Otto Schmidt Verlag


Kindergeld während der Mutterschutzfrist und der Elternzeit

Ein Kind, das die Suche nach einem Ausbildungsplatz während der Mutterschutzfrist unterbricht, ist in diesem Zeitraum weiterhin zu berücksichtigen. Wird jedoch während der Elternzeit kein Ausbildungsplatz gesucht, kommt keine weitere Berücksichtigung in Betracht.

BFH v. 13.6.2013 – III R 58/12

Streitig war, inwiefern weiterhin Anspruch auf Kindergeld für ein Kind besteht, welches sich in Mutterschutz bzw. Elternzeit befindet, wenn vor Beginn dieses Zeitraums die Anspruchsvoraussetzungen für das Kindergeld vorgelegen haben.
Der Kläger (K) ist Vater einer im Juni 1983 geborenen Tochter, die seit Juni 2003 in einem eigenen Haushalt lebte und für die er aufgrund von Bescheiden aus dem Jahr 2004 Kindergeld bezog. Die Tochter war arbeitslos und bezog ALG II. Sie war auch als Bewerberin um eine berufliche Ausbildungsstelle gemeldet und hatte sich zudem selbst um einen Ausbildungsplatz bemüht. Am 11.6.2005 gebar die Tochter des K eine Tochter. Seit dem 23.4.2005 (Beginn der Mutterschutzfrist) war sie mit dem Vermerk "Mutterschutz/Elternzeit" wegen "Mangelnde Verfügbarkeit/Mitwirkung" nicht mehr als Bewerberin um einen Ausbildungsplatz registriert. Die Familienkasse hob die Festsetzung des Kindergeldes für Mai 2005 bis Mai 2006 sowie von September 2007 bis März 2008 auf. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Die Vorinstanz (FG Thüringen v. 22.3.2011 – 4 K 814/08) wies die Klage als unbegründet ab.
Die Revision war insoweit erfolgreich, als es um den Zeitraum der Mutterschutzfrist ging. Im Übrigen wurde die Revision zurückgewiesen.
Berücksichtigung während der Mutterschutzfrist? Der BFH hat bereits entschieden, dass ein Kind während der Unterbrechung seiner Ausbildung aufgrund der Schutzfristen nach § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 Satz 1 MuSchG grundsätzlich weiter zu berücksichtigen ist (BFH v. 15.7.2003 – VIII R 47/02, EStB 2004, 12). Denn das Kind hat in diesem Zeitraum den Willen, sich der Ausbildung zu unterziehen, ist aber aus objektiven Gründen wegen des Beschäftigungsverbots nach dem MuSchG vorübergehend daran gehindert, weil ihm die Durchführung der Ausbildungsmaßnahmen nicht möglich oder nicht zumutbar ist.
Nach Ansicht des BFH ist die Unterbrechung der Suche nach einem Ausbildungsplatz während der Mutterschutzfristen im Hinblick auf die Berücksichtigung als Kind nicht anders zu behandeln als die mutterschutzbedingte Unterbrechung der Ausbildung. Die Beschäftigungsverbote nach dem MuSchG hindern Frauen zwar nicht aus rechtlichen Gründen an der Ausbildungsplatzsuche, dieses ist aber in vielen Fällen praktisch unmöglich und regelmäßig auch nicht zumutbar. Da das Kindergeldrecht als „Massenrecht“ der Typisierung bedarf, kann es auch nicht darauf ankommen, ob die Suche nach einem Ausbildungsplatz im Einzelfall (z.B. bei ausschließlich schriftlichen Bewerbungsverfahren) trotz der besonderen Schutzbedürftigkeit werdender und junger Mütter auch während der Mutterschutzfrist möglich und zumutbar wäre. Beachten Sie: Der weiteren Berücksichtigung während der Mutterschutzfrist steht nicht entgegen, dass die Suche nach einem Ausbildungsplatz nach ihrem Ende nicht umgehend wieder aufgenommen wird. Denn ein Kind wird durch den Beginn der Mutterschutzfrist an der Fortsetzung der Suche nach einem Ausbildungsplatz objektiv gehindert, während der Entschluss, die Bemühungen um einen Ausbildungsplatz zwecks Pflege und Erziehung des Kindes nicht fortzusetzen, erst nach deren Ende wirksam wird.
Berücksichtigung während der Elternzeit? Bisher ist bereits höchstrichterlich geklärt, dass ein Kind, das seine Ausbildung während der Elternzeit unterbricht, nicht berücksichtigt werden kann (BFH v. 24.9.2009 – III R 79/06, n.v., StBW 2011, 200). Für ein Kind, das die Suche nach einem Ausbildungsplatz während der Elternzeit unterbricht, gilt nach Ansicht des III. Senats nichts anderes. Denn in beiden Fällen ist das Kind – anders als bei einer Erkrankung oder während des Beschäftigungsverhältnisses nach dem MuSchG – nicht aus objektiven Gründen an der Ausbildung oder der Suche nach einem Ausbildungsplatz gehindert, sondern weil es diese aufgrund eines eigenen Entschlusses zugunsten der Förderung des Eltern-Kind-Verhältnisses während dieser Zeit nicht fortsetzt.
Beraterhinweis: Rückforderung von Kindergeld: Der Grundsatz von Treu und Glauben steht der Rückforderung von überzahltem Kindergeld selbst dann nicht entgegen, wenn die Behörde trotz Kenntnis von Umständen, die zum Wegfall des Kindergeldanspruchs führen, zunächst weiterhin Leistungen erbringt (BFH v. 14.10.2003 – VIII R 56/01, FR 2004, 293). Erforderlich sind vielmehr besondere Umstände, die die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs als illoyale Rechtsausübung erscheinen lassen und dazu führen, dass sich der Rückzahlungsschuldner nach dem gesamten Verhalten der Familienkasse darauf verlassen durfte und verlassen hat, dass er nicht mehr in Anspruch genommen werden sollte. Beachten Sie: Der BFH hat darauf hingewiesen, dass ein Billigkeitserlass nach § 227 AO gerechtfertigt sein kann, wenn das Kindergeld bei der Berechnung der Höhe von Sozialhilfeleistungen als Einkommen angesetzt wurde und eine nachträgliche Korrektur dieser Leistungen nicht möglich ist (BFH v. 22.9.2011 – III R 78/08, n.v., StBW 2012, 67).
Dipl.-Finw. Martin Hilbertz, Neuwied

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 07.11.2013 13:22

zurück zur vorherigen Seite