Otto Schmidt Verlag


Verfassungsmäßigkeit des Abzugsverbots für Gewerbesteuer

Die Nichtabzugsfähigkeit der Gewerbesteuer von der Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer ist verfassungsgemäß.

BFH v. 16.1.2014 – I R 21/12

Die Klägerin (K), eine GmbH, die die für ihren Betrieb wesentlichen Betriebsgrundlagen pachtet, begehrte erfolglos die Anerkennung der von ihr geschuldeten Gewerbesteuer als Betriebsausgabe bei der Ermittlung des körperschaftsteuerpflichtigen Einkommens. Das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5b EStG verstoße insbesondere bei "pachtintensiven" Betrieben u.a. gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Klage blieb erfolglos.

Der BFH wies die Revision der K als unbegründet zurück, da das Abzugsverbot nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.

Allgemeiner Gleichheitsgrundsatz: Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ist für die direkten Steuern sowohl ein systemtragendes Prinzip abzuleiten   die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuersubjekts   als auch das Gebot, dieses Prinzip bei der Ausgestaltung des einfachen Rechts folgerichtig umzusetzen. Zur Ermittlung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuersubjekts bedarf es eines Ausgleichs zwischen den von ihm erwirtschafteten besteuerbaren Einnahmen und den zur Erzielung dieser Einnahmen aufgewendeten Ausgaben. Das damit beschriebene ("objektive") Nettoprinzip ist jedenfalls einfachgesetzlich in § 2 Abs. 2 EStG 2002 n.F. angelegt.

Einschränkung des Nettoprinzips durch das Abzugsverbot: Die Regelung des § 4 Abs. 5b EStG schränkt das objektive Nettoprinzip ein. Zwar ist die Gewerbesteuer als ertragsorientierte Objektsteuer trotz des Wortlauts des § 4 Abs. 5b EStG der Sache nach eine betrieblich veranlasste Aufwendung i.S.d. § 4 Abs. 4 EStG. § 4 Abs. 5b EStG bewirkt damit ein steuerliches Abzugsverbot für die Betriebsausgabe Gewerbesteuer. Hierdurch wird das objektive Nettoprinzip eingeschränkt, indem die mit der Gewerbesteuerpflicht verbundene Verminderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bei der Bemessung der Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer nicht berücksichtigt wird.

Sachliche Rechtfertigung der Einschränkung: Die sonach vorhandene Beeinträchtigung des objektiven Nettoprinzips durch § 4 Abs. 5b EStG lässt sich für Körperschaften sachlich hinreichend begründen und verstößt nicht gegen den Grundsatz der Folgerichtigkeit. Es bestehen im Ausgangspunkt keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass neben der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer zusätzlich auch Gewerbesteuer erhoben wird. Auch ist kein zwingendes verfassungsrechtliches Gebot erkennbar, dem zufolge die mit einer dieser Steuerarten verbundenen Lasten im Rahmen der Bemessungsgrundlage der jeweils anderen Steuerart berücksichtigt werden müssten. Der bis 2007 mögliche Abzug der Gewerbesteuer von der Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer beruhte nicht auf einer verfassungsrechtlichen Vorgabe, sondern auf einer Entscheidung des (einfachen) Gesetzgebers. Dieser war verfassungsrechtlich nicht grundsätzlich gehindert, die Abzugsfähigkeit zu modifizieren oder ganz abzuschaffen. Mit dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 wurde der Körperschaftsteuersattz von 25 % auf 15 % gesenkt und die Gewerbesteuermesszahl von maximal 5 % auf einheitlich 3,5 % verringert, so dass die nominale Belastung der Unternehmensgewinne   bei einem Gewerbesteuerhebesatz von 400 %   nur noch bei 29,83 % lag. Damit sollte der fiskalische Anreiz, Gewinne ins Ausland zu verlagern, gemindert und der Standort Deutschland attraktiver für ausländische Direktinvestitionen werden. Zugleich sollte zur Kompensation der geringeren nominalen Steuerbelastung die steuerliche Bemessungsgrundlage durch verschiedene Maßnahmen vergrößert und verstetigt werden, wie insbesondere die Einführung der sog. Zinsschranke (§ 4h EStG), die Erweiterung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungstatbestände und eben die Abschaffung der Abzugsfähigkeit der Gewerbesteuer gem. § 4 Abs. 5b EStG von den Bemessungsgrundlagen der Einkommen- und Körperschaftsteuer als auch jener der Gewerbesteuer selbst. Bei Personenunternehmen, die von der Absenkung des Körperschaftsteuersatzes nicht profitierten, wurde das Abzugsverbot für die Gewerbesteuer wiederum mit der Erhöhung des Anrechnungsfaktors der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer von 1,8 auf 3,8 kompensiert, was bei einem bundesweit durchschnittlichen Gewerbesteuerhebesatz von 400 % zu einer vollständigen Entlastung der Personenunternehmen von der Gewerbesteuerschuld führen sollte.

