Otto Schmidt Verlag


Erfassung der Pkw-Nutzung für Familienheimfahrten von Selbständigen

Verfassungsrechtlich ist es nicht geboten, entgegen dem Wortlaut des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG den Vorteil aus der Nutzung eines betrieblichen Pkw für Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung eines selbständig Tätigen außer Ansatz zu lassen.

BFH v. 19.6.2013 – VIII R 24/09

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine Ungleichbehandlung zwischen Arbeitnehmern und Unternehmern bei der steuerlichen Erfassung des Vorteils einer Fahrzeugüberlassung für Familienheimfahrten gerechtfertigt ist. Die Klägerin (K) ist eine Partnerschaftsgesellschaft, an der zwei Rechtsanwälte beteiligt sind. Der ursprünglich in X lebende Partner ist seit 1992 in Y als Rechtsanwalt tätig. In den Streitjahren 2001 bis 2004 unterhielt er in X eine Wohnung, in der auch seine drei Kinder lebten. In Y wohnte er in einer von ihm erworbenen 80 qm großen Eigentumswohnung. In dieser Zeit durfte er zwei Kfz der K auch für private Fahrten und für Fahrten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung nutzen. Diese Nutzung bewertete K pauschal anhand der 1 %-Methode. Die Fahren von X nach Y führte der Partner in dieser Zeit mit einem Pkw sechs und mit dem anderen Pkw sieben Mal durch, sowie daneben sechs Mal mit seinem privaten Pkw. Im Rahmen der Feststellungserklärung begehrte K, den Vorteil für die vom Partner mit den betrieblichen Fahrzeugen durchgeführten Familienheimfahrten i.H.v. 0,002 % des Bruttolistenpreises pro Entfernungskilometer außer Ansatz zu lassen. Das FA folgte dem nicht. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Hinzurechnung: Aufwendungen für ein Kfz des Betriebsvermögens sind gem. § 4 Abs. 4 EStG dem Grunde nach Betriebsausgaben. Aufwendungen, die im Zusammenhang mit einer Familienheimfahrt im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung stehen, dürfen jedoch gem. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 EStG den Gewinn nicht mindern, soweit die Aufwendungen die Pauschalen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG übersteigen. Die technische Umsetzung erfolgt durch Hinzurechnung des positiven Unterschiedsbetrags zwischen 0,002 % des inländischen Listenpreises des genutzten betrieblichen Kfz pro Entfernungskilometer und der Pauschale für eine wöchentliche Familienheimfahrt zum Gewinn.

Im Urteilsfall hat der Partner die Fahrzeuge in jedem Jahr für 13 Familienheimfahren genutzt und dadurch einen Vorteil erlangt, der als Einnahmen der K zu erfassen ist.

Behandlung beim Arbeitnehmer: Arbeitnehmer haben grundsätzlich lohnsteuerpflichtige Einnahmen i.H.v. 0,002 % des inländischen Listenpreises des Fahrzeugs pro Entfernungskilometer bei Nutzung eines betrieblichen Pkw für Familienheimfahrten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung. Von der Erfassung des geldwerten Vorteils kann gem. § 8 Abs. 2 Satz 5 Halbs. 2 EStG abgesehen werden, wenn für die abzugsberechtigte wöchentliche Familienheimfahrt ein Werbungskostenabzug ausgeschlossen ist. Der Nutzungsvorteil kann bei einem Bruttolistenpreis des Pkw von mehr als 15.000 € in 2004 bzw. mehr als 20.000 € in 2001 bis 2003 rechnerisch höher sein als der korrespondierende Werbungskostenabzug. Dies hat der Gesetzgeber aus Vereinfachungsgründen in Kauf genommen.

Behandlung beim selbständigen Unternehmer: Eine Ausnahme von der Hinzurechnung des Zuschlags für die eine begünstigte Familienheimfahrt pro Woche ist in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG nicht geregelt. Somit muss der Unternehmer stets die positive Differenz zur Entfernungspauschale, die sich bei Überschreiten der o.g. Grenzwerte der Bruttolistenpreise ergibt, seinem Gewinn hinzurechnen.

