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EuGH-Vorlage zum Vorsteuerabzug bei einer Holding unter Beachtung der Regelungen zur Organschaft

Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: (1) Nach welcher Berechnungsmethode ist der (anteilige) Vorsteuerabzug einer Holding aus Eingangsleistungen im Zusammenhang mit der Kapitalbeschaffung zum Erwerb von Anteilen an Tochtergesellschaften zu berechnen, wenn die Holding später (wie von vornherein beabsichtigt) verschiedene steuerpflichtige Dienstleistungen gegenüber diesen Gesellschaften erbringt? (2) Steht die Bestimmung über die Zusammenfassung mehrerer Personen zu einem Steuerpflichtigen in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-RL einer nationalen Regelung entgegen, nach der (erstens) nur eine juristische Person - nicht aber eine Personengesellschaft - in das Unternehmen eines anderen Steuerpflichtigen (sog. Organträger) eingegliedert werden kann und die (zweitens) voraussetzt, dass diese juristische Person finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch (im Sinne eines Über- und Unterordnungsverhältnisses) „in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist"? (3) Falls die vorstehende Frage bejaht wird: Kann sich ein Steuerpflichtiger unmittelbar auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-RL berufen?

BFH v. 11.12.2013 – XI R 17/11
BFH v. 11.12.2013 – XI R 38/12

Die Klägerin (K), eine GmbH & CO. KG, war im Streitjahr 2005 an zwei - ebenfalls als GmbH & Co. KG betriebenen - Tochtergesellschaften zu 98 % als Kommanditistin beteiligt. Mit ihren Tochtergesellschaften schloss sie im Streitjahr einen Dienstleistungsvertrag. Danach erbrachte sie diesen gegenüber „administrative Leistungen" und stand ihnen als „allgemeiner betriebswirtschaftlicher Berater" zur Seite. Für diese Dienstleistungen sowie für ihre Beratungstätigkeit erhielt sie Vergütungen zuzüglich Umsatzsteuer. Im Streitjahr warb K Kapital ein, wovon ein Teil für die Erbringung ihrer Kommanditeinlage bei den Tochtergesellschaften verwendet wurde. Für K entstandenen Aufwendungen bezüglich der Einwerbung des Kapitals sowie für die Erstellung eines Prospektgutachtens fiel Umsatzsteuer an. Diese machte K in ihrer Steuererklärung für 2005 als Vorsteuer geltend. Das FA ließ den Vorsteuerabzug nur zum Teil zu, da der größte Teil des eingeworbenen Kapitals dem nichtwirtschaftlichen Bereich des Haltens von Anteilen an den Tochtergesellschaften gedient habe, für den ein Vorsteuerabzug ausscheide. Das FG wies die Klage der K ab.
Der BFH legte den Fall dem EuGH vor.
Weitere EuGH-Vorlage: In einem vergleichbaren - ebenfalls dem EuGH vorgelegten - Fall (BFH v. 11.12.2013 - XI R 38/12) stellten sich dieselben Rechtsfragen. Dort erhöhte die Klägerin X, eine AG, ihr Kapital im Streitjahr 2006 durch eine im Rahmen ihres Börsengangs erfolgte Aktienemission. Dadurch entstanden ihr mit Umsatzsteuer belastete Emissionskosten. Als Konzernobergesellschaft und geschäftsführende Holdinggesellschaft gründete sie im Streitjahr vier Gesellschaften in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG. Sie wurde jeweils Mehrheitskommanditistin und hielt alle Anteile der einzigen Komplementärin. Für Geschäftsführungsleistungen bei den Gesellschaften bekam sie u.a. Vergütungen zuzüglich Umsatzsteuer. In ihrer Steuererklärung für das Streitjahr machte sie den Abzug der im Zusammenhang mit der Aktienemission angefallenen Vorsteuerbeträge geltend.
Holding: Nach Ansicht des BFH handelte es sich bei K um eine Holding, d.h. um „eine Gesellschaft, deren Unternehmensgegenstand darin besteht, unmittelbar oder mittelbar auf Dauer Beteiligungen an einem oder mehreren rechtlich selbständigen Unternehmen zu halten und zu verwalten“. Greift eine Holding in die Verwaltung der Gesellschaften ein, an denen sie beteiligt ist, so kann dies eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-RL sein. Voraussetzung dafür ist, dass die Eingriffe die Durchführung von Transaktionen einschließen, die nach Art. 2 der 6. EG-RL der MwSt unterliegen.
