Otto Schmidt Verlag


Aufwandsunabhängige Inanspruchnahme der Entfernungspauschale für Familienheimfahrten

Die Entfernungspauschale für eine wöchentliche Familienheimfahrt im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung kann aufwandsunabhängig in Anspruch genommen werden. Steuerfrei geleistete Reisekostenvergütungen und steuerfrei gewährte Freifahrten sind jedoch mindernd auf die Entfernungspauschale anzurechnen.

BFH v. 18.4.2013 – VI R 29/12

Im entschiedenen Fall war streitig, ob bei steuerfrei gewährten kostenlosen Familienheimfahrten mit der Bahn die Entfernungspauschale angesetzt werden kann. Der bei der Bahn angestellte Kläger (K) machte in seiner Einkommensteuererklärung für 2007 im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung 48 Familienheimfahrten geltend. 11 Fahrten führte K mit seinem Pkw durch; diese wurden vom FA anerkannt. Die übrigen Familienheimfahrten erfolgten mit der Bahn. Hierfür entstanden K keine Aufwendungen. Mit dem Argument, K könne die Entfernungspauschale nicht in Anspruch nehmen, soweit er die Aufwendungen für die Familienheimfahrten nicht selbst getragen habe, lehnten sowohl das FA als auch die Vorinstanz (FG Sachsen-Anhalt v. 12.12.2011 – 1 K 1228/09, EFG 2012, 1040) eine entsprechende Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen ab.

Die hiergegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde (BFH v. 9.5.2012 – VI B 15/12) war erfolgreich. Der VI. Senat des BFH hob im Revisionsverfahren die Vorentscheidung auf und wies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück. Dieses wird nunmehr u.a. Feststellungen zu den nach § 3 Nr. 16 EStG steuerfrei geleisteten Reisekostenvergütungen und den nach § 8 Abs. 3 EStG steuerfreien Sachbezügen (Freifahrten) zu treffen haben.

Abzug von Familienheimfahrten …: Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG können im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung Aufwendungen für die Wege vom Beschäftigungsort zum Ort des eigenen Hausstands und zurück (Familienheimfahrten) jeweils nur für eine Familienheimfahrt wöchentlich als Werbungskosten abgezogen werden. Zur Abgeltung der Aufwendungen für eine Familienheimfahrt ist eine Entfernungspauschale von 0,30 € für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen dem Ort des eigenen Hausstands und dem Beschäftigungsort anzusetzen.

... auch aufwandsunabhängig möglich: Die Entfernungspauschale für eine wöchentliche Familienheimfahrt kann wie die Entfernungspauschale für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte verkehrsmittelunabhängig und selbst dann in Anspruch genommen werden, wenn der Steuerpflichtige für diese Fahrten keine Kosten getragen hat. Nach Ansicht des VI. Senats ist die darin liegende Begünstigung vom Gesetzgeber gewollt und durch umwelt- und verkehrspolitische Lenkungszwecke gerechtfertigt.

Anrechnung von steuerfreien Arbeitgeberleistungen: Vom Arbeitgeber steuerfrei geleistete Reisekostenvergütungen nach § 3 Nr. 16 EStG und steuerfreie Sachbezüge (gewährte Freifahrten; § 8 Abs. 3 EStG) sind jedoch mindernd auf die Entfernungspauschale anzurechnen.
Beraterhinweis: Die zwei folgenden gesetzlichen Sonderregelungen sind zu beachten:

  • Bei einer steuerfreien Sammelbeförderung scheidet ein Werbungskostenabzug aus (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 5 i.V.m. Nr. 4 Satz 5 EStG).
  • Aufwendungen für Familienheimfahrten des Arbeitnehmers mit einem vom Arbeitgeber überlassenen Dienstwagen führen ebenfalls nicht zum Werbungskostenabzug (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 6). Diese Vorgehensweise bestätigte erst kürzlich der BFH (BFH v. 28.2.2013 – VI R 33/11, StBW 2013, 593). Beachten Sie: Ein Werbungskostenabzug scheidet selbst dann aus, wenn das Fahrzeug nicht dem einzelnen Arbeitnehmer, sondern einer größeren Anzahl überlassen wird, wenn der Arbeitnehmer das Fahrzeug nicht selbst fährt und wenn mit dem Fahrzeug auch Material und Werkzeuge transportiert werden (FG Sachsen v. 16.7.2003 – 7 K 1774/02, EFG 2003, 1529).

Dipl.-Finw. Martin Hilbertz, Neuwied

Service: BFH v. 18.4.2013 – VI R 29/12

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 09.07.2013 16:05

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