaBick, LL.M. (Taxation), Osnabrück

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 05.12.2014 15:47

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