Otto Schmidt Verlag


Vorsteueraufteilungsmaßstab bei international tätigen Unternehmen

Art. 17 Abs. 2 und 5 sowie Art. 19 Abs. 1 der 6. EG-RL sind dahin auszulegen, dass eine Gesellschaft, deren Hauptniederlassung in einem Mitgliedstaat ansässig ist, für die Bestimmung des für sie geltenden Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs nicht den Umsatz berücksichtigen kann, den ihre in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Zweigniederlassungen erzielt haben.
Art. 17 Abs. 3 Buchst. a und c sowie Art. 19 Abs. 1 der 6. EG-RL sind dahin auszulegen, dass eine Gesellschaft, deren Hauptniederlassung in einem Mitgliedstaat ansässig ist, für die Bestimmung des für sie geltenden Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs nicht den Umsatz berücksichtigen kann, den ihre in Drittstaaten ansässigen Zweigniederlassungen erzielt haben.
Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat nicht erlaubt, für die Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs für jeden Tätigkeitsbereich einer steuerpflichtigen Gesellschaft eine Regelung vorzusehen, nach der die Gesellschaft den Umsatz berücksichtigen darf, den eine in einem an-eren Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat ansässige Zweigniederlassung erzielt hat.

EuGH v. 12.9.2013 – Rs. C-388/11

LCL ist ein Kreditinstitut, das seine Hauptniederlassung in Frankreich und (unselbständige) Zweigniederlassungen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie in Drittstaaten hat. LCL wollte bei der Ermittlung ihres sog. Pro-rata-Satzes für die Aufteilung von Vorsteuerbeträgen die Einnahmen aus den Umsätzen, die die ausländischen Niederlassungen mit Dritten erzielten, mit einbeziehen, da diese als ihre Einnahmen anzusehen und bei der Berechnung des auf sie angewandten Pro-rata-Satzes zu berücksichtigen seien. Dies hätte zu einem höheren Vorsteuerabzug geführt, den die französischen Finanzbehörden versagten, was der EuGH nun bestätigt hat.
Ausländische Niederlassung führt zur Ansässigkeit in diesem Staat: Eine Gesellschaft, die ihre Hauptniederlassung in einem Mitgliedstaat und eine feste Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat hat, ist aufgrund dieser Tatsache im Hinblick auf die im letztgenannten Staat durchgeführten Tätigkeiten als dort niedergelassen anzusehen und hat keinen Anspruch mehr auf eine Erstattung der dort entrichteten Mehrwertsteuer im Vorsteuer-Vergütungsverfahren. Daraus folgt, dass ein Steuerpflichtiger außer der in seinem Sitzstaat geltenden Regelung so vielen nationalen Regelungen über den Vorsteuerabzug unterliegt, wie es Mitgliedstaaten gibt, in denen er feste Niederlassungen hat.
Modalitäten zum Aufteilungsmaßstab Sache der Mitgliedstaaten: Da aber die Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs Teil der Regelung über den Vorsteuerabzug ist, fallen die Modalitäten dieser Berechnung zusammen mit dieser Regelung in den Geltungsbereich des nationalen Mehrwertsteuerrechts, dem eine Tätigkeit oder ein Umsatz steuerlich zuzuordnen ist. Es ist nämlich Sache der Steuerbehörden jedes Mitgliedstaats, die Methode für die Berechnung des Rechts auf Vorsteuerabzug festzulegen, wozu sie durch Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der 6. EG-RL ermächtigt sind. Eine Berücksichtigung der Umsätze aus anderen Mitgliedstaaten würde daher den in einzelnen Mitgliedstaaten getroffenen steuerpolitischen Entscheidungen entgegenstehen und diese abschwächen.
Keine Berücksichtigung von Umsätzen der Niederlassungen: Eine Gesellschaft, deren Hauptniederlassung in einem Mitgliedstaat ansässig ist, darf deshalb für die Bestimmung des für sie geltenden Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs nicht den Umsatz berücksichtigen, den ihre in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Zweigniederlassungen erzielen. Entsprechendes gilt auch für Niederlassungen außerhalb der Europäischen Union.
Beschränkung der Befugnisse der Mitgliedstaaten: Zwar können die Mitgliedstaaten für einzelne Tätigkeitsbereiche gesonderte Pro-rata-Sätze vorsehen. Diese Tätigkeitsbereiche sind jedoch nicht geografisch zu verstehen, weshalb Umsätze einer ausländischen Niederlassung nicht mit einbezogen werden dürfen.
Beraterhinweis: Der Sachverhalt der Besprechungsentscheidung betraf den Fall, dass die Berücksichtigung der ausländischen Niederlassungsumsätze für die Hauptniederlassung zu einem höheren Vorsteuerabzug geführt hätte. Die Aussagen des EuGH dürften entsprechend auch in den Fällen gelten, in denen sich ein niedriger Abzugsbetrag ergeben würde. Sollte die Finanzverwaltung im Einzelfall dennoch einen globalen Pro-rata-Satz ansetzen wollen, kann dem nun die neue EuGH-Rechtsprechung entgegengehalten werden.
Sollte ein Unternehmen im Ausland Umsätze erzielen ohne dort jedoch über feste Niederlassungen zu verfügen, dürfte eine Einbeziehung in den Aufteilungsmaßstab weiterhin erforderlich sein. § 15 Abs. 4 UStG spricht insoweit nur von Umsätzen und nicht von „im Inland steuerbaren Umsätzen“. Auch Umsätze im Ausland können zum Vorsteuerabzug führen (Umkehrschluss aus § 15 Abs. 2 Nr. 2 UStG).
Dipl.-Finw. Thomas Meurer, Stolberg

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 26.09.2013 11:32

zurück zur vorherigen Seite