Otto Schmidt Verlag


Einheitliches Vertragswerk im Grunderwerbsteuerrecht

Für die Annahme eines einheitlichen Erwerbsvorgangs bei mehreren Anbietern auf der Veräußererseite kommt es nur darauf an, dass diese objektiv zusammenwirken, ohne dass das Zusammenwirken für den Erwerber erkennbar sein muss.

BFH v. 19.6.2013 – II R 3/12

Der Kläger (K) erwarb mit Vertrag vom 21.3.2005 von der B-Bank ein näher bezeichnetes unbebautes Grundstück zu einem Kaufpreis i.H.v. 24.750 €. Das Geschäft wurde von der B-GmbH vermittelt, einer Immobiliengesellschaft mehrerer Banken, u.a. der Verkäuferin. Am 4.4.2005 schloss K mit der C-GmbH einen Vertrag über die Errichtung einer Doppelhaushälfte auf seinem Grundstück zum Festpreis i.H.v. 99.000 €. Gegenüber dem FA erklärte K, er habe sich das Grundstück und den Vertragspartner der Bebauung selbst ausgesucht. Ermittlungen des FA ergaben, dass die B-GmbH mit der C-GmbH für das Objekt des K einen Immobilienvermittlungsvertrag abgeschlossen hatte. Für die Vermittlung des Grundstücks berechnete die B-GmbH vereinbarungsgemäß eine Provision, die mit dem Verkauf der zweiten Doppelhaushälfte fällig wurde. Auf Rückfrage des FA erklärte K, er habe die C-GmbH beauftragt, weil sie ihm vom Architekten, einem Cousin seines Vaters, empfohlen worden sei. Mit der Planung habe er bereits eineinhalb Jahre vor dem Kauf des Grundstücks angefangen. Das FA bezog die Bauerrichtungskosten in die Bemessungsgrundlage mit ein und setzte entsprechend Grunderwerbsteuer fest. Die Vorinstanz (FG Düsseldorf v. 23.11.2011 – 7 K 417/10 GE, EFG 2012, 972) gab der Klage statt, lies jedoch die Revision zu.

Der BFH hob die Entscheidung auf und wies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Das durch Provisionsabreden abgesicherte Zusammenwirken auf der Veräußererseite sei nach den Feststellungen des FG zwar darauf gerichtet, dem Kläger das Grundstück im bebauten Zustand mit aufstehender Doppelhaushälfte zu verschaffen. Das FG habe jedoch keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Veräußererseite dem Kläger vor Abschluss des Kaufvertrags über das Grundstück aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung eines bestimmten Gebäudes auf einem bestimmten Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis angeboten habe. Dafür spreche zwar der zeitliche Ablauf, denn der Werkvertrag wurde innerhalb von nur 2 Wochen nach Abschluss des Kaufvertrags über das Grundstück geschlossen. Zudem nehme der Werkvertrag in der Anlage Bezug auf Planungen, die bereits vor Abschluss des Kaufvertrags datieren und möglicherweise den Schluss zulassen, dass die Bebauung des Grundstücks dem Kläger schon vor dem Abschluss des Kaufvertrags angeboten wurde. Konkrete Feststellungen hierzu hat das FG nachzuholen.

Hintergrund: Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs, nach dem sich gem. § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG die als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer anzusetzende Gegenleistung richtet, wird zunächst durch das den Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllende zivilrechtliche Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Beachten Sie: Ergibt sich jedoch aus weiteren Vereinbarungen, die mit diesem Rechtsgeschäft in einem rechtlichen oder zumindest objektiv sachlichen Zusammenhang stehen, dass der Erwerber das beim Abschluss des Kaufvertrags unbebaute Grundstück in bebautem Zustand erhält, bezieht sich der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Erwerbsgegenstand (BFH v. 27.9.2012 – II R 7/12, StBW 2012, 1175).

Indizien für ein einheitliches Vertragswerk: Mögliche Indizien für ein einheitliches Vertragswerk können lt. Rechtsprechung z.B. sein:

