Otto Schmidt Verlag


Doppelte Haushaltsführung bei gemeinsamer Haushaltsführung von Eltern und erwachsenen Kindern

Dient die Wohnung am Beschäftigungsort dem Steuerpflichtigen lediglich als Schlafstätte, ist regelmäßig davon auszugehen, dass sich der Mittelpunkt der Lebensführung noch am Heimatort befindet. Ein eigener Hausstand kann auch dann unterhalten werden, wenn der Erst- oder Haupthausstand gemeinsam mit den Eltern oder einem Elternteil geführt wird. Einer gleichmäßigen Beteiligung des Kindes an den laufenden Haushalts- und Lebenshaltungskosten bedarf es hierfür nicht. Bei erwachsenen, berufstätigen Kindern, die zusammen mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einem gemeinsamen Haushalt wohnen, ist im Regelfall davon auszugehen, dass sie die Führung des Haushalts maßgeblich mitbestimmen.

BFH v. 16.1.2013 – VI R 46/12

Ein allein stehender Chemiker hatte in der Nähe seines neuen Arbeitsplatzes einen Zweitwohnsitz begründet. Seinen Hauptwohnsitz behielt er bei und wohnte dort zusammen mit seiner Mutter in einem Einfamilienhaus, wo er das Schlaf- und Arbeitszimmer sowie ein Badezimmer allein nutzte. Die Küche, das Ess- und Wohnzimmer wurden von ihm und seiner Mutter gemeinsam genutzt. In seiner Steuererklärung machte er Mehraufwendungen für die doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit geltend, die das FA und das FG nicht anerkannten. FA und FG gingen davon aus, dass der Chemiker an seinem Hauptwohnsitz keinen eigenen Hausstand unterhalten habe, sondern lediglich in den Haushalt der Mutter eingegliedert gewesen sei.

Auf die Revision des Klägers hat der BFH die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen.

Hausstand i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG: Nach dieser Vorschrift ist Hausstand der Haushalt, der am Lebensmittelpunkt geführt wird, also der Erst- oder Haupthaushalt. Allein das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder Ferienaufenthalte genügt nicht. Ebenfalls fehlt ein eigener Hausstand, wenn auswärts beschäftigte Alleinstehende die Haushaltsführung nicht wesentlich mitbestimmen, sondern in den Hausstand eingegliedert sind, wie dies regelmäßig bei jungen Arbeitnehmern oder Auszubildenden der Fall ist, die im elterlichen Haushalt weiterhin ein Zimmer bewohnen.

Erwachsene Kinder: Anders ist es bei älteren, wirtschaftlich selbständigen, berufstätigen Kindern, die mit Eltern in einem gemeinsamen Haushalt leben. Hier ist davon auszugehen, dass sie die Haushaltsführung wesentlich mitbestimmen, so dass ihnen der Hausstand als eigener zugerechnet werden kann. Diese Regelvermutung gilt insbesondere dann, wenn die Wohnung am Beschäftigungsort im Wesentlichen nur als Schlafstätte dient. Entspricht die Wohnsituation am Heimatort der Wohnung am Beschäftigungsort in Größe und Ausstattung oder übertrifft sie diese, ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen und damit der Haupthaustand nicht an den Beschäftigungsort verlagert hat.

Keine abgeschlossene Wohnung erforderlich: Der Annahme eines eigenen Hausstands am Heimatort steht nicht entgegen, dass dort keine abgeschlossene Wohnung vorhanden ist. Ein eigener Hausstand kann vielmehr auch dann unterhalten werden, wenn der Erst- oder Haupthausstand gemeinsam mit den Eltern (bzw. einem Elternteil) geführt wird. Auch eine finanzielle Beteiligung an dem gemeinsamen Haushalt ist nicht erforderlich. Die Entgeltlichkeit hat lediglich Indizfunktion.

Beraterhinweis: Mit dieser Entscheidung lockert der BFH die Anforderungen an die Beibehaltung des eigenen Hausstands im Haushalt der Eltern. Zu unterscheiden ist jedoch zwischen Jugendlichen und Erwachsenen. Mit zunehmendem Alter und erhöhter wirtschaftlicher Selbständigkeit spricht mehr dafür, dass Kinder die Haushaltsführung mitbestimmen und damit im gemeinsamen Haushalt mit den Eltern ihren eigenen Hausstand unterhalten.

Diese positive Entscheidung des BFH