Otto Schmidt Verlag


Kein Abzug der Leistungen des Nutzungsberechtigten als Sonderausgaben beim Wirtschaftsüberlassungsvertrag

Nach der Neufassung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG durch das JStG 2008 sind auf einem Wirtschaftsüberlassungsvertrag beruhende Leistungen des Nutzungsberechtigten an den Überlassenden nicht als Sonderausgaben abziehbar.

BFH v. 25.6.2014 – X R 16/13

Der Kläger (K) erzielt aus der Bewirtschaftung des seinem Großvater G gehörenden Hofs Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (LuF). 1989 hatte G durch einen Wirtschaftsüberlassungsvertrag die Bewirtschaftung des Hofs dem Vater des K überlassen. Der Wirtschaftsübernehmer verpflichtete sich zur Übernahme aller den Hof betreffenden Steuern und Lasten sowie des Kapitaldienstes der beim „Pachtbeginn“ vorhandenen Belastungen, der Gebäudeversicherungsprämie, zur laufenden Gebäudeunterhaltung etc. Außerdem hatten „die Verpächter“ das Recht der freien Mitbenutzung der ganzen Hofstelle und bei Gründung eines eigenen Haushalts einen Anspruch auf Lieferung der im Betrieb gewonnenen Lebensmittel in ausreichender Menge und Qualität. Mit Vereinbarung vom 30.11.2008 trat K als Wirtschaftsübernehmer in den Vertrag ein und übernahm die 1989 vereinbarten vertraglichen Regelungen. Das FA erkannte die im Jahr 2009 geltend gemachten Versorgungsleistungen aufgrund des Wirtschaftsüberlassungsvertrags i.H.v. 6.160 € nicht als Sonderausgaben (SA) an, da es sich um einen Neuvertrag handelte, bei dem die Leistungen nach dem BMF-Schreiben vom 11.3.2010 (IV C 3 - S 2221/09/10004 – DOK 2010/0188949, BStBl. I 2010, 227) nicht mehr berücksichtigt werden könnten. Die Klage war erfolgreich, da die Rspr. Wirtschaftsüberlassungsverträge Vermögensübergaben gegen Versorgungsleistungen gleichgestellt habe.

Der BFH gab der Revision des FA statt und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das FG zurück zur Prüfung, ob die Versorgungsleistungen als Betriebsausgaben abzugsfähig seien.

Sonderausgabenabzug von Versorgungsleistungen: Die Abzugsfähigkeit der Leistungen des K an seinen Großvater als SA richtet sich nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG i.d.F. des JStG 2008, da K nach dem 31.12.2007 in den Wirtschaftsüberlassungsvertrag eingetreten ist. Hiernach sind auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende, lebenslange und wiederkehrende Versorgungsleistungen als SA abziehbar, wenn sie im Zusammenhang mit der Übertragung u.a. eines Betriebs stehen.

Bisherige Rechtslage bei Wirtschaftsüberlassungsverträgen: Nach der bis zum 31.12.2007 geltenden Rechtslage konnte gem. der – in der Literatur umstrittenen – Rspr. des BFH der Nutzungsberechtigte eines Wirtschaftsüberlassungsvertrags grundsätzlich die vertragsgemäß übernommenen Leistungen als SA (dauernde Lasten) abziehen, sofern es sich nicht um Unterhaltsleistungen handelte, da ein solcher Vertrag i.d.R. einer Vermögensübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge oder dem Erbfall selbst vorangehe.

Ab 1.1.2008 kein SA-Abzug mangels Vermögensübertragung: Ab der Neufassung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG durch das JStG 2008 sind auf einem Wirtschaftsüberlassungsvertrag beruhende Leistungen des Pächters an den Verpächter nicht mehr als SA abziehbar. Kennzeichnend für den Vertragstypus der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen ist u.a., dass Vermögen in Vorwegnahme der künftigen Erbfolge übertragen wird und die Eltern wirtschaftlich gesichert werden. Der Vermögensübergeber behält sich in Gestalt der Versorgungsleistungen typischerweise Erträge seines Vermögens vor, die nunmehr vom Vermögensübernehmer erwirtschaftet werden müssen. Bei einem Wirtschaftsüberlassungsvertrag erfolgt keine solche vorweggenommene Vermögensübertragung: Der Hofeigentümer behält sein Vermögen und überlässt dem Nutzungsberechtigten lediglich die Nutzung des Vermögens gegen Übernahme verschiedener Verpflichtungen, ohne wirtschaftlicher Eigentümer gem. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO zu werden. Der Unterschied zum üblichen Pachtvertrag besteht nur insoweit, als der monatliche Pachtzins nicht ausschließlich in Geld vereinbart wird, sondern altenteilsähnliche Leistungen – wie freie Nutzung, Übernahme von Beiträgen sowie Kapitaldienst und u.U. Versorgung mit Lebensmitteln etc. – hinzukommen.

