Otto Schmidt Verlag


Übergang des wirtschaftlichen Eigentums beim Handel mit Aktien im Rahmen sog. „cum/ex-Geschäfte“

Zur Anrechnung von Kapitalertragsteuer berechtigendes wirtschaftliches Eigentum scheidet bei sog. cum/ex-Geschäften mit Aktien aus, wenn der Erwerber der Aktien mit dem Kreditinstitut durch ein von diesem initiierten und modellhaft aufgelegten Gesamtvertragskonzept verbunden ist, nach dem der Initiator den Anteilserwerb fremdfinanziert, der Erwerber die Aktien unmittelbar nach Erwerb dem Initiator im Wege einer sog. Wertpapierleihe weiterreicht und der Erwerber das Marktpreisrisiko der Aktien im Rahmen eines Swap-Geschäfts auf den Initiator überträgt.

BFH v. 16.4.2014I R 2/12

Die Klägerin und Revisionsklägerin (K), eine Anfang 2008 gegründete GmbH, hatte im Jahr 2008 jeweils am Tag vor dem Dividendenstichtag (Tag der Beschlussfassung der Hauptversammlung über die Ausschüttung) dividendenberechtigte Aktien („cum Dividende“) über eine Londoner Brokergesellschaft im Rahmen sog. OTC-Geschäfte erworben.

Im Zusammenhang mit den Wertpapierkäufen wurden kurz vor der Durchführung der Transaktionen zwischen der Klägerin und der in London ansässigen Bank („B“) Verträge über Finanzierungs-, Wertpapierleih- und (Total Return-)Swapgeschäfte abgeschlossen.

Auf dieser Grundlage wurde der Kauf der Aktien von der B finanziert. Daneben verpflichtete sich die Klägerin, die erworbenen Aktien am jeweiligen Tag des Gewinnverwendungsbeschlusses der betreffenden Aktiengesellschaften der B darlehensweise zu überlassen. Übertragen wurden die Wertpapiere zu vollem Eigentum und zur freien Verfügung mit der Maßgabe, dass Wertpapiere gleicher Art und mit gleichem Nominalwert zurück zu geben seien. B war ihrerseits verpflichtet, der Klägerin zeitgleich mit der Wertpapierleihe entsprechende Sicherheiten zu gewähren. Gleichzeitig verpflichtete sich B, zum Ausgleich für Dividendenerträge am Zahlungstag der Dividenden einen entsprechenden, als „manufactured dividend“ bezeichneten Betrag an die Klägerin zu zahlen. Durch die zwischen der Klägerin und B vereinbarten Swap-Geschäfte wurde insbesondere eine Absicherung gegenüber Kursverlusten der erworbenen Wertpapiere bezweckt. Wertsteigerungen schuldete die Klägerin, Wertverluste sollte B ausgleichen.

Die Klägerin erzielte im Rumpfwirtschaftsjahr zum 31.12.2008 einen Jahresüberschuss von 339.419,21 EUR. Zugleich mit der Abgabe ihrer Körperschaftsteuererklärung beantragte sie unter Vorlage entsprechender Steuerbescheinigungen des Depot verwahrenden Instituts sowie einer weiteren Bank die Anrechnung von KapErtrSt, Zinsabschlag und Solidaritätszuschlägen i.H.v. insgesamt 2.621.322,89 EUR.

Die Beklagte und Revisionsbeklagte – das FA – lehnte es mit Bescheid vom 25.1.2010 ab, auf der Grundlage der Steuererklärung der Klägerin eine Steuerveranlagung durchzuführen, die nach Ansicht der Klägerin in einem sich anschließenden Erhebungsverfahren bei der Ermittlung der verbleibenden Körperschaftsteuer zu einer Steuererstattung geführt hätte.

Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos. Mit ihrer Revision rügte die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts und eine unzureichende Sachaufklärung. Der BFH hat die Revision überwiegend als unbegründet zurückgewiesen.

Klägerin hätte zur Körperschaftsteuer veranlagt werden müssen: Der I. Senat hat die Revision nur insoweit als begründet angesehen, als dass die Klägerin zur Körperschaftsteuer hätte veranlagt werden müssen. Dies folgere bereits daraus, dass die Klägerin als Kapitalgesellschaft im Streitjahr gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG 2002 unbeschränkt steuerpflichtig gewesen sei und nach den tatrichterlichen Feststellungen Zinserträge und weitere Erträge erzielt hätte. Ob diese als  Dividendenerträge oder sonstige Bezüge aus Aktien qualifizieren würden, sei nicht erheblich.

Einkünfte der Klägerin enthielten im Zusammenhang mit den Wertpapierkäufen keine Dividenden oder Kapitalerträge, die zur Anrechnung von KapErtrSt berechtigt hätten: Der von der Klägerin begehrte Ansatz von Dividenden sowie der darauf entfallenden anrechenbaren Steuern als Einnahmen setze voraus, dass jene Einnahmen ihr steuerrechtlich zuzurechnen seien. Anteilseigner sei derjenige, dem nach § 39 Abs. 1 AO die Anteile an einer Kapitalgesellschaft im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses zuzurechnen seien. „Eigentümer“ i.S.d. Regelung sei der zivilrechtliche Eigentümer oder der Inhaber des Wirtschaftsguts. Die Klägerin sei jedoch weder zivilrechtliche noch wirtschaftliche Eigentümerin der Aktien gewesen. Wirtschaftliches Eigentum scheide aus, weil diesem das von B initiierte und modellhaft aufgelegte Gesamtvertragskonzept entgegenstehe. Die Wertpapierleihe habe im untrennbaren Zusammenhang mit den Finanzierungs-,  Wertpapierleih- und Swapgeschäften gestanden haben, weswegen der Klägerin eine nennenswerte Inanspruchnahme der mit dem Innehaben der Wertpapiere verbundenen Rechte und Pflichten verwehrt gewesen sei.

Ob ein Anteilserwerber im Falle eines Leerverkaufs im Zeitpunkt des Vertragsschlusses wirtschaftliches Eigentum erwerben kann bzw. ob cum/ex-Geschäfte gestaltungsmissbräuchlich sind, war nicht erheblich: Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse habe der Klägerin kein wirtschaftliches Eigentum an den Aktien zugestanden. Daher seien Ihr die Einnahmen daraus steuerlich nicht zuzurechnen gewesen. Daher sei die Klägerin auch nicht berechtigt, sich KapErtrSt anrechnen zu lassen. Die Frage, ob ein Anteilserwerber auch im Falle eines sog. Leerverkaufs im Zeitpunkt des Vertragsschlusses wirtschaftliches Eigentum erwerben könne, sei deshalb genauso unerheblich wie die Frage, ob die getroffenen Transaktionen in ihrer Gesamtschau als gestaltungsmissbräuchlich anzusehen seien.

Beraterhinweis: Zu der vielbeachteten Thematik der sog. cum/ex-Geschäfte musste der BFH dieses Mal noch keine steuerliche Wertung abgeben. Die Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit bleibt folglich offen. Für den Aufschub hatte der I. Senat nachvollziehbare Gründe. Die mit dem Aktienerwerb abgeschlossenen Verträge ließen in ihrer kumulativen Wirkung keinen Spielraum für die Annahme, die Klägerin habe den zivilrechtlichen Eigentümer – die Bank B – von der Einwirkung auf die Aktien wirtschaftlich ausschließen können. Auch wenn es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt, wird sie Signalwirkung auf vergleichbare Vertragskonstellationen haben.

RA Sebastian Hartrott, München

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 13.10.2014 17:13

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