Verfassungsrechtliche Prüfung: Grundsätzlich sind Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern. Der Gesetzgeber darf hiervon abweichen, wenn dies aufgrund besonderer sachlicher Gründe, z.B. außerfiskalischer Förderungs- und Lenkungszwecke oder Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse, gerechtfertigt ist.

Vereinfachung: Aus Sicht des BFH ist die punktuelle Schlechterstellung der Unternehmer gegenüber Beziehern von Überschusseinkünften aus Vereinfachungsgründen gerechtfertigt. Durch die Vereinfachungsregelung des § 8 Abs. 2 Satz 5 Halbs. 2 EStG wird neben dem Arbeitnehmer auch der Arbeitgeber von der Pflicht entlastet, Lohnsteuer für seine Arbeitnehmer einzubehalten und abzuführen. Der Unternehmer hingegen erfüllt in diesem Zusammenhang nur seine eigenen steuerlichen Verpflichtungen. Dieser Unterschied zwischen der Erfüllung von fremden und eigenen Steuerverpflichtungen rechtfertigt die Besserstellung des Arbeitgebers. Die Wirkung auf den Arbeitnehmer ist damit nur ein notwendiger Reflex der bezweckten Vereinfachung für den Arbeitgeber.

Entscheidungsfreiheit: Zudem kann der Unternehmer, - im Gegensatz zum Arbeitnehmer - selbst entscheiden, welches Fahrzeug zu welchem Preis er dem Betriebsvermögen zuordnet und für Familienheimfahrten nutzt. In Bezug auf die Entscheidungsbefugnis bei der Auswahl des konkreten Fahrzeugs bestehen hinreichende Unterschiede zwischen Unternehmer und Arbeitnehmer, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen.

Besteuerungssystematik: Der Unternehmer hat - anders als der Arbeitnehmer - Kosten, die ihm für den Pkw entstanden sind, die er als Betriebsausgaben vollständig abziehen kann. Der Arbeitnehmer hingegen hat für den zur Nutzung überlassenen Pkw keine Kosten getragen und kann auch keine Werbungskosten in Gestalt der Entfernungspauschale abziehen. Systematisch hat sich der Gesetzgeber bei den Überschusseinkünften für ein "Nullsummenspiel" in Gestalt eines Korrespondenzverhältnisses zwischen § 8 Abs. 2 und § 9 EStG entschieden. Würde dieses auf die Gewinneinkünfte übertragen, mit der Folge dass auch beim Unternehmer sowohl auf die Erfassung des Nutzungsvorteils als auch auf den Betriebsausgabenabzug aller Pkw-Kosten verzichtet würde, bedeutete dies eine Schlechterstellung der Unternehmer. Insoweit ist auch diese systembedingte Ungleichbehandlung verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

Beraterhinweis: Der BFH bestätigt die Schlechterstellung des Unternehmers aufgrund des Fehlens einer entsprechenden Vereinfachungsregelung, wie sie im Lohnsteuerabzugsverfahren für Arbeitnehmer vorgesehen ist. Die vom Gesetzgeber für die Arbeitgeber geschaffene Vereinfachungsregelung rechtfertigt jedoch aus Sicht des BFH die – auch systematisch bedingte – Ungleichbehandlung der Unternehmer. Dass typisierende Regelungen im Einzelfall bestimmte Steuerpflichtige härter treffen, liegt zudem im Wesen von Pauschalierungen. Somit wirkt sich die fehlende Vereinfachungsregelung im Bereich der Gewinneinkünfte aus diesen Gründen bei Unternehmern mit älteren Pkw übermäßig aus, gebietet aber gleichwohl keine Korrektur durch die Rechtsprechung.

Dipl.-Finw. Julia Schanko, St. Tönis

Service: BFH v. 19.6.2013 - VIII R 24/09

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 12.09.2013 16:52

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