Keine Gültigkeit der Rspr. zur bisherigen Rechtslage aufgrund Gesetzesneufassung: Auch die Rspr. des BFH zu § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a.F. ging davon aus, dass ein Wirtschaftsüberlassungsvertrag noch keine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen darstellt. Die entsprechende Anwendung der Vorschrift wurde damit begründet, es handele sich um einen familienrechtlichen Vertragstypus mit erbrechtlichem Bezug, dem in aller Regel die Vermögensübertragung in Vorwegnahme der künftigen Erbregelung folge oder der durch den Erbfall selbst beendet werde. Durch § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG n.F. werden jedoch die Voraussetzungen des SA-Abzugs bei Vermögensübergaben gegen Versorgungsleistungen detailliert und abschließend geregelt. Danach ist ein SA-Abzug nur eröffnet für Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit der Übertragung u.a. eines Betriebs. Der Gesetzgeber wollte durch die Neufassung nur Vermögensübertragungen im Zusammenhang mit Betriebsvermögen begünstigen. Hätte er einen SA-Abzug bei Wirtschaftsüberlassungsverträgen zulassen wollen, hätte er dies ausdrücklich regeln müssen. Für eine über den Wortlaut der Vorschrift hinausgehende Auslegung ist somit kein Raum.

Keine Gleichstellung von Wirtschaftsüberlassungsverträgen mit Vermögensübergaben: Wirtschaftsüberlassungsverträge müssen auch nicht Vermögensübergaben gegen Versorgungsleistungen gleichgestellt werden: Überlässt der Hofeigentümer seinen LuF-Betrieb zu einem angemessenen oder zu einem unangemessen niedrigen Entgelt, sind dessen Aufwendungen für die altenteilsähnlichen Leistungen als Betriebsausgaben (BA) abziehbar (gleichgültig, ob er seinen Gewinn nach § 13 EStG oder § 13a EStG ermittelt; vgl. § 13a Abs. 3 Satz 2 EStG). Bei einem höheren als dem marktüblichen Entgelt ergibt sich die auf den unangemessenen Teil beschränkte Nichtabzugsfähigkeit aus § 12 Nr. 2 EStG. Vorliegend ist weiter völlig offen, ob der Nutzungsberechtigte, der K, oder ein anderer, z.B. der Vater oder der Onkel des K, Hoferbe wird, sodass auch nicht zwingend von einer vorweggenommenen Erbfolge gesprochen werden kann.

Keine Beibehaltung der bisherigen Behandlung nach Treu und Glauben: Der Grundsatz von Treu und Glauben fordert nicht die Beibehaltung der bisherigen steuerrechtlichen Behandlung der Versorgungsleistungen aufgrund von Wirtschaftsüberlassungsverträgen als dauernde Last, da dieser Grundsatz infolge der Gesetzesänderung nicht anwendbar ist (wird näher ausgeführt).

Kein Verstoß gegen Gleichbehandlungsgrundsatz: Es ist auch nicht aus Gründen der Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG geboten, § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG n.F. auf Wirtschaftsüberlassungsverträge entsprechend anzuwenden. Es ist für sie kennzeichnend, dass bei ihnen der Vermögensübergang fehlt, der die Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen gerade auszeichnet. Dieser wesentliche Unterschied rechtfertigt es, beide Vertragstypen unterschiedlich zu behandeln.

Abzug als BA nach § 13a Abs. 3 Satz 2 EStG: Das FG hat im zweiten Rechtsgang zu prüfen, ob und ggf. in welcher Höhe die vom K geltend gemachten Altenteilsleistungen an seinen Großvater nach § 13a Abs. 3 Satz 2 EStG abziehbar sind. Feststellungen des FG zu der Frage, wie sich die geltend gemachten Versorgungsleistungen i.H.v. 6.160 € zusammensetzen, fehlen. Angesichts der Tatsache, dass der Wirtschaftsüberlassungsvertrag lediglich 2,73 ha landwirtschaftliche Fläche und 2,95 ha hinzugepachtete Fläche erfasst, ist im Hinblick auf § 12 EStG zu prüfen, inwieweit die Leistungen des K mit den LuF-Einkünften bzw. mit privaten Lebensführungskosten im Zusammenhang stehen.

Beraterhinweis: Der BFH stellt mit diesem Urteil also klar, dass die bisherige Rspr. des BFH zur Gleichbehandlung von Vermögensübertragungen und Wirtschaftsüberlassungsverträgen gegen lebenslängliche Versorgungsleistungen in Anbetracht der Neufassung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG nicht mehr anwendbar ist. Die Abzugsfähigkeit ist nur gegeben bei Übertragung des in der Norm genannten Vermögens. Die Einräumung von Nutzungsrechten begründet auch bei solchen an Betriebsvermögen etc. nicht die Abzugsfähigkeit der Versorgungsleistungen als Sonderausgaben. Die Versorgungsleistungen können aber Betriebsausgaben darstellen, soweit sie mit den Einkünften zusammenhängen, die dem Nutzungsberechtigten zuzurechnen sind.

RD a.D. Michael Marfels, Nordkirchen

Service: BFH v. 25.6.2014 – X R 16/13

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 11.09.2014 16:25

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