Otto Schmidt Verlag


Berufliche Niederlassung des Geschäftsführers einer Steuerberatungsgesellschaft als Anerkennungsvoraussetzung

Eine Steuerberatungsgesellschaft kann aufschiebend bedingt auch dann anerkannt werden, wenn die erforderliche berufliche Niederlassung ihres Geschäftsführers am Ort der Gesellschaft oder in dessen Nahbereich im Entscheidungszeitpunkt noch nicht unterhalten wird, aber mit deren alsbaldigen Gründung ernsthaft zu rechnen ist. Die werbende Tätigkeit darf erst nach Erfüllung dieser Voraussetzung entfaltet werden.

BFH v. 6.8.2013 - VII R 15/12

Die Klägerin (K) streitet um ihre Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft durch die Steuerberaterkammer S. Deren Gesellschafter A und B waren bisher jeweils als Steuerberater in Y tätig. K sollte in Z tätig werden. S verweigerte letztlich die Anerkennung der K, weil der als Geschäftsführer der Gesellschaft vorgesehene A keine berufliche Niederlassung am Sitz der Gesellschaft oder in deren Nahbereich habe. Die hiergegen erhobene Klage blieb erfolglos.
Mit der Revision wird u.a. geltend gemacht, im Klageverfahren sei vorgetragen worden, dass A seine berufliche Niederlassung in Z habe, er seit Jahren Büroräume in Z habe und von dort aus mehrere Steuerverfahren beim FG geführt habe und dass er auch eine Wohnung in Z besitze. Ferner sei dem FG die Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung vorgelegt worden. All dies habe das FG nicht berücksichtigt, sondern nur festgestellt, dass A "seine anwaltlichen Aktivitäten in Z substanziell ausgeweitet" habe. Das FG sei also verfahrensfehlerhaft schlicht von der Tatsachenlage im Zeitpunkt der letzten Entscheidung der Steuerberaterkammer ausgegangen.
Der BFH gab der Revision der K statt und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das FG zurück.
Maßgebende Sachlage bei Verpflichtungsklage: Die Klage ist als Verpflichtungsklage darauf gerichtet, die K nach Maßgabe des § 49 Abs. 1 StBerG als Steuerberatungsgesellschaft anzuerkennen. Über sie hatte das FG auf der Grundlage der im Zeitpunkt seiner Entscheidung gegebenen Sachlage zu entscheiden. Soweit die Ablehnung eines Verwaltungsakts - hier die Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft - rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hat das FG nach § 101 Satz 1 FGO die Verpflichtung der Behörde auszusprechen, den begehrten Verwaltungsakt zu erlassen, sofern die Sache spruchreif ist. Es kommt also nicht darauf an, ob die Entscheidung der Behörde, den begehrten Verwaltungsakt nicht zu erlassen, seinerzeit rechtmäßig oder rechtswidrig war, sondern ob es im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts rechtswidrig ist, dem Kläger den begehrten Verwaltungsakt vorzuenthalten.
Unrichtige Sachlage im FG-Urteil: Das FG hat offensichtlich nicht darauf abgestellt, ob die K im Zeitpunkt der FG-Entscheidung ein subjektiv-öffentliches Recht auf Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft hat, sondern darauf, ob die Steuerberaterkammer die Anerkennung ohne Rechtsverstoß versagt hat. Das FG hat damit nicht auf die Rechtswidrigkeit der Versagung nach der gegenwärtigen, im Zeitpunkt der FG-Entscheidung eingetretenen Sachlage, sondern offenbar auf diejenige im Zeitpunkt der Entscheidung der Steuerberaterkammer abgestellt.
Anerkennung trotz noch fehlender beruflicher Niederlassung: Voraussetzung für die Anerkennung ist nach § 50 Abs. 1 Satz 1 und 2 StBerG u.a., dass die Geschäftsführer Steuerberater sind; mindestens ein Steuerberater, der Geschäftsführer ist, muss seine berufliche Niederlassung am Sitz der Gesellschaft oder in dessen Nahbereich haben. Diese Vorschrift ist nicht gleichsam handlungsbezogen auf den Verwaltungsakt der Anerkennung einer Steuerberatungsgesellschaft zu beziehen, sondern bringt   gleichsam zustandsbezogen   zum Ausdruck, dass mindestens einer der Geschäftsführer einer anerkannten Steuerberatungsgesellschaft seine berufliche Niederlassung am Sitz der Gesellschaft unterhalten muss. Diese muss vor Aufnahme einer werbenden Tätigkeit der Gesellschaft begründet werden. Die Anerkennung kann jedoch erfolgen, ohne dass eine solche Niederlassung bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über den Anerkennungsantrag unterhalten wird, sofern es nicht erkennbar an der ernstlichen Absicht fehlt, eine solche Niederlassung alsbald zu begründen und zu unterhalten, mithin eine prognostische Einschätzung ergibt, dass die Anerkennung keinen Bestand haben könnte.
