Otto Schmidt Verlag


Zur Steuerwirksamkeit von Kursverlusten bei Hybridanleihen

Kursverluste aus der Veräußerung von Hybridanleihen mit gestuften Zinsversprechen ohne Laufzeitbegrenzung, die keine Emissionsrendite aufweisen, sind nicht gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG steuerwirksam, da die Vorschrift auf Wertpapiere, bei denen keine Vermengung zwischen Ertrags- und Vermögensebene besteht und bei denen eine Unterscheidung zwischen Nutzungsentgelt und Kursgewinn ohne größeren Aufwand möglich ist, keine Anwendung findet.

BFH v. 17.12.2013 – VIII R 42/12

Die Kläger und Revisionskläger (K) sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Sie erklärten in der Anlage KAP zur Einkommensteuererklärung 2008 u.a. Einnahmen aus festverzinslichen Wertpapieren i.H.v. -32.871 € (X-Bank) sowie -4.636 € (Depotverwaltung A.B./Y-Bank). Die von K deklarierten negativen Einnahmen stammten aus dem Ansatz einer Marktrendite nach der Veräußerung einer „8,62500 % Z-AG…Anleihe…“, bei der es sich um eine im Jahr 2005 ausgegebene Hybridanleihe ohne feste Laufzeit handelte. Der Zinssatz betrug bis zum 29.1.2013 8,625 % p.a. Die Anlage konnte der Emittent zum 30.1.2013 kündigen. Bei Verzicht auf die Kündigung sollte eine variable Verzinsung nach dem 3-Montas-EURIBOR zzgl. eines Risikoaufschlags i.H.v. 7,3 % gewährt werden, was im Zeitpunkt der Wertpapierausgabe einen ab Februar 2013 zu erwartenden Zins von ca. 9,8 % bedeutete. Beim Kauf- bzw. Verkauf der Anleihe fielen Stückzinsen an. Der Anleger konnte die Anleihe jederzeit an der Börse verkaufen und dabei Kursgewinne oder -verluste erzielen. Bei der Veranlagung berücksichtigte das FA als Beklagte und Revisionsbeklagte Spekulationsverluste nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, jedoch keine negative Marktrendite. Die dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das FG ab. Mit ihrer sich gegen die Entscheidung des FG richtenden Revision rügten K die Verletzung von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. d EStG.
Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen.
Besteuerung von Anleihen ohne Emissionsrendite: Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG in der Fassung des Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes v. 21.12.1993 (BGBl. I 1993, 2310) gehören grundsätzlich auch die Einnahmen aus der Veräußerung oder Abtretung von sonstigen Kapitalforderungen, bei denen die Höhe der Erträge von einem ungewissen Ereignis abhängen oder bei denen die Kapitalerträge in unterschiedlicher Höhe gezahlt werden, soweit sie der rechnerisch auf die Besitzzeit entfallenden Emissionsrendite entsprechen. Als Emissionsrendite bezeichnet der BFH die vom Emittenten bei der Begebung der Anlage zugesagte Rendite, die bis zur Einlösung des Papiers oder bis zur Endfälligkeit der Kapitalforderung erzielt werden kann. Für den Fall, dass die Kapitalforderungen keine Emissionsrendite haben, gilt gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG der Unterschiedsbetrag zwischen dem Erwerbspreis und dem Veräußerungserlös als Kapitalertrag.
Für die Frage, ob Wertpapiere oder Kapitalforderungen zu den o.g. Finanzinnovationen mit Emissionsrendite zählen, kommt es nach ständiger Rechtsprechung des BFH auf die Verhältnisse im Emissionszeitpunkt an. Dem VIII. Senat zufolge handelte es sich bei den Wertpapieren der K nicht um solche mit einer Emissionsrendite. Wenngleich sie zunächst eine feste Verzinsung von 8,625 % vorgesehen hätten, seien sie jedoch jederzeit kündbar gewesen bzw. im Falle des Unterbleibens einer Kündigung mit einer variablen Kündigung nach dem 3-Monats-EURIBOR ausgestaltet gewesen. Dem Wortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG zufolge wäre daher grundsätzlich eine Besteuerung nach der Marktrendite – wie von K gefordert – geboten.
Entgegenstehender Gesetzeszweck: Dem von K begehrten Ansatz der Marktrendite steht aber der Regelungszweck des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG entgegen. Danach soll die Regelung nur solche Konstellationen erfassen, bei denen an sich steuerpflichtige Zinserträge als steuerfreier Wertzuwachs deklariert werden, da der Gesetzgeber sicherstellen wollte, dass Nutzungsentgelte für die Überlassung von Kapital zu den Einkünften aus Kapitalvermögen zählen, und zwar unabhängig von ihrer Bezeichnung oder der zivilrechtlichen Ausgestaltung.
Bei der von den K erworbenen Hybridanleihe ist eine durch entsprechende Ausgestaltung mögliche Vermengung von Ertrags- und Vermögensebene oder eine verdeckte Zinszahlung aber bereits nicht erkennbar. Vielmehr liegt der Zinsbetrag offen und ist ohne Schwierigkeiten zu ermitteln.
Darüber hinaus ist auch kein Grund ersichtlich, weshalb sich Kursschwankungen bei der Zwischenveräußerung von Hybridanleihen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG bemessen sollten, da § 20 EStG systematisch von der objektiven Unmaßgeblichkeit jeglicher Wertveränderungen der Kapitalanlagen ausgeht und Kursverluste bzw. -gewinne allenfalls nach § 23 EStG zu berücksichtigen sind.
Daher ist die Regelung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG im vorliegenden Fall nicht anwendbar und die danach deklarierten Verluste sind steuerlich nicht nach § 20 EStG berücksichtigungsfähig.

