Otto Schmidt Verlag


Abzug nachträglicher Schuldzinsen bei Vermietungseinkünften nach nicht steuerbarer Veräußerung

Schuldzinsen für Verbindlichkeiten, welche der Finanzierung von Anschaffungskosten eines vermieteten Wohnobjekts dienten, können auch nach einer nicht steuerbaren Veräußerung der Immobilie grundsätzlich weiter als (nachträgliche) Werbungskosten abgezogen werden, wenn und soweit die Verbindlichkeiten durch den Veräußerungserlös nicht getilgt werden können. Dies gilt auch für Schuldzinsen für ein Refinanzierungs- oder Umschuldungsdarlehen. Bei einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft ist nach deren Beendigung das zur Finanzierung der Anschaffungskosten aufgenommene Darlehen dem Gesellschafter grundsätzlich in dem Umfang zuzurechnen, in dem ihm vormals auch Einkünfte anteilig zuzurechnen waren.

BFH v. 8.4.2014 – IX R 45/13

Der Kläger (K) war an einer GbR beteiligt, die im Jahr 1996 ein zur Vermietung bestimmtes Mehrfamilienhaus in X errichtete. Die GbR veräußerte das Objekt nach Ablauf der Veräußerungsfrist nicht steuerbar im Jahr 2007. Der in 2008 gezahlte Erlös reichte indes nicht aus, um die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Darlehensverbindlichkeiten der GbR vollständig auszugleichen. Das verbliebene Darlehen wurde anteilig durch den Gesellschafter A getilgt. Die danach noch verbliebene Darlehensrestschuld i.H.v. 60.000 € übernahm K ebenso wie die am Jahresende 2008 bestehende Bank-Kontokorrentschuld der GbR i.H.v. 12.000 €. Sodann wurde die GbR noch im Jahr 2008 aufgelöst. Zur Finanzierung der übernommenen Darlehensrestschuld sowie der Kontokorrentschuld der GbR nahm K im Dezember 2008 ein neues Darlehen über 72.000 € auf; die hierauf in 2009 und 2010 gezahlten Schuldzinsen machte K als Werbungskosten geltend, was das FA jedoch ablehnte, da das maßgebliche Objekt nicht steuerbar veräußert worden sei. Das FG gab der Klage statt.

Der BFH gab der Revision des FA statt und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das FG zurück.

Werbungskosten bei Vermietungseinkünften: Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 und 3 Nr. 1 EStG u.a. auch Schuldzinsen, soweit diese z.B. mit Vermietungseinkünften i.S.d. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Dieser Zusammenhang ist nach der Rechtsprechung des BFH gegeben, wenn ein objektiver Zusammenhang dieser Aufwendungen mit der Überlassung eines Vermietungsobjekts zur Nutzung besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung dieser Nutzungsüberlassung gemacht werden. Mit der erstmaligen (d.h. tatsächlichen) Verwendung eines Darlehens zur Anschaffung eines Vermietungsobjekts wird die maßgebliche Verbindlichkeit diesem Verwendungszweck unterstellt.

Anerkennung nachträglicher Schuldzinsen: Der BFH hat die in der früheren Rechtsprechung vertretene Auffassung zur beschränkten Abziehbarkeit nachträglicher Schuldzinsen bei den Vermietungseinkünften aufgegeben: Die bisherige Rechtsprechung war von der Erwägung getragen, der o.g. wirtschaftliche Zusammenhang sei mit der Veräußerung des Grundstücks beendet und das anschließend fortbestehende (Rest-)Darlehen habe seine Ursache in dem im privaten Vermögensbereich erlittenen, nicht steuerbaren Veräußerungsverlust. Diese Begründung ließ sich vor dem Hintergrund der mit dem StEntlG 1999/2000/2002 getroffenen gesetzgeberischen Grundentscheidung, Wertsteigerungen bei der Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Privat-vermögens in deutlich erweitertem Umfang zu erfassen, nicht länger aufrecht erhalten. Der BFH hat daher diese veränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen zum Anlass genommen, seine von der sog. „Surrogationsbetrachtung“ getragene Rechtsprechung, mit der er auch schon bisher den Abzug „nachträglicher“ Schuldzinsen bei den Vermietungseinkünften unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen hat, zu erweitern, um die notwendige steuerrechtliche Gleichbehandlung von nachträglichen Schuldzinsen bei den Gewinn- und den Überschusseinkünften wieder herzustellen.

