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Erleichterter Nachweis der Zwangsläufigkeit von krankheitsbedingten Aufwendungen für einen Treppenlift

Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens i.S.v. § 33 Abs. 1 SGB V sind nur solche technischen Hilfen, die getragen oder mit sich geführt werden können, um sich im jeweiligen Umfeld zu bewegen, zurechtzufinden und die elementaren Grundbedürfnisse des täglichen Lebens zu befriedigen. Ein Treppenlift ist kein Hilfsmittel im Sinne dieser Legaldefinition. Angesichts des insoweit eindeutigen Wortlauts des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 und des abschließenden Charakters der Katalogtatbestände in § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a bis f EStDV ist die Zwangsläufigkeit, und damit die medizinische Notwendigkeit von Aufwendungen für den Einbau eines solchen Hilfsmittels nicht formalisiert nachzuweisen. 

BFH v. 6.2.2014 – VI R 61/12

Ende des Jahres 2005 ließen sich die Klägerin und ihr Ehemann einen Treppenlift in ihr selbst genutztes Einfamilienhaus einbauen. Hierfür entstanden ihnen Kosten i.H.v. 18.664,45 €. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten sie diese Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung geltend. Hierzu legten sie dem FA ein ärztliches Attest des Internisten und Hausarztes vor, wonach bei dem Kläger eine weitgehende Einschränkung der Gehfähigkeit bestehe. Das FA lehnte den Abzug der Kosten als außergewöhnliche Belastung ab, da die Kläger zuvor ein amtsärztliches Gutachten oder eine Bescheinigung des medizinischen Dienstes der Krankenkasse (MDK) hätten einholen müssen. Das FG hat entschieden, dass die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall nach § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen könnten und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen sei, (wieder) durch ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines MDK zu erbringen sei.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung: In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglich zu machen, beispielsweise Aufwendungen für einen Rollstuhl. Bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangt § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a bis f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 in einer abschließenden Aufzählung ein vor dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines MDK.

Treppenlift kein Hilfsmittel i.S.d. § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStDV: Entgegen der Auffassung des FG beurteilt der BFH einen Treppenlift nicht als ein medizinisches Hilfsmittel, das als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen ist. Damit greift § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStDV n.F. nicht ein mit der Folge, dass die medizinische Notwendigkeit für den Einbau nicht formalisiert durch ein vorheriges amtsärztliches Attest bzw. eine Bescheinigung des MDK nachzuweisen ist. Denn ein Treppenlift ist kein Hilfsmittel im Sinne der Legaldefinition des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStDV, der auf § 33 Abs. 1 SGB V verweist. Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens in diesem Sinne sind nur solche technischen Hilfen, die getragen oder mit sich geführt werden können, um sich im jeweiligen Umfeld zu bewegen, zurechtzufinden und die elementaren Grundbedürfnisse des täglichen Lebens zu befriedigen. Dazu gehört ein Treppenlift nicht.

Beraterhinweis: Es bleibt für den Einbau eines Treppenlifts somit bei den allgemeinen Beweisregeln. Der Fall musste daher zum zweiten Mal an das FG zurückverwiesen werden. Das FG hat die medizinische Notwendigkeit nunmehr nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung aufzuklären. Dazu verweist der BFH allerdings auf seine Rechtsprechung, dass ein von einem Beteiligten vorgelegtes Gutachten lediglich als Privatgutachten zu werten ist und nicht als Nachweis gewertet werden kann. Das FG wird daher ggf. von Amts wegen ein Gutachten erheben müssen.

Mit dieser Entscheidung setzt der VI. Senat des BFH die Reihe der positiven Entscheidungen zur Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen fort. In diesem Zusammenhang ist auch der Hinweis auf das Verfahren VI R 68/13 von Bedeutung. In diesem Verfahren muss der BFH über die Frage entscheiden, ob im Wege einer Billigkeitsentscheidung als außergewöhnliche Belastungen gem. § 33 EStG zu berücksichtigende Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau eines Hauses auf Antrag auf das Jahr der Verausgabung und auf Folgejahre zu verteilen sind. In den Fällen, in denen sich die Kosten für den Einbau eines Treppenlifts in einem Jahr steuerlich nicht voll auswirken, sollten Betroffene gegen die ablehnenden Entscheidungen der FÄ unter Hinweis auf das vorstehende Revisionsverfahren VI R 68/13 Einspruch einlegen, und das Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 AO bis zur Entscheidung durch den BFH beantragen.

StB Dipl.-Finw. (FH) Georg Schmitt, Limburg

Service: BFH v. 6.2.2014 – VI R 61/12

 

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 16.04.2014 08:56

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