Otto Schmidt Verlag


Rückstellungen für Kostenüberdeckungen eines kommunalen Zweckverbands

Ist eine sog. Kostenüberdeckung nach Maßgabe öffentlich-rechtlicher Vorschriften (hier: nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 SächsKAG für die Nutzungsentgelte im Rahmen der öffentlichen Wasserversorgung) in der folgenden Kalkulationsperiode auszugleichen (Rückgabe der Kostenüberdeckung durch entsprechende Preiskalkulation der Folgeperiode), liegt eine rückstellungsfähige ungewisse Verbindlichkeit vor.

BFH v. 6.2.2013I R 62/11

Der Kläger (K), ein Zweckverband verschiedener Städte und Gemeinden in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts hatte die Aufgabe der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung. Die Aufgabe ist nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ohne einen Gewinn anzustreben zu erfüllen. Das einschlägige Kommunalabgabengesetz sah vor, dass die Kosten bei der Gebührenbemessung in einem mehrjährigen Zeitraum berücksichtigt werden können, der jedoch höchstens fünf Jahre umfassen soll. Kostenüberdeckungen, die sich am Ende des Bemessungszeitraums ergeben, sind innerhalb der folgenden fünf Jahre auszugleichen. K wies in seinen Bilanzen entsprechende Zuführungen zu Rückstellungen für Kostenüberdeckungen aus. Das FA rechnete die Rückstellungen einkommenserhöhend hinzu und setzte die Körperschaftsteuer entsprechend fest. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte keinen Erfolg.

Der BFH hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Das FG hatte zu Unrecht angenommen, dass die Voraussetzungen für eine einkommensmindernde Berücksichtigung der Kostenüberdeckung nicht erfüllt sind. Allerdings bedarf es zur zeitlichen Zuordnung und zur Höhe des Ansatzes weiterer Feststellungen des FG.

Voraussetzungen zur Rückstellungsbildung: Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist entweder - erstens - das Bestehen einer dem Betrag nach ungewissen, dem Grunde nach aber bestehenden Verbindlichkeit oder - zweitens - die hinreichende Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens einer - ggf. zugleich auch ihrer Höhe nach noch ungewissen - Verbindlichkeit.

Prüfung nach objektiven Tatsachen: Diese Voraussetzungen sind im Einzelfall auf der Grundlage objektiver, am Bilanzstichtag vorliegender Tatsachen aus der Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns zu beurteilen. Dieser muss darüber hinaus ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme rechnen.

Wirtschaftlicher Bezug auf Zeitraum vor Bilanzstichtag: Für die Passivierung rechtlich noch nicht bestehender Verbindlichkeiten ist des Weiteren ein wirtschaftlicher Bezug der möglicherweise entstehenden Verbindlichkeit zum Zeitraum vor dem jeweiligen Bilanzstichtag erforderlich.

Öffentlich-rechtliche Verpflichtung ausreichend: Die Bildung für eine aufgrund öffentlich-rechtlicher Bestimmungen begründeten Verpflichtung setzt voraus, dass die öffentlich-rechtliche Verpflichtung hinreichend konkretisiert ist. Dabei muss die Verpflichtung auf ein bestimmtes Handeln innerhalb eines bestimmten oder zumindest bestimmbaren Zeitraums abzielen.

Regelfall: Diese Voraussetzungen werden im Regelfall bei Erlass einer behördlichen Verfügung oder bei Abschluss einer entsprechenden verwaltungsrechtlichen Vereinbarung vorliegen.

Ausnahme: Einer solchen Umsetzung bedarf es allerdings nicht, wenn ein entsprechend konkreter Gesetzesbefehl vorliegt.

Anknüpfung an Sanktionen: Für die Rückstellbarkeit einer sich aus öffentlichem Recht ergebenden Verpflichtung ist weiter erforderlich, dass an ihre Verletzung Sanktionen geknüpft sind, so dass sich der Steuerpflichtige der Erfüllung der Verpflichtung im Ergebnis nicht entziehen kann.

Folgen für den Streitfall: Im Streitfall war die Verbindlichkeit nach diesen Maßgaben hinreichend konkretisiert und zugleich mit einer auf ein bestimmtes Handeln innerhalb eines bestimmten Zeitraums abzielenden Verpflichtung verbunden. Das einschlägige Kommunalabgabengesetz verpflichtet K, Kostenüberdeckungen, die sich am Ende einer Kalkulationsperiode ergeben haben, innerhalb der folgenden fünf Jahre auszugleichen. Insoweit ergibt sich je nach dem tatsächlich erzielten wirtschaftlichen Ergebnis der jeweiligen Abrechnungsjahre eine durch dieses Ergebnis veranlasste Ausgleichspflicht, der sich die Körperschaft des öffentlichen Rechts fügen muss. Da ein Beschluss für die Folgeperiode, der die Rückgabe der Überdeckungen nicht vorsieht, rechtswidrig wäre, kann sich die Körperschaft des öffentlichen Rechts dieser Verpflichtung nicht entziehen. Bei einem Verstoß ist mit Sanktionen durch die Aufsichtsbehörde zu rechnen. Damit sind alle Voraussetzungen zur Rücklagenbildung dem Grunde nach erfüllt.

Beraterhinweis: Der Rückstellungsbildung steht nicht entgegen, dass infolge einer Verrechnung der Kostenüberdeckung in der Preiskalkulation der nachfolgenden Periode in jener nicht der Aufwand der Jahre erhöht, sondern die Einnahmen vermindert werden. Die Rückstellungsbildung soll nämlich im Interesse eines periodengerechten Gewinnausweises gewährleisten, dass am Bilanzstichtag verursachte potentiell gewinnmindernde Faktoren in der Bilanz berücksichtigt werden.

Gleichbehandlung: Dabei kann es für die Rückstellungsfähigkeit aber keinen Unterschied machen, ob die spätere Erfüllung einer bestehenden Verbindlichkeit zu einer Erhöhung des Aufwands oder zu einer Verminderung der Einnahmen führt. In beiden Fällen ist am Bilanzstichtag von einer Minderung des Ergebnisses auszugehen, so dass es im Hinblick auf dieses Tatbestandsmerkmal sachgerecht ist, in beiden Fällen die Frage der Zulässigkeit einer Rückstellung übereinstimmend zu beantworten.

Kein Verstoß gegen § 5 Abs. 2a EStG: Dem einkommensmindernden Ansatz der Kostenüberdeckung steht § 5 Abs. 2a EStG nicht entgegen. Das Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG setzt voraus, dass sich der Anspruch des Gläubigers nur auf künftiges Vermögen - nicht: auf am Bilanzstichtag vorhandenes Vermögen - des Schuldners bezieht. An einer aktuellen wirtschaftlichen Belastung des Vermögens des Schuldners bestehen bei einer Rückgabe der Kostenüberdeckung durch entsprechende Preiskalkulation der Folgeperiode keine begründeten Zweifel, wenn der Betrieb, der die zukünftigen Einnahmen und Gewinne erwirtschaftet, mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit für die Dauer der Ausgleichsperiode aufrechterhalten und damit die Erfüllung der Ausgleichverpflichtung realisiert wird.

Dipl.-Finw., RD, Wilfried Apitz, Sundern

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 17.05.2013 11:50

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