Otto Schmidt Verlag


Angehörigendarlehen: Anlassbezogener Fremdvergleich

Bei der steuerrechtlich erforderlichen Prüfung der Fremdüblichkeit von zwischen nahen Angehörigen vereinbarten Vertragsbedingungen sind großzügigere Maßstäbe anzulegen, wenn der Darlehensvertrag unmittelbar durch die Erzielung von Einkünften veranlasst ist.

BFH v. 22.10.2013 – X R 26/11

Der Kläger (K) betrieb eine Bäckerei. Er erwarb von seinem Vater umfangreiches Betriebsinventar. In Höhe des Kaufpreises gewährte der Vater dem K ein verzinsliches Darlehen. Diese Forderung trat der Vater sogleich an seine Enkel, die seinerzeit minderjährigen Kinder des K, ab. Der Darlehensvertrag sah vor, dass die jährlichen Zinsen dem Darlehenskapital zugeschrieben werden sollten. Beide Seiten sollten den Vertrag ganz oder teilweise mit einer Frist von sechs Monaten kündigen können. Das FA erkannte die Zinsaufwendungen des K nicht als Betriebsausgaben an. Die Vorinstanz (FG Niedersachsen v. 23.6.2010 – 4 K 12347/07) bestätigte diese Auffassung mit der Begründung, die Vereinbarungen über das Stehenlassen der Zinsen, die kurzfristige Kündigungsmöglichkeit und das Fehlen von Sicherheiten seien nicht fremdüblich.

Der BFH hingegen hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück. Denn das FG habe nicht beachtet, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung bei der Anwendung des Fremdvergleichs auf Darlehensverträge zwischen nahen Angehörigen nach dem Anlass der Darlehensgewährung differenziert. Zudem ist der BFH der Ansicht, dass im Rahmen des Fremdvergleichs nicht deshalb strengere Maßstäbe zugrunde zu legen sind, weil die Darlehensforderung an die minderjährigen Kinder des Darlehensnehmers verschenkt wurde.

Allgemeines zum Fremdvergleich: Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung von Angehörigenverträgen ist, dass die vertraglichen Hauptpflichten klar und eindeutig vereinbart sowie entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt werden. Jedoch schließt nicht jede geringfügige Abweichung einzelner Sachverhaltsmerkmale vom Üblichen die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus. Vielmehr sind einzelne Kriterien des Fremdvergleichs im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung unter dem Gesichtspunkt zu würdigen, ob sie den Rückschluss auf eine privat veranlasste Vereinbarung zulassen. Beachten Sie: Im Rahmen dieser Gesamtwürdigung erlangt auch der Umstand, ob die Vertragschancen und -risiken in fremdüblicher Weise verteilt sind, wesentliche Bedeutung.

Differenzierter Fremdvergleich: Die Rechtsprechung differenziert bei der Prüfung des Fremdvergleichs nach dem Anlass der Darlehensgewährung:

  • Darlehen wird aus Mitteln gewährt, die dem Darlehensgeber zuvor vom Darlehensnehmer geschenkt worden waren.
  • Die laufende Auszahlung der geschuldeten Vergütung (z.B. aus einem Arbeits-, Miet- oder Pachtvertrag) wird durch eine Darlehensvereinbarung ersetzt.
  • Darlehen, die der Finanzierung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern dienen.

Zur Fallgruppe 3: Hier ist die Rechtsprechung erheblich großzügiger. Da die Darlehensaufnahme hier eindeutig betrieblich veranlasst ist, wird nicht beanstandet, wenn das Darlehen unter im Einzelnen anderen Bedingungen als unter Fremden überlassen wird. Zwar bleibt auch in diesen Fällen eine Gesamtwürdigung der schuldrechtlichen Darlehensvereinbarungen erforderlich. Von entscheidender Bedeutung für die ertragsteuerrechtliche Anerkennung ist aber weniger der Fremdvergleich hinsichtlich der einzelnen Klauseln des Darlehensvertrags als vielmehr die tatsächliche Durchführung der Zinsvereinbarung: Wenn laufende Zinsen vereinbart sind, müssen diese vertragsgemäß gezahlt werden. Beachten Sie: Weitere Grenzen hat die Rechtsprechung für Sachverhalte, die unter diese Fallgruppe zu subsumieren sind, insofern aufgestellt, als es sich nicht um eine verschleierte Schenkung, einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten oder ein Scheingeschäft handeln darf.

Beraterhinweis: Die Finanzverwaltung hat die grundlegende Differenzierung nach dem Anlass der Darlehensgewährung grundsätzlich aufgegriffen, geht allerdings hinsichtlich der Rechtsfolgen noch über die Rechtsprechungsgrundsätze hinaus, da in diesen Fällen die Modalitäten der Darlehenstilgung und -besicherung gar nicht mehr zu prüfen sein sollen (BMF v. 23.12.2010 - IV C 6 - S 2144/07/10004, Rz. 8, BStBl. I 2011, 37). Demgegenüber bezieht die Rechtsprechung unübliche oder fehlende Regelungen zur Darlehenstilgung oder -besicherung in die stets durchzuführende Gesamtwürdigung ein. Dafür enthält das BMF-Schreiben im Vergleich zur höchstrichterlichen Rechtsprechung insoweit eine zusätzliche Voraussetzung, als es sich bei den Parteien des Darlehensvertrags um volljährige, voneinander wirtschaftlich unabhängige Angehörige handeln muss.

Dipl.-Finw. Martin Hilbertz, Neuwied

Service: BFH v. 22.10.2013 – X R 26/11

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 19.12.2013 14:48

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