Vorsteuerabzug: Im Beschlussfall kam der BFH mit Blick auf die EuGH-Rechtsprechung zu dem Ergebnis, dass K grundsätzlich ein Recht auf Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG, Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der 6. EG-RL zustand. Dies galt aber nur insoweit, als K Eingangsleistungen für die administrativen und kaufmännischen Dienstleistungen bezog, die sie gegenüber ihren Tochtergesellschaften erbrachte. An einer Berechtigung zum vollständigen Vorsteuerabzug zweifelte der BFH, da im Beschlussfall im Zusammenhang mit der Einwerbung des Kapitals stehende Eingangsleistungen auch nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten dienten.
Aufteilung der Vorsteuerbeträge: Bei Eingangsumsätzen, die der wirtschaftlichen und der nichtwirtschaftlichen Tätigkeit einer Holding dienen, steht es im Ermessen der Mitgliedstaaten festzulegen, nach welchen Kriterien die Vorsteueraufteilung erfolgen soll. Im deutschen Recht fehlt eine solche Regelung. Der BFH befürchtet eine uneinheitliche Anwendung des Unionsrechts und ersucht daher den EuGH um nähere Hinweise bezüglich der Berechnungsweise für die Aufteilung der Vorsteuerbeträge.
Organschaft: Im Fall einer Organschaft würden K und ihre Tochtergesellschaften zu einem einzigen Steuerpflichtigen verschmelzen. Hinsichtlich des Vorsteuerabzugs wäre auf die Ausgangsumsätze der Tochtergesellschaften gegenüber Dritten abzustellen. Dann könnte nach Ansicht des BFH u.U. das Halten von Beteiligungen an Gesellschaften wie die Aufnahme eines Gesellschafters zur Beschaffung zusätzlichen Kapitals als wirtschaftliche Tätigkeit im Allgemeinen zu beurteilen sein und somit für insoweit bezogene Dienstleistungen ein uneingeschränktes Recht auf Vorsteuerabzug bestehen. Es bestehen jedoch Zweifel, ob dies mit dem Unionsrecht vereinbar ist.
Organschaft nach nationalem Recht: Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG war im Beschlussfall schon deswegen keine Organschaft gegeben, weil die Tochtergesellschaften der K Personengesellschaften und damit keine juristischen Personen waren. Fraglich ist aber, ob diese Regelung, die die Anerkennung einer Organschaft von weiteren bzw. anderen Anforderungen abhängig macht als Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-RL, mit dieser Norm sowie dem Grundsatz der Rechtsformneutralität in Einklang steht. Aus der neueren Rechtsprechung des EuGH folgt nach Meinung des BFH, dass Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-RL für die Mitgliedstaaten nicht die Möglichkeit vorsieht, das Vorliegen einer Organschaft von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig zu machen. Der Grundsatz der Rechtsformneutralität verlangt eine weitgehende Gleichbehandlung von Kapital- und Personengesellschaften.
Unmittelbare Berufung auf Unionsrecht: Eine richtlinienkonforme Auslegung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG hält der BFH eher für nicht möglich. Fraglich ist jedoch, ob sich ein Steuerpflichtiger unmittelbar auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6.EG-RL berufen kann. Nach Ansicht des Senats ist diese Vorschrift nicht hinreichend genau, soweit sie verlangt, dass Personen „durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind". Bedenklich sei auch, dass die Möglichkeit einer unmittelbaren Berufung auf die genannte Norm im Ergebnis ein Wahlrecht für den Eintritt der Rechtsfolgen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft zur Folge hätte.
Beraterhinweis: Die beiden Vorlagen des BFH betreffen jeweils eine bei Holdinggesellschaften typische Fallgestaltung: Bezogene Eingangsleistungen werden zugleich für wirtschaftliche sowie für nicht wirtschaftliche Tätigkeiten verwendet, so dass es lediglich zu einem anteiligen Vorsteuerabzug kommt. Zur Aufteilung der Vorsteuerbeträge können die Mitgliedstaaten nach der bisherigen Rechtsprechung des EuGH einen Investitionsschlüssel, einen Umsatzschlüssel oder jeden anderen geeigneten Schlüssel verwenden. Dies kann allerdings zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Gehören die Kosten für die Eingangsleistungen zu den allgemeinen Aufwendungen einer Holding und sind sie Kostenelemente der von ihr erbrachten Dienstleistungen, ist die Vorsteuer abziehbar.
RA Hildegard Billig, Düsseldorf

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 07.03.2014 11:15

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