Otto Schmidt Verlag


Dienstwagenbesteuerung: Lohnsteuerlicher Vorteil bereits mit der tatsächlichen Überlassung

Stellt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer unentgeltlich oder verbilligt ein Fahrzeug zur privaten Nutzung zur Verfügung, führt dies beim Arbeitnehmer auch dann zu einem steuerpflichtigen Vorteil, wenn der Arbeitnehmer das Fahrzeug tatsächlich nicht privat nutzt. Steht allerdings nicht fest, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen hat, kann auch der Beweis des ersten Anscheins diese fehlende Feststellung nicht ersetzen.

BFH v. 21.3.2013 – VI R 31/10
BFH v. 21.3.2013 – VI R 46/11
BFH v. 21.3.2013 – VI R 42/12
BFH v. 18.4.2013 – VI R 23/12

Streitig war der Ansatz eines geldwerten Vorteils wegen der privaten Nutzung eines Firmenwagens.

Im Streitfall des Verfahrens VI R 31/10 hatte die Klägerin (K1), eine Steuerberatungsgesellschaft, ihrem Geschäftsführer einen Dienstwagen zur Verfügung gestellt. Nach dem Anstellungsvertrag durfte er den Dienstwagen auch für Privatfahrten nutzen. Bei der Lohnsteuer setzte K1 für die private Nutzung lediglich eine Kostenpauschale an, denn eine private Nutzung des Dienstwagens habe nicht stattgefunden. Im Anschluss an eine Lohnsteueraußenprüfung erließ das FA einen Lohnsteuerhaftungsbescheid. Die Vorinstanz (FG Niedersachsen v. 25.6.2009 – 11 K 72/08, EFG 2010, 1185) wies die hiergegen erhobene Klage ab. Der BFH ließ zunächst die Revision zu (BFH v. 6.5.2010 – VI B 80/09). Diese blieb jedoch erfolglos. Denn die vom Arbeitgeber gewährte Möglichkeit, den Dienstwagen auch privat nutzen zu dürfen, führt beim Arbeitnehmer zu einem Vorteil, der als Lohn zu versteuern ist. Ob der Arbeitnehmer von der Möglichkeit der privaten Nutzung Gebrauch gemacht hat, ist dafür unerheblich.

Unter dem Aktenzeichen VI R 46/11 verhandelte der BFH den Fall eines Elektromonteurs, der Gesellschafter-Geschäftsführer der A-GmbH war. Nach Ansicht des FA spreche aufgrund seiner Einflussmöglichkeiten als Gesellschafter-Geschäftsführer der Beweis des ersten Anscheins für eine auch private Nutzung des an den Steuerpflichtigen überlassenen Pkw. Die Vorinstanz (FG Berlin-Brandenburg v. 13.4.2011 – 14 K 14175/07, DStRE 2012, 1368) wies die Klage ab. Der BFH ließ die Revision zu (BFH v. 5.10.2011 – VI B 63/11). Das Revisionsverfahren führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG. Dieses wird nunmehr zu ermitteln haben, ob der Kläger arbeitsvertraglich zur privaten Nutzung des Pkw befugt war. Denn diese Feststellung kann auch der Beweis des ersten Anscheins nicht ersetzen.

Die beiden weiteren Streitfälle (VI R 42/12 und VI R 23/12) waren von einer ähnlichen Problematik wie das zuvor angeführte Verfahren geprägt.

Hintergrund: Überlässt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer unentgeltlich oder verbilligt einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung, führt das zu einem als Lohnzufluss nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erfassenden steuerbaren Nutzungsvorteil des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer ist um den Betrag bereichert, den er für eine vergleichbare Nutzung aufwenden müsste und den er sich durch die Überlassung des Fahrzeugs durch den Arbeitgeber erspart.

Unabhängig von der tatsächlichen Nutzung: Beim Arbeitnehmer ist unabhängig davon, ob und in welchem Umfang der Arbeitnehmer den betrieblichen Pkw tatsächlich privat nutzt, ein geldwerter Vorteil zu erfassen. D.h. der Vorteil fließt bereits mit der Inbesitznahme des Dienstwagens und nicht erst mit der tatsächlichen privaten Nutzung des Pkw zu. Damit hat der BFH seine bisherige Rechtsprechung korrigiert. Bisher wurde in derartigen Fällen die tatsächliche private Nutzung des Fahrzeugs vermutet. Der Steuerpflichtige konnte die Vermutung unter engen Voraussetzungen widerlegen. Diese Möglichkeit ist mit der neuen Rechtsprechung entfallen. Der Anspruch auf eine vom Arbeitgeber zugesagte Leistung, den dienstlichen Pkw auch privat nutzen zu dürfen, führt hingegen noch nicht zu einem Zufluss des geldwerten Vorteils.