Gesetzgeberische Begründung des Abzugsverbots: Das Abzugsverbot für die Gewerbesteuer ist vom Gesetzgeber zudem damit begründet worden, dass das bis dahin bestehende System der Unternehmensbesteuerung unübersichtlich und reformbedürftig sei: Die Gewerbesteuer sei als Betriebsausgabe bei der Bemessung der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer zu berücksichtigen und mindere damit auch ihre eigene Bemessungsgrundlage; zudem werde bei Personenunternehmen die Gewerbesteuer pauschal auf die Einkommensteuerschuld angerechnet; insgesamt zeige sich somit ein intransparentes Zusammenwirken der unterschiedlichen Steuern. Weiterhin führe die Abzugsfähigkeit der Steuern untereinander dazu, dass die Einnahmenströme der Gebietskörperschaften miteinander vermischt würden; dadurch werde eine genaue Zurechnung der Steuerbelastung auf die verschiedenen Gebietskörperschaften erschwert. Dies sei eine Folge des Betriebsausgabenabzugs, dessen Wirkung von der Höhe des Körperschaftsteuersatzes abhänge; werde der Gewerbesteuerhebesatz erhöht, werde ein Teil dieser kommunalen Steuererhöhung wiederum über den Betriebsausgabenabzug bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer auf andere Gebietskörperschaften übertragen. Mit den Neuregelungen werde die Transparenz der Besteuerung erhöht, weil die nominale Belastung etwa bei Kapitalgesellschaften einfach durch Addition der nominalen Belastung durch Gewerbesteuer einerseits und Körperschaftsteuer sowie Solidaritätszuschlag andererseits ermittelt werden könne. Bei Personenunternehmen werde die entlastende Wirkung der pauschalen Gewerbesteueranrechnung ebenfalls klarer; statt die Gewerbesteuerschuld von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer abzuziehen und später auch noch in pauschaler Form von der Einkommensteuerschuld, gebe es nur noch den pauschalierten, auf die tatsächlich gezahlte Gewerbesteuer begrenzten Abzug von der Einkommensteuerschuld. Die Abschaffung des Gewerbesteuerabzugs (auch) von der körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage ist demnach Bestandteil einer Reform der Unternehmensbesteuerung mit für den Steuerpflichtigen teilweise belastenden, teilweise aber auch entlastenden Wirkungen.

Keine Besonderheiten bei pachtintensiven Betrieben: Soweit K geltend macht, in ihrem Fall nehme die Gewerbesteuer wegen der Hinzurechnungen von Pachtentgelten nach § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG einen Umfang an, der durch die Absenkung des Körperschaftsteuersatzes von 25 % auf 15 % nicht aufgefangen werde, ändert das nichts an der Bewertung der Reformzwecke als sachliche Gründe für eine Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips. Die Rechtfertigung setzt nicht voraus, dass die verschiedenen vorgesehenen Kompensationswirkungen innerhalb der Gesamtreform in jedem Einzelfall vollständig zur Geltung kommen und somit sämtliche Steuerpflichtigen nach der Reform nicht schlechter dastehen als vorher.

Keine Verletzung des subjektiven Nettoprinzips: Im Hinblick auf die Höhe der Gesamtsteuerbelastung der K liegt keine Verletzung des sog. subjektiven Nettoprinzips vor, da die daraus folgende Sicherstellung des Existenzminimums nicht für Kapitalgesellschaften gilt. Der Gedanke der Sicherung des Existenzminimums ist auf die Berücksichtigung unvermeidbarer Privataufwendungen zugeschnitten und lässt sich auf Kapitalgesellschaften, die über keine außerbetriebliche Sphäre verfügen, nicht übertragen.

Kein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie: Auch ein Verstoß des § 4 Abs. 5b EStG gegen die Eigentumsgarantie aus Art. 14 GG liegt nicht vor. Zwar wird hierdurch auch eine Kapitalgesellschaft geschützt. Jedoch liegt in dem Abzugsverbot aus den vorgenannten Gründen jedenfalls eine verfassungsrechtlich zulässige Bestimmung der Schranken jenes Eigentumsrechts i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG.

Beraterhinweis: Der BFH begründet die Verfassungsmäßigkeit der Einführung des Abzugsverbots für die betrieblich veranlasste Gewerbesteuer mit der Umstellung der Besteuerung von Kapitalgesellschaften durch niedrigere Steuersätze einerseits und der erhöhten Anrechnungsmöglichkeit der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer bei Einzelunternehmern und Personengesellschaften. Nach Ansicht des BFH liegen ausreichende sachliche Gründe für die Ungleichbehandlung vor, so dass letztlich Art. 3 GG nicht verletzt ist.

RD a.D. Michael Marfels, Nordkirchen

Service: BFH v. 16.1.2014 - I R 21/12

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 16.05.2014 09:08

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