Otto Schmidt Verlag


Zinslauf bei rückwirkendem Wegfall eines Investitionsabzugsbetrags

Der Wegfall der Investitionsabsicht vor Ablauf der Investitionsfrist hat zur Folge, dass die Gewinnminderung durch den Investitionsabzugsbetrag rückgängig zu machen ist. Die aus diesem Grund festgesetzte Einkommensteuer war vor Inkrafttreten des § 7g Abs. 3 Satz 4 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG nach § 233a Abs. 2a AO zu verzinsen. Der Zinslauf beginnt damit 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist (entgegen BMF v. 8.5.2009 - IV C 6 – S 2139-b/07/10002, BStBl. I 2009, 633, Rn. 72).

BFH v. 11.7.2013 – IV R 9/12

Die Klägerin (K), eine GmbH & Co. KG, machte für das Wirtschaftsjahr 2007 Investitionsabzugsbeträge nach § 7g Abs. 1 EStG geltend. Das FA gab dem Antrag statt und berücksichtigte die Investitionsabszugsbeträge bei Erlass des Feststellungsbescheids 2007. In einer Anlage zur Bilanz auf den 31.12.2009 löste K die gebildeten Investitionsabzugsbeträge 2007 auf, da sie ihre ursprüngliche Investitionsabsicht aufgegeben hatte. Das FA erließ einen nach § 7g Abs. 3 EStG geänderten Gewinnfeststellungsbescheid. Im Einspruchsverfahren rügte K die angegebene Rechtsgrundlage der Änderung. Diese begründe sich auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO und habe zur Folge, dass von den Gesellschaftern zu leistende Nachzahlungszinsen nach § 233a Abs. 2a AO erst ab dem 15. Monat nach Eintritt des zur Änderung führenden Ereignisses zu verzinsen seien. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg.

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Das FG hatte zutreffend entschieden, dass der angefochtene Bescheid auf einem rückwirkenden Ereignis i.S.d. § 233 Abs. 2a AO beruht. Der geänderte Feststellungsbescheid hätte eine Feststellung darüber enthalten müssen, dass die Änderung auf einem rückwirkenden Ereignis beruht.

Grundsatz der Verzinsung: Führt die Festsetzung der Einkommensteuer zu einem Unterschiedsbetrag i.S.d. § 233a Abs. 3 Satz 1 AO, ist dieser unabhängig davon, zu wessen Gunsten er ausfällt, nach § 233a Abs. 1 Satz 1 AO zu verzinsen. Der Zinslauf beginnt grundsätzlich 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

Bedeutung eines rückwirkenden Ereignisses: Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO beruht, beginnt der Zinslauf abweichend hiervon 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist (§ 233a Abs. 2a AO).

Fehlende gesetzliche Regelung: Zu der Frage, ob und von welchem Zeitpunkt an die sich im Fall der Änderung nach § 7g Abs. 3 EStG aufgrund des geänderten Bescheids ergebende Steuernachzahlung zu verzinsen ist, enthält das EStG in seiner für das Streitjahr geltenden Fassung keine Regelung.

Ablehnung der bisherigen Verwaltungsauffassung: Der bisher seitens der Finanzverwaltung vertretenen Rechtsauffassung, dass sich die Berechnung des Zinslaufs nach § 233a Abs. 2 AO richtet, § 233a Abs. 2a AO nicht zur Anwendung kommt und in den Fällen des § 7g Abs. 3 EStG die Änderung der Steuerfestsetzung nicht auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses beruht, weshalb der Gesetzgeber auch eine eigenständige Korrekturnorm (§ 7g Abs. 3 Satz 2 und 3 EStG) geschaffen hat, hat sich der BFH ausdrücklich nicht angeschlossen.

Bisher existierende Rechtslage nicht ausreichend: Bereits nach bisheriger Rechtslage existierte eine ausdrückliche Regelung allerdings für einen anderen Fall, in dem der Abzug des Investitionsabzugsbetrags nachträglich rückgängig zu machen ist. Wird das Wirtschaftsgut nach der Investition nicht entsprechend den Vorgaben des § 7g Abs. 4 Satz 1 EStG genutzt, muss der Abzug des Investitionsabzugsbetrags rückgängig gemacht werden. Dies geschieht ebenfalls durch rückwirkende Änderung des betreffenden und ggf. bestandskräftigen Steuer- oder Feststellungsbescheids. Für diesen Fall bestimmt § 7g Abs. 4 Satz 4 EStG ausdrücklich, dass § 233a Abs. 2a AO nicht anzuwenden ist.

Kein versehentliches Weglassen: Der BFH konnte auch nicht feststellen, dass die Übernahme der Regelung des § 7g Abs. 4 Satz 4 EStG in § 7g Abs. 3 EStG versehentlich durch den Gesetzgeber unterblieben ist. Insoweit kommt auch keine analoge Anwendung in Betracht.

Ergebnis: Die Aufgabe der Investitionsabsicht nach Erlass des Steuerbescheids, in dem der Investitionsabzugsbetrag berücksichtigt wurde, ist ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 233a Abs. 2a AO. Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist. Für eine andere Rechtsauffassung ist eine gesetzliche Änderung erforderlich.

Beraterhinweis: Der BFH beendet mit seinem Urteil einen seit langem schwelenden Streit in Betriebsprüfungen zwischen Steuerberaterschaft und Finanzverwaltung. Letztere berief sich in der Frage der Verzinsung der aufzulösenden Investitionsabzugsbeträge wegen Aufgabe der Investitionsabsicht auf das BMF-Schreiben v. 8.5.2009 ( a.a.O.). Nunmehr ist klar, dass dieser Rechtsauffassung jegliche Rechtsgrundlage fehlt. Für eine analoge Anwendung der Regelung des § 7g Abs. 4 Satz 4 EStG ist kein Raum und der Wille des Gesetzgebers muss sich im Gesetzeswortlaut widerfinden.

Rechtslage ab VZ 2013: Für die Zukunft bleibt zu beachten, dass das Urteil nur Bedeutung für vergangene Jahre bis einschließlich VZ 2012 hat. Durch eine entsprechende Ergänzung des § 7g Abs. 3 EStG um einen Satz 4 im Rahmen des AmtshilfeRLUmsG wird die Anwendung des § 233a Abs. 2a AO ausdrücklich auch für die Fälle der Aufgabe der Investitionsabsicht ausgeschlossen und damit erstmals gesetzlich geregelt.

Nach § 52 Abs. 1 EStG ist die gesetzliche Neuregelung des § 7g Abs. 3 Satz 4 EStG ab dem VZ 2013 anzuwenden.

Dipl.-Finw., RD, Wilfried Apitz, Sundern

Service: BFH v. 11.7.2013 – IV R 9/12

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 12.09.2013 17:04

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