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Zulässigkeit des Flächenschlüssels bei gemischt genutzten Gebäuden

§ 15 Abs. 4 Satz 1 UStG ist insoweit unionsrechtskonform, als die dort vorgesehene Aufteilung von Vorsteuerbeträgen für nach § 15a UStG berichtigungspflichtige Vorsteuerbeträge gilt. Der Ausschluss des Umsatzschlüssels durch den Flächenschlüssel nach § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG verstößt nicht gegen Unionsrecht, da ein objektbezogener Flächenschlüssel nach § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG eine präzisere Bestimmung des Pro-rata-Satzes ermöglicht als der auf die Gesamtumsätze des Unternehmens bezogene Umsatzschlüssel nach Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG. Die Neuregelung der Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG durch das StÄndG 2003 stellt eine zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a Abs. 1 UStG führende Änderung der rechtlichen Verhältnisse dar.

BFH v. 22.8.2013 – V R 19/09

Die Klägerin (K) errichtete in 2003 und 2004 ein Geschäftshaus, das sie nach Fertigstellung Ende 2004 teils steuerpflichtig, teils steuerfrei vermietete. Aus den Herstellungskosten machte K 54,07 % geltend. Diesen Prozentsatz ermittelte sie auf der Grundlage der kalkulierten vorsteuerschädlichen und -unschädlichen Umsätze (Umsatzschlüssel). Das FA war hingegen der Auffassung, nach § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG in der ab dem 1.1.2004 geltenden Fassung seien die Vorsteuern ab dem 1.1.2004 nach einem Flächenmaßstab aufzuteilen (= 34,4% Vorsteuerabzug). Außerdem habe der Übergang vom Umsatz- zum Flächenschlüssel eine Änderung der Verhältnisse i.S.d. § 15a UStG zur Folge.

Nachdem das FG dem Begehren des K vollumfänglich zugestimmte hatte, hat der BFH – nach vorheriger Vorlage an den EuGH - der Revision des FA zugestimmt und die Sache an das FG zurückverwiesen.

Kein Gebäudeumsatzschlüssel: K ist nicht zu einer Vorsteueraufteilung nach Gebäudeumsätzen berechtigt. Zwar entspricht § 15 Abs. 4 UStG nicht den Erfordernissen des Unionsrechts, da er für alle - und nicht nur für bestimmte - Fälle der gemischten Verwendung eine vom Unionsrecht abweichende Regelung trifft. Die Vorschrift ist insoweit richtlinienwidrig, als diese eine wirtschaftliche Zuordnung anstelle einer auf die gesamten Umsätze des Unternehmens bezogene Vorsteueraufteilung allgemein und nicht nur für bestimmte Fälle anordnet.

Planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes: Die Abweichung vom Unionsrecht führt jedoch nicht zu einer Unanwendbarkeit dieser Vorschrift, sondern ist vielmehr aufgrund einer teleologischen Reduktion insoweit als richtlinienkonform anzusehen, als sich die Vorschrift auf Vorsteuerbeträge bezieht, die der Berichtigung nach § 15a UStG unterliegen. Wäre dem nationalen Gesetzgeber bei Schaffung der Regelung in § 15 Abs. 4 UStG die spätere Rechtsprechung des EuGH bekannt gewesen, nach der eine richtlinienkonforme Regelung zur wirtschaftlichen Zurechnung nur für bestimmte Fälle angeordnet werden darf, hätte er sich bei der notwendigen Einschränkung von § 15 Abs. 4 UStG an anderen Regelungen orientieren müssen, die im Zusammenhang mit dem Vorsteuerabzug dazu dienen, „zu präziseren Ergebnissen zu gelangen“.

Beschränkung der Regelung auf §15a UStG – Berichtigungen: Bei Beachtung der unionsrechtlichen Einschränkung der Befugnis für nationale Abweichungen kann der nationale Gesetzgeber die wirtschaftliche Zurechnung nach § 15 Abs. 4 UStG jedenfalls für die Vorsteuerbeträge anordnen, die der Berichtigung nach § 15a UStG unterliegen. Denn die Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG dient ebenso wie der zutreffende Aufteilungsschlüssel dem Ziel, zu präziseren Ergebnissen zu gelangen. Vorbehaltlich einer Neuregelung durch den nationalen Gesetzgeber ist daher aufgrund einer teleologischen Reduktion davon auszugehen, dass § 15 Abs. 4 UStG ohne Verstoß gegen das Unionsrecht auf die der Vorsteuerberichtigung unterliegenden Vorsteuerbeträge anzuwenden ist.

Flächenschlüssel präziser als Gesamtumsatzschlüssel: Entscheidend für die Zulässigkeit einer Abweichung ist, ob z.B. ein objektbezogener Flächenschlüssel zu einer präziseren Vorsteueraufteilung führt als der auf die Gesamtumsätze des Unternehmens bezogene Pro-rata-Satz. Dies ist zu bejahen, da die Bestimmung des Pro-rata-Satzes nach dem Gesamtumsatz des Unternehmens nur pauschalen Charakter hat und außer Betracht lässt, für welchen Bereich des Unternehmens die jeweilige Eingangsleistung bezogen wird. Auf die Frage, ob der objektbezogene Flächenschlüssel zu präziseren Ergebnissen führt als ein gleichfalls objektbezogener Umsatzschlüssel, kommt es demgegenüber nicht an.

Zusätzlich § 15a UStG zu beachten: Zu der von § 15a Abs. 1 UStG vorausgesetzten Änderung der für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse gehören auch Rechtsänderungen. Hat daher ein Unternehmer noch vor Inkrafttreten von § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG in 2003 ein steuerfrei und steuerpflichtig zu vermietendes Gebäude errichtet und dabei den Vorsteuerabzug aus einem hierfür angefallenen Vorsteuerbetrag auf der Grundlage einer umsatzbezogenen Vorsteueraufteilung nach der damaligen Rechtslage zu Recht in Anspruch genommen, während sich bei einer flächenbezogenen Aufteilung ein anderer Vorsteuerabzug ergibt, ist ab dem Inkrafttreten von § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG in 2004 der Vorsteuerabzug zu berichtigen.

Beraterhinweis: Der V. Senat des BFH hatte im Streitfall explizit offen gelassen, welche Folgen sich aus der teleologischen Reduktion des § 15 Abs. 4 UStG für die nicht der Berichtigung nach § 15a UStG unterliegenden Vorsteuerbeträge ergeben (z.B. Reinigungs- oder Wartungskostenkosten). Ebenso ließ der BFH offen, ob derartige Vorsteuerbeträge der insoweit richtlinienwidrigen Regelung des § 15 Abs. 4 UStG zumindest dann unterliegen, wenn der Unternehmer keinen Anwendungsvorrang nach Unionsrecht geltend macht oder ob sich eine diesen Bestimmungen entsprechende Vorsteueraufteilung nach den Gesamtumsätzen des Unternehmens zwingend - und damit unabhängig von der Geltendmachung eines Anwendungsvorrangs - auch aus dem nationalen Recht aufgrund der teleologischen Reduktion des § 15 Abs. 4 UStG ergibt.

Der XI. Senat des BFH wird im noch anhängigen Revisionsverfahren XI R 31/09 ebenfalls Gelegenheit bekommen, sich zu diesen Fragestellungen zu äußern.

Dipl.-Finw. Thomas Meurer, Stolberg

Service: BFH v. 22.8.2013 – V R 19/09

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 19.12.2013 14:44

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