Otto Schmidt Verlag


Heileurythmie als außergewöhnliche Belastung

Die Heileurythmie ist ein Heilmittel i.S.d. §§ 2 und 32 SGB V, sodass Aufwendungen für eine heileurythmische Behandlung als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können. Die Zwangsläufigkeit entsprechender Aufwendungen kann durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers nachgewiesen werden. Ein vor Beginn der Heilbehandlung erstelltes amtsärztliches Gutachten oder erteilte ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung ist nicht erforderlich.

BFH v. 26.2.2014 – VI R 27/13

Die Beteiligten streiten darüber, ob Aufwendungen für heileurythmische Behandlungen als außergewöhnliche Belastungen (agB) i.S.d. § 33 EStG steuermindernd zu berücksichtigen sind. Die Klage gegen den Nichtansatz einer entsprechenden agB war erfolgreich.

Der BFH wies die Revision des FA als unbegründet zurück.

Außergewöhnliche Belastungen: Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse etc. erwachsen. Die Aufwendungen sind zwangsläufig, wenn man sich ihnen u.a. aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Nicht als agB anzusetzen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind.

Krankheitskosten als agB: In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten – ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung – aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Dies gilt aber nur für solche Aufwendungen, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit (z.B. Medikamente, Operation) oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglich zu machen, beispielsweise Aufwendungen für einen Rollstuhl. Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung werden zur Vermeidung des unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre typisierend als agB berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit dem Grunde und der Höhe nach bedarf, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt (vertretbar) sind und vorgenommen werden.

Nachweis der Zwangsläufigkeit: Die Zwangsläufigkeit von krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 SGB V) ist durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers nachzuweisen (§ 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV). In den abschließend geregelten Katalogfällen des § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV ist der Nachweis der Zwangsläufigkeit durch ein vor Beginn der Heilmaßnahme ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V) zu führen. Ein solcher qualifizierter Nachweis ist auch bei Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden, wie z.B. Frisch- und Trockenzellenbehandlungen, Sauerstoff-, Chelat- und Eigenbluttherapie (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. f EStDV), erforderlich.

Kein qualifizierter Nachweis bei in § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB V genannten Behandlungsmethoden: Die dort genannten besonderen Therapierichtungen gehören hierzu jedoch nicht. Hierunter sind umfassende, zur Behandlung verschiedenster Erkrankungen bestimmte therapeutische Konzepte zu verstehen, die auf der Grundlage eines von der naturwissenschaftlich geprägten „Schulmedizin“ sich abgrenzenden, weltanschaulichen Denkansatzes größere Teile der Ärzteschaft und weite Bevölkerungskreise für sich eingenommen haben. Hierzu sind jedenfalls die Homöopathie, Anthroposophie (mit dem Heilmittel „Heileurythmie“) und Phytotherapie zu zählen. Um wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden i.S.d. § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. f EStDV handelt es sich insoweit nicht, zumal Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen gem. § 2 Abs. 1 Satz 2, § 34 SGB V vom Leistungsrahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht ausgeschlossen sind. Ein vorheriges amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V) ist daher nicht erforderlich; vielmehr reicht eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers aus.

Entscheidung im Streitfall: Hiernach hat die Klägerin die Zwangsläufigkeit der streitigen Aufwendungen in der nach § 64 Abs. 1 EStDV gebotenen Form nachgewiesen, sodass diese Kosten deshalb nach § 33 Abs. 1 EStG als agB zu berücksichtigen sind. Die Heileurythmie ist ein Heilmittel i.S.d. §§ 2 und 32 SGB V, da es sich um eine ärztlich verordnete Dienstleistung handelt, die einem Heilzweck dient oder einen Heilerfolg sichern soll und nur von entsprechend ausgebildeten, berufspraktisch erfahrenen Personen erbracht wird, zumal es nach dem SGB V den Krankenkassen möglich ist, derartige Leistungen zu übernehmen.

Beraterhinweis: Der BFH stellt klar, dass die ärztlich verordnete Eurythmiebehandlung zu Aufwendungen führt, die als agB bei der Einkommensermittlung anzusetzen sind.

RD a.D. Michael Marfels, Nordkirchen
Service: BFH v. 26.2.2014 – VI R 27/13

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 25.06.2014 15:19

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