Auslegung entspricht Zielsetzung der Norm: Ein anderes Verständnis der Vorschrift zwänge eine von einem bisher an einem anderen Ort tätigen Steuerberater gegründete neue Steuerberatungsgesellschaft dazu, ihren künftigen Geschäftsführer zu veranlassen, seine berufliche Niederlassung am Sitz der künftigen Gesellschaft zu begründen, obwohl diese noch nicht werbend tätig werden kann und möglicherweise nicht einmal sicher ist, ob sie überhaupt anerkannt wird. Eine solche Erschwernis der Gründung von Steuerberatungsgesellschaften entspricht weder einem zutreffenden Verständnis von der Reichweite des Grundrechts der Berufsfreiheit und der Vereinigungsfreiheit noch ist es durch die Belange eines Schutzes der Steuerrechtspflege geboten, zumal das Gesetz Steuerberatern die Begründung einer beruflichen Niederlassung ebenfalls erst unmittelbar nach ihrer Bestellung abverlangt (§ 34 Abs. 1 Satz 1 StBerG) und sich für den Fall des Verstoßes mit der Möglichkeit eines Widerrufs seiner Bestellung begnügt (§ 46 Abs. 2 Nr. 6 StBerG). Überdies kann die Steuerberaterkammer in der Regel ausreichend sicherstellen, dass die künftige Steuerberatungsgesellschaft den Anforderungen des § 50 Abs. 1 Satz 2 StBerG genügen wird, indem sie die Ernsthaftigkeit der Absicht des als künftigen Geschäftsführer vorgesehenen Steuerberaters, seine berufliche Niederlassung am Sitz der Gesellschaft zu begründen und dafür ggf. von anderswoher zu verlegen, anhand der dafür einschlägigen Indizien prüft.
Bei Zweifeln Anerkennung unter aufschiebender Bedingung: Wenn sie insofern letzte Zweifel nicht auszuräumen vermag, kann sie die Anerkennung der Gesellschaft von vornherein unter die aufschiebende Bedingung stellen, dass sie ihre werbende Tätigkeit erst entfalten darf, wenn der Geschäftsführer seine berufliche Niederlassung am Sitz der Gesellschaft tatsächlich begründet hat. Dies ist gem. § 120 Abs. 1 AO bei gebundenen Entscheidungen dann zulässig, wenn die Bedingung lediglich sicherstellen soll, dass die Voraussetzungen für den Erlass des betreffenden Verwaltungsakts tatsächlich vorliegen, bevor von diesem Gebrauch gemacht wird.
Prüfung im zweiten Rechtszug: Das FG wird zu prüfen haben, ob eine hinreichende Gewähr dafür besteht, dass die K bei Anerkennung der Gesellschaft unverzüglich alles unternimmt, was über die vorgenannte Mitteilung an die Steuerberaterkammer, die Verfügbarkeit einer Wohnung für den Geschäftsführer am Ort der Gesellschaft sowie den Abschluss einer Versicherung hinaus zur Begründung einer beruflichen Niederlassung i.S.d. § 50 Abs. 1 Satz 2 StBerG erforderlich ist.
Begriff der beruflichen Niederlassung: Der BFH weist darauf hin, dass die Bejahung einer beruflichen Niederlassung am Ort der Steuerberatungsgesellschaft auch möglich ist, wenn der Geschäftsführer eine weitere Wohnung an einem anderen Ort besitzt.
Indiz für fehlende ernsthafte Absicht: Die Anerkennung unter der o.g. aufschiebenden Bedingung ist nur dann möglich, wenn die ernsthafte Absicht der alsbaldigen Gründung der beruflichen Niederlassung besteht. Das FG wird im zweiten Rechtszug im Rahmen der Beweiswürdigung als ein wichtiges Indiz gegen die o.g. ernsthafte Absicht betrachten können, wenn der künftige Geschäftsführer dafür erforderliche Maßnahmen nicht oder allenfalls gleichsam in letzter Minute ergreift.

Beraterhinweis: Die Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft ist nicht nur dann zu erteilen, wenn der als Geschäftsführer vorgesehene Steuerberater bereits im Entscheidungszeitpunkt seine berufliche Niederlassung am Sitz der Gesellschaft hat, sondern die ernsthafte Absicht besteht, diese Voraussetzung alsbald zu erfüllen. Wichtig ist aber, dass die werbende Tätigkeit erst nach Erfüllung dieser Voraussetzung zulässig ist.
RD a.D. Michael Marfels, Nordkirchen

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 07.11.2013 13:10

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