Surrogationsbetrachtung: Die bei allen Einkünften i.S.d. § 2 Abs. 1 EStG anwendbare Surrogationsbetrachtung geht davon aus, dass die für ein zurückbehaltenes bzw. aufrechterhaltenes Darlehen gezahlten Zinsen unter bestimmten Voraussetzungen weiter als Werbungskosten oder Betriebsausgaben bei der neuen Einkunftsquelle zu berücksichtigen sein können, wenn ein einzelnes Wirtschaftsgut (oder eine komplette Organisationseinheit, wie z.B. ein Betrieb), in das (oder in die) der Steuerpflichtige Darlehensmittel investiert hat, veräußert und der Veräußerungserlös seinerseits zum Zwecke der Einkunftserzielung eingesetzt wird. Die Anwendung der Surrogationsbetrachtung bei der Prüfung des – fortdauernden   Veranlassungszusammenhangs im Falle von Änderungen in der Verwendung von Darlehensmitteln entspricht der ständigen, von der Finanzverwaltung in vollem Umfang akzeptierten Rechtsprechung des BFH. Auch die Finanzverwaltung sieht es im Hinblick auf die steuerliche Gleichbehandlung von nachträglichen Schuldzinsen bei Gewinn- und Überschusseinkunftsarten als notwendig an, Schuldzinsen, die bisher ohne Rückgriff auf die Surrogationsbetrachtung aus anderen Erwägungen als nachträgliche Werbungskosten bei den Vermietungseinkünften Anerkennung fanden, künftig nach diesem, für alle Einkünfte einheitlichen Maßstab und unter Berücksichtigung des sog. Grundsatzes des Vorrangs der Schuldentilgung zu behandeln.

Wirtschaftlicher Zusammenhang trotz nicht steuerbarer Objektveräußerung: Die Übertragung dieser Erwägungen auf die Vermietungseinkünfte führt dazu, dass ein einmal begründeter (und zwischenzeitlich auch nicht aus anderen Gründen weggefallener) wirtschaftlicher Veranlassungszusammenhang eines Darlehens mit Einkünften i.S.d. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht allein deshalb entfällt, weil die mit den Darlehensmitteln angeschaffte Immobilie veräußert wird. Vielmehr setzt sich dieser ursprüngliche Veranlassungszusammenhang   unabhängig von der Veräußerung und mithin auch unabhängig von der Frage ihrer Steuerbarkeit   am Veräußerungspreis fort. Daher sind nachträgliche Schuldzinsen, die auf ein solches Darlehen entfallen, grundsätzlich auch nach einer Veräußerung der Immobilie außerhalb der Frist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG weiter als Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn und soweit die Verbindlichkeiten durch den Veräußerungserlös nicht getilgt werden können.

Verwendung des Veräußerungserlöses maßgebend: Für die Berücksichtigung nachträglicher Schuldzinsen bei den Einkünften i.S.d. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist daher maßgeblich, was mit dem Veräußerungspreis geschieht. Wird damit eine neue Einkunftsquelle   etwa ein Vermietungsobjekt   angeschafft, besteht der Zusammenhang am neuen Objekt fort. Wird kein neues Objekt und auch keine anderweitige Einkunftsquelle angeschafft, kommt es darauf an, ob der Verkaufserlös ausreicht, um das Darlehen abzulösen. Ist dies der Fall, endet der wirtschaftliche Zusammenhang i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG mit der Einkunftsart Vermietung, und zwar unabhängig davon, ob das Darlehen tatsächlich abgelöst oder ob der Veräußerungserlös anderweitig (privat) verwendet wird und das Darlehen bestehen bleibt. Denn im letztgenannten Fall wird der grundsätzlich fortbestehende Veranlassungszusammenhang von einer privat motivierten Entscheidung   die Nichtablösung des Darlehens bzw. der anderweitigen Verwendung des Verkaufserlöses   ersetzt. Ein dahin gehendes, privat motiviertes Verhalten stünde zudem im Widerspruch zu dem aus den gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen der §§ 734, 735 BGB und § 145 HGB abgeleiteten und im Rahmen der Berücksichtigung nachträglicher Schuldzinsen bei den Vermietungseinkünften sinngemäß anzuwendenden sog. Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung. Hiernach hat die Tilgung von Schulden der Gesellschaft im Zuge ihrer Auflösung - mittels des dem Gesellschafter zur Verfügung stehenden (Betriebs-)Vermögens - Vorrang vor der Befriedigung privater Bedürfnisse der Gesellschafter oder ihrer Ansprüche gegenüber der Gesellschaft. Übertragen auf die Vermietungseinkünfte bedeutet dies, dass der aus der Veräußerung der bislang vermieteten Immobilie erzielte Erlös - soweit nicht Tilgungshindernisse entgegenstehen - stets und in vollem Umfang zur Ablösung eines im Zusammenhang mit der Einkünfteerzielung aufgenommenen Darlehens verwenden werden muss.