  • Der gleichartige Geschehensablauf in Parallelfällen in demselben Baugebiet;
  • das Vorliegen eines einheitlichen Angebots für Grundstück und Gebäude;
  • Stellung des Bauantrags durch die Veräußererseite;
  • Erteilung der Baugenehmigung an die Veräußererseite;
  • zeitliche Nähe der Vertragsabschlüsse/gemeinsamer Ort der Vertragsabschlüsse;
  • Beauftragung des Architekten und/oder der maßgeblichen Bauhandwerker durch die Veräußererseite;
  • Empfehlung bestimmter Bauleistender durch den Veräußerer;
  • Einholung weiterer Angebote von anderen Bauunternehmen spricht nicht gegen ein einheitliches Vertragswerk;
  • Vereinbarung eines Rücktrittsrechts vom Grundstückskaufvertrag zugunsten des Käufers, wenn dieses Rücktrittsrecht bei Leistungsstörungen im Rahmen des Bauerrichtungsvertrags ausgeübt werden kann;
  • Provisionsversprechen/Zahlungen auf der Veräußererseite, in der Regel durch Bauunternehmer an Makler usw.;
  • einheitliche Bauplanung für eine gesamte Reihenhauszeile oder ein Doppelhaus durch die Veräußererseite;
  • personelle Verflechtungen zwischen Veräußerer und Bauträger (insbesondere gleiche nahestehende Gesellschafter);
  • bei Bauherrengemeinschaften die Angabe einer Gesamtinvestitionssumme im Rahmen eines "Beteiligungsangebots".

Beachten Sie: In der Regel kann nur das Zusammentreffen mehrerer Indizien zur Bejahung eines einheitlichen Vertragswerks führen.

Erkennbarkeit eines abgestimmten Verhaltens ist nicht erforderlich: Auf der Veräußererseite können auch mehrere Personen als Vertragspartner auftreten, so dass sich die Ansprüche des Erwerbers auf Übereignung des Grundstücks und auf Errichtung des Gebäudes zivilrechtlich gegen verschiedene Personen richten. In diesen Fällen hat der BFH in früheren Entscheidungen für die Annahme eines einheitlichen Erwerbsvorgangs gefordert, dass das Zusammenwirken für den Erwerber objektiv erkennbar war (BFH v. 27.10.1999 – II R 3/97, BFH/NV 2000, 883). Es handelt sich dabei jedoch nicht um ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal. D.h. für die Annahme eines einheitlichen Erwerbsvorgangs kommt es alleine auf das objektiv vorliegende Zusammenwirken auf der Veräußererseite zur Abgabe eines einheitlichen Angebots an, ohne dass dies für den Erwerber erkennbar sein muss. Ausreichend ist, wenn dieses Zusammenwirken anhand äußerer Merkmale objektiv festgestellt werden kann. Beachten Sie: Selbst wenn der Erwerber trotz des Zusammenwirkens auf der Veräußererseite davon ausgeht, ein unbebautes Grundstück zu erwerben und dieses eigenverantwortlich zu bebauen, erwirbt er das bebaute Grundstück, wenn er – unerkannt – das tatsächlich vorliegende, einheitliche Angebot der Veräußererseite auf Erwerb des bebauten Grundstücks annimmt.

Beraterhinweis: Nach Ansicht des FG Niedersachsen (FG Niedersachsen v. 20.3.2013 - 7 K 223/10, 7 K 224/10, BB 2013, 1750) sollte ein Bauerrichtungsvertrag (Werkvertrag), der im Zusammenhang mit dem Erwerb eines unbebauten Grundstücks (Kaufvertrag) abgeschlossen wird und der für den Bauherrn eine Umsatzsteuerbelastung auslöst, regelmäßig nicht der Grunderwerbsteuer unterliegen. Die Revision wurde zugelassen und ist beim BFH unter dem Aktenzeichen II R 22/13 anhängig. In gleichgelagerten Fällen sollte sich hierauf berufen werden. Einspruchsverfahren ruhen gem. § 363 Abs. 2 Satz 2 AO. Beachten Sie: Die Erfolgsaussichten des Revisionsverfahren sind jedoch nur als sehr gering einzustufen. Denn bereits mit Urteil vom 27.9.2012 (BFH v. 27.9.2012 - II R 7/12, StBW 2012, 1175) hielt der BFH an seiner Rechtsprechung zum einheitlichen Vertragswerk fest und bestätigte damit die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung. Die gegen das Urteil des BFH erhobene Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG ohne nähere Begründung nicht angenommen (BVerfG v. 20.5.2013 - 1 BvR 2766/12). Vorinstanzlich war auch hier der 7. Senat des FG Niedersachsen mit der Sache betraut, der sich bereits auf europäischer Ebene mit seiner Ansicht nicht durchsetzen konnte (vgl. EuGH v. 27.11.2008 - Rs. C-156/08, Vollkommer, UR 2009, 136).

Dipl.-Finw. Martin Hilbertz, Neuwied

Service: BFH v. 19.6.2013 – II R 3/12

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 09.10.2013 13:32

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