Überlassung muss feststehen: Die Anwendung der 1 %-Regelung setzt voraus, dass der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer tatsächlich einen Dienstwagen zur privaten Nutzung arbeitsvertraglich oder doch mindestens auf Grundlage einer konkludent getroffenen Nutzungsvereinbarung tatsächlich überlassen hat (BFH v. 6.10.2011 – VI R 56/10, StBW 2012, 15). Steht dies nicht fest, kann auch der Beweis des ersten Anscheins diese fehlende Feststellung nicht ersetzen. Beachten Sie: Allein die Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte begründet noch keine Überlassung zur privaten Nutzung i.S.d. § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG (BFH v. 6.10.2011 – VI R 56/10, StBW 2012, 15).

Unbefugte Nutzung reicht nicht: Der Ansatz eines lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteils rechtfertigt sich nur insoweit, als der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gestattet, den Dienstwagen privat zu nutzen. Die unbefugte Privatnutzung des betrieblichen Pkw hat dagegen keinen Lohncharakter. Ein Vorteil, den sich der Arbeitnehmer gegen den Willen des Arbeitgebers selbst zuteilt, wird nicht „für“ eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt und zählt damit nicht zum Arbeitslohn nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG (BFH v. 11.2.2010 - VI R 43/09, StBW 2010, 297).

Auch bei Familienunternehmen: Die vorgenannten Grundsätze gelten ebenso beim angestellten Geschäftsführer eines Familienunternehmens. Auch in einem solchen Fall lässt sich kein allgemeiner Erfahrungssatz des Inhalts feststellen, dass ein Privatnutzungsverbot nur zum Schein ausgesprochen ist oder der Geschäftsführer ein Privatnutzungsverbot generell missachtet. Beachten Sie: Hier kann die unbefugte Nutzung zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führen. Allerdings liegt bei einer nachhaltigen „vertragswidrigen“ privaten Nutzung eines betrieblichen Pkw durch den anstellungsvertraglich gebundenen Gesellschafter-Geschäftsführer der Schluss nahe, dass Nutzungsbeschränkung oder -verbot nicht ernstlich gemeint sind, sondern lediglich „auf dem Papier stehen“, da üblicherweise der Arbeitgeber eine unbefugte Nutzung durch den Arbeitnehmer nicht duldet. Unterbindet der Arbeitgeber (Kapitalgesellschaft) die unbefugte Nutzung durch den Arbeitnehmer (Gesellschafter-Geschäftsführer) nicht, kann dies sowohl durch das Beteiligungsverhältnis, als auch durch das Arbeitsverhältnis veranlasst sein. Die Zuordnung bedarf dann der wertenden Betrachtung aller Gesamtumstände des Einzelfalls, bei der immer auch zu berücksichtigen ist, dass die „vertragswidrige“ Privatnutzung auf einer vom schriftlich Vereinbarten abweichenden, mündlich oder konkludent getroffenen Nutzungs- oder Überlassungsvereinbarung beruhen und damit im Arbeitsverhältnis wurzeln kann (BFH v. 23.4.2009 – VI R 81/06, EStB 2009, 262).

Beraterhinweis: Der BFH hat noch einmal betont, dass er die 1 %-Regelung bereits mehrfach als verfassungsgemäß erachtet hat. Die tatsächlichen Nutzungsverhältnisse können nur durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden. Es sollte im Einzelfall geprüft werden, ob die Ermittlung des geldwerten Vorteils nach der Fahrtenbuchmethode günstiger ist. Versäumt es der Arbeitnehmer, dem Arbeitgeber ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch vorzulegen oder weigert sich der Arbeitgeber - etwa aus haftungsrechtlichen Gründen - im Lohnsteuerabzugsverfahren ein Fahrtenbuch zu berücksichtigen, kann auch noch im Rahmen der Einkommensteuererklärung der Bruttoarbeitslohn entsprechend korrigiert werden. Hierzu hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die notwendigen Daten (z.B. Kosten, Bescheinigung über den lohnversteuerten Betrag) zur Verfügung zu stellen. Neben diesen Unterlagen hat der Arbeitnehmer das Fahrtenbuch der Einkommensteuererklärung beizufügen. Beachten Sie: Ein Wechsel von der pauschalen Ermittlung auf die tatsächlich anfallenden Kosten ist nur zum Jahreswechsel möglich, es sei denn, es wird ein neues Fahrzeug angeschafft.

Dipl.-Finw. Martin Hilbertz, Neuwied

Service: BFH v. 21.3.2013 – VI R 31/10
BFH v. 21.3.2013 – VI R 46/11
BFH v. 21.3.2013 – VI R 42/12
BFH v. 18.4.2013 – VI R 23/12

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 12.07.2013 11:04

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