Nicht ausreichender Veräußerungserlös: Reicht der Verkaufserlös aber nicht aus, ein hierfür aufgenommenes Darlehen abzulösen, bleibt - in einem ersten Schritt - der nicht ablösbare Teil des (fortgeführten) Anschaffungsdarlehens im Zusammenhang mit den Vermietungseinkünften.

Schuldzinsen für Refinanzierungs- und Umschuldungsdarlehen: Da die Rechtsprechung des BFH zur Anerkennung von Schuldzinsen als Werbungskosten nicht allein auf den ursprünglichen, mit der Schuldaufnahme verfolgten Zweck und damit ausschließlich auf die erstmalige Verwendung der Darlehensmittel abstellt, können - in einem zweiten Schritt - auch auf ein Refinanzierungs- oder Umschuldungsdarlehen gezahlte Schuldzinsen dem Grunde nach durch die (frühere) Einkünfteerzielung veranlasst sein. Vor diesem Hintergrund kann auch ein Darlehen, das nicht unmittelbar dazu dient, Anschaffungskosten oder Herstellungskosten eines Vermietungsobjekts zu finanzieren, sondern aufgenommen wird, um ein bereits früher aufgenommenes und nach Veräußerung der Immobilie fortgeführtes Anschaffungsdarlehen umzuschulden, mit Blick auf die Surrogationsbetrachtung noch in einem mittelbaren - und damit hinreichenden - wirtschaftlichen Zusammenhang i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG mit der Einkunftsart Vermietung stehen. Hat das „Altdarlehen“ der Finanzierung der Anschaffungskoten oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts gedient, dient in diesen Fällen - wirtschaftlich gesehen - auch das umgeschuldete „neue Darlehen“ (noch immer) der Finanzierung dieser Anschaffungskoten oder Herstellungskosten, soweit die Valuta des Umschuldungsdarlehens nicht über den abzulösenden Restdarlehensbetrag hinausgeht und die Umschuldung sich im Rahmen einer marktüblichen Finanzierung - wozu regelmäßig auch eine vertraglich fixierte Tilgungsvereinbarung gehört - bewegt.

Gesellschafterbezogene Betrachtung bei Personengesellschaften: Wurde die ursprüngliche steuerbare Tätigkeit in gesellschaftsrechtlicher Verbundenheit ausgeübt, ist es für die Berücksichtigung von nachträglichen Schuldzinsen nach Veräußerung der vermieteten Immobilie überdies von Bedeutung, in welchem Umfang der Gesellschafter seinerzeit den objektiven Tatbestand des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG selbst erfüllt hat. Die Frage nach dem objektiven Tatbestand des § 21 EStG ist dabei vornehmlich eine Frage der Zurechnung von Einkünften; für die Zurechnung von Mietobjekten - auch für Darlehen - gilt insoweit die Bruchteilsbetrachtung. War der Gesellschafter - wie im Streitfall - an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft beteiligt, ist ihm daher ein von der Gesellschaft zur Finanzierung der Anschaffungskosten eines Mietobjekts aufgenommenes und ursprünglich durch diese Einkünfteerzielung veranlasstes Darlehen nach der Beendigung der Gesellschaft grundsätzlich in dem gleichen Umfang zuzurechnen, in dem ihm vormals auch Einkünfte anteilig zuzurechnen waren. Jedenfalls in diesem Umfang kann der Gesellschafter - unter den genannten weiteren Voraussetzungen - grundsätzlich auch Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten geltend machen.

Beraterhinweis: Der BFH bestätigt seine Rechtsprechung, nach der Schuldzinsen für ein Darlehen zur Finanzierung der Anschaffungskosten eines Vermietungsobjekts auch nach der Objektveräußerung weiterhin in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der früheren Vermietungstätigkeit stehen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Veräußerung steuerpflichtig oder nichtsteuerbar erfolgte. Dieser Grundsatz wird erweitert auf Refinanzierungs- bzw. Umschuldungsdarlehen, soweit diese nicht höher sind als die aus der Herstellung resultierende ursprünglich verbleibende Restdarlehensschuld. Da das FG keine Feststellungen getroffen hatte zur Höhe des Umschuldungsdarlehens bzw. zum Anteil des Klägers an der Restschuld, hat der BFH den Streitfall an das FG zurückverwiesen. Nach dem Sachverhalt war das Umschuldungsdarlehen jedoch nicht höher als die o.g. Restschuld, so dass das FG im zweiten Rechtszug der Klage stattgeben wird. Der BFH stellt darüber hinaus klar, dass diese Grundsätze auch gelten für ein von einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft errichtetes Mietobjekt. Maßgebend ist der Anteil des Restdarlehens, das dem Kläger entsprechend seiner Beteiligung an den Einkünften zuzurechnen ist.

RD a.D. Michael Marfels, Nordkirchen

Service: BFH v. 8.4.2014 – IX R 45/13


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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 16.05.2014 08:59

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