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Verfassungsmäßigkeit des Abzugs von Kinderbetreuungskosten bei drei unter vierjährigen Kindern

Es ist verfassungsgemäß, dass der Abzug von Kinderbetreuungskosten vom Vorliegen bestimmter persönlicher Anspruchsvoraussetzungen (Erwerbstätigkeit, Ausbildung, längerfristige Erkrankung, Behinderung u.ä.) abhängig gemacht wird und auch bei zusammenlebenden Eltern mit drei unter vierjährigen Kindern keine zwangsläufige Fremdbetreuungsnotwendigkeit angenommen wird.

BFH v. 14.11.2013 – III R 18/13

In dem Einkommensteuerbescheid der Kläger für das Jahr 2008 hat das FA die von den Klägern geltend gemachten Kinderbetreuungskosten für Kinder unter 3 Jahren nicht als Sonderausgaben anerkannt, da nur ein Elternteil erwerbstätig gewesen sei. Im Klageverfahren tragen die Kläger vor, dass § 4f EStG verfassungswidrig sei, weil ein zu 20 % und 40 % erwerbstätiges Ehepaar die Kosten voll absetzen könne, und bei einem Ehepaar, bei dem ein Partner zu 100 % erwerbstätig sei, keine Abzugsmöglichkeit bestehe. Die Kläger verweisen auch auf das BFH-Urteil vom 5.7.2012 (BFH v. 5.7.2012 - III R 80/09, StBW 2012, 930), in dem der BFH ausgeführt habe, dass ein Bedarf an Fremdbetreuung dann bestehen könne, wenn bei Erwerbstätigkeit eines Elternteils eine größere Zahl von Kindern zu betreuen sei. Dieser Fall sei gegeben, zumal am 19.10.2012 das 6. Kind geboren worden sei. Das FG wies die Klage als unbegründet zurück. Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen, da die bei den Klägern angefallenen Kinderbetreuungskosten nach dem EStG in der im Streitjahr 2008 geltenden Fassung nicht über den vom FA bereits anerkannten Umfang hinaus steuerlich berücksichtigungsfähig sind.

Kein Abzug als Betriebsausgaben: § 4f EStG, der den Abzug erwerbsbedingter Kinderbetreuungskosten im Bereich der Gewinneinkunftsarten und mithin bei den Einkünften aus der selbständigen Tätigkeit des Klägers regelt, ist unanwendbar, weil die zusammenlebenden Kläger nicht beiderseits erwerbstätig waren (§ 4f Satz 2 EStG). Entsprechendes gilt für einen Werbungskostenabzug bei der Klägerin nach § 9 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 4f Satz 2 EStG. Die bloße Vermögensverwaltung durch einen Elternteil in Gestalt der Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen sowie aus privaten Veräußerungsgeschäften stellt keine Erwerbstätigkeit i.S.d. § 4f EStG dar.

Abzugsbeschränkungen verfassungsgemäß: Die in den §§ 4f, 9 Abs. 5 Satz 1 und 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG enthaltenen Beschränkungen des Abzugs dem Grunde nach sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber war ausgehend von seiner Vereinfachungsbefugnis grundsätzlich berechtigt, den Abzug auf die typischen Fälle zu beschränken, in denen Kinderbetreuungskosten zwangsläufig anfallen. Die mit der Beschränkung verbundene Härte, dass im Einzelfall vom Gesetz nicht erfasste Umstände eintreten können, die eine Fremdbetreuung und die Entstehung entsprechender Aufwendungen ebenso unabweisbar machen, haben die davon betroffenen Steuerpflichtigen hinzunehmen.

Ausnahmefall „größere Anzahl“ von Kindern: Der BFH hatte in dem Verfahren III R 80/09 (BFH v. 5.7.2012 - III R 80/09, StBW 2012, 930), in dem Kinderbetreuungskosten für zwei Kleinkinder geltend gemacht wurden, angedeutet, dass der Gesetzgeber bei Ausgestaltung der Abzugstatbestände möglicherweise weitere Zwangsläufigkeitsgründe hätte einbeziehen müssen. Danach könne ein Bedarf an Fremdbetreuung auch dann unabweisbar entstehen, wenn bei Erwerbstätigkeit des einen Elternteils eine größere Zahl minderjähriger Kinder zu betreuen ist. Im Streitfall sah der BFH aber bei drei Kindern im Alter von bis zu drei Jahren eine solche Betreuungssituation als nicht gegeben an. Hinzu kam, dass für das älteste der drei Kinder ein Abzug der Kinderbetreuungskosten nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG zulässig war. Im Übrigen verweist der BFH darauf, dass der Gesetzgeber die durch den Betreuungsbedarf in jungen Familien ausgelöste Einbuße an Leistungsfähigkeit nicht nur mit den Regelungen des Steuerrechts, sondern auch durch sozialrechtliche Vorschriften ausgleicht (z.B. Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz).

Beraterhinweis: Gegen das Urteil des BFH vom 5.7.2012 (BFH v. 5.7.2012 - III R 80/09, StBW 2012, 930) wurde Verfassungsbeschwerde eingelegt, welche beim BVerfG unter dem Az. 2 BvR 2454/12 noch anhängig ist. In vergleichbaren Fällen sollten Betroffene ihre Einkommensteuerbescheide für die Jahre bis einschließlich 2011 unter Hinweis auf dieses Verfahren durch einen Einspruch offen halten.

Kinderbetreuungskosten werden ab dem VZ 2012 einheitlich als Sonderausgaben qualifiziert (§ 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG n.F.). Der Abzug erwerbsbedingter Kinderbetreuungskosten "wie Betriebsausgaben" bzw. "wie Werbungskosten" ist entfallen. Ebenfalls entfallen sind die bisherigen tatbestandlichen Beschränkungen, so dass nicht mehr zu prüfen ist, ob die Aufwendungen wegen einer Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen anfallen oder ob sich der Steuerpflichtige in Ausbildung befindet, behindert oder krank ist.

StB Dipl.-Finw. (FH) Georg Schmitt, Limburg

Service: BFH v. 14.11.2013 – III R 18/13

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 20.03.2014 09:16

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