Otto Schmidt Verlag


(Rück-)Wirkung von Rechnungskorrekturen

Die Bestimmungen des Unionsrechts sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, wonach das Recht auf Vorsteuerabzug den Leistungsempfängern verweigert werden kann, die unvollständige Rechnungen besitzen, auch wenn diese durch die Vorlage von Informationen nach Erlass einer solchen ablehnenden Entscheidung vervollständigt werden. Der Grundsatz der Steuerneutralität verwehrt einer Steuerverwaltung nicht, die Erstattung der von einem Dienstleistungserbringer entrichteten Mehrwertsteuer zu verweigern, obwohl den Empfängern dieser Dienstleistungen die Ausübung des Rechts auf Abzug der Mehrwertsteuer wegen Unregelmäßigkeiten bei den ausgestellten Rechnungen versagt wurde.

EuGH v. 8.5.2013 Rs. C-271/12, Petroma Transports u.a.

Die Gesellschafter der Martens-Gruppe übten verschiedene Tätigkeiten mit Erdölprodukten aus. Die Hauptgesellschaft Petroma Transports SA (Petroma) erbrachte Personalgestellungen an die anderen Gesellschaften dieser Gruppe, die stundenweise abgerechnet wurden. Die belgische Steuerverwaltung versagte den Gesellschaften aus den Rechnungen der Petroma den Vorsteuerabzug, da die Rechnungen nur einen Gesamtbetrag ohne Angabe des Preises je Einheit und der Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden auswiesen. Nach Erlass einer ablehnenden Entscheidung durch die belgischen Behörden wurden von den Unternehmen zusätzliche Informationen vorgelegt, aus denen die fehlenden Angaben hervorgingen.

Grundsätzlich Rechnungsberichtigung möglich: Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem verbietet es nicht, fehlerhafte Rechnungen zu berichtigen. Wenn alle für das Recht auf Vorsteuerabzug notwendigen materiell-rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind und der Steuerpflichtige der betreffenden Behörde vor Erlass ihrer Entscheidung eine berichtigte Rechnung zuleitet, kann ihm das Recht auf Vorsteuerabzug daher grundsätzlich nicht mit der Begründung abgesprochen werden, dass die ursprüngliche Rechnung einen Fehler enthielt.

Ausnahme: Allerdings ist in Bezug auf den Rechtsstreit festzustellen, dass die notwendigen Informationen, mit denen die Rechnungen vervollständigt und in Ordnung gebracht werden sollten, vorgelegt wurden, nachdem die Steuerverwaltung ihre ablehnende Entscheidung über den Vorsteuerabzug erlassen hatte, so dass vor Erlass dieser Entscheidung die dieser Verwaltung zugeleiteten Rechnungen noch nicht berichtigt worden waren.

Besteuerung beim Leistenden erfolgt unabhängig: Der Grundsatz der Steuerneutralität verbietet es einer Steuerverwaltung nicht, die Umsatzsteuer beim leistenden Unternehmer zu erheben, obwohl den Empfängern dieser Dienstleistungen der Vorsteuerabzug wegen nicht ordnungsgemäß ausgestellter Rechnungen versagt wurde.

Beraterhinweis: Seit dem Ergehen des EuGH-Urteils in der Rs. Pannon Gép Centrum (EuGH v. 15.7.2010 - Rs. C-368/09, EU-UStB 2010, 44) wird in Rechtsprechung und Literatur diskutiert, ob eine nachträgliche Rech-nungskorrektur auf den Zeitpunkt der Ursprungsrechnung zurückwirkt oder nur für die Zukunft gilt. Letzteres wird weiterhin von der Finanzverwaltung vertreten (vgl. Abschn. 15.2. Abs. 5 UStAE). Mit dem Besprechungsurteil könnte die Entscheidung dahingehend gefallen sein, dass der EuGH die Rückwirkung einer Rechnungskorrektur dann anerkennt, wenn die berichtigte Rechnung vor Erlass des Änderungsbescheids der Finanzverwaltung zugeht. Denn der EuGH hatte in diesem Streitfall den Vorsteuerabzug ausschließlich mit dem Argument der verspäteten Ergänzung der – inhaltlich nicht ordnungsgemäßen – Rechnung begründet. In der Rs. Pannon Gép Centrum hatte er hingegen den Vorsteuerabzug anerkannt, da die Berichtigung der Rechnung vor dem Änderungsbescheid ergangen war.

Geklärt sein dürfte auch die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt spätestens eine Berichtigung mit Rückwirkung zulässig ist. Der EuGH stellt auf den Erlass der „ablehnenden Entscheidung über den Vorsteuerabzug“ ab. Damit dürfte das Datum des Änderungsbescheids, mit dem der Vorsteuerabzug versagt werden soll, entscheidend sein.

Im Besprechungsfall erfolgte die Rechnungsberichtigung durch die Nachreichung von weiteren Informationen, wobei nicht explizit erwähnt wird, wer diese Informationen nachgereicht hatte. Nach Auffassung des nationalen Gesetzgebers müssen die fehlenden oder unzutreffenden Angaben durch ein Dokument, das spezifisch und eindeutig auf die Rechnung bezogen ist, (durch den Rechnungsaussteller) übermittelt werden (§ 31 Abs. 5 UStDV). Da für den EuGH nicht relevant war, wer die Informationen vorgelegt hatte, wäre denkbar, dass auch der Leistungsempfänger aus vorliegenden Unterlagen die fehlenden Angaben ergänzen darf.

In seinem Beschluss vom 20.7.2012 (BFH v. 20.7.2012 - V B 82/11, StBW 2012, 836) hatte der BFH zumindest bei einer „Mindestrechnung“ die Rückwirkung einer Rechnungskorrektur für ernstlich zweifelhaft gehalten. Dabei gehörte für den BFH zu den Mindestanforderungen an eine Rechnung auch die Leistungsbeschreibung. Im Besprechungsurteil hätte der EuGH bei rechtzeitiger Korrektur wohl auch die Ergänzung bzgl. des Umfangs der Leistung zugelassen, was nicht im Einklang mit dem vorgenannten BFH-Beschluss stehen dürfte.

Dipl.-Finw., Thomas Meurer, Stolberg

Service: EuGH v. 8.5.2013 Rs. C-271/12, Petroma Transports u.a.

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 29.05.2013 15:54

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