Beraterhinweis: Die Entscheidung des VIII. Senats befindet sich auf einer Linie mit der Rechtsprechung des BFH aus den Jahren 2006 und 2007 zu der steuerlichen Wirksamkeit von Verlusten aus Finanzinnovationen. Hierin hat der BFH im Wege der teleologischen Reduktion den Tatbestand des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG dahingehend eingegrenzt, dass die Vorschrift bei klarer Trennung zwischen Ertrags- und Vermögensebene nicht mehr anwendbar sein sollte und bei teilweise kapitalgarantierten Produkten nur insoweit, wie die Kapitalgarantie reichte. Das liegt daran, dass über § 20 EStG nur Vorteile bzw. Nachteile erfasst werden sollen, die unabhängig von ihrer Bezeichnung und ihrer zivilrechtlichen Ausgestaltung bei wirtschaftlicher Betrachtung für die Überlassung von Kapital zur Nutzung erzielt werden.
Ob die vom BFH vorgenommene teleologische Reduktion nach der mit dem JStG 2009 erfolgten Klarstellung des Gesetzgebers in § 52a Abs. 10 Satz 7 EStG noch Bestand haben kann, wird in der Literatur jedoch zu Recht bezweifelt (Elicker, RdF 2011, 222). Denn spätestens seit dieser Klarstellung kommt der gesetzgeberische Wille in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG klar und deutlich zum Ausdruck. Auf eine Unterscheidung zwischen Ertrags- und Vermögensebene kommt es danach nicht an. Weswegen der VIII. Senat in seiner Entscheidung auf diesen Umstand nicht eingegangen ist, erschließt sich nicht.
Grundsätzlich gilt, dass nicht jedes als „Finanzinnovation“ bezeichnete Finanzinstrument auch als eine solche zu behandeln ist. Anleger sollten beim Erwerb eines Finanzinstruments grundsätzlich verifizieren, ob dessen durch den Emittenten vorgenommene materiell-rechtliche Bewertung valide ist. Angesichts der Komplexität und Mannigfaltigkeit heutiger Finanzinstrumente empfiehlt es sich hierbei, fachkundigen Rat einzuholen.
RA Sebastian Hartrott, München

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 06.03.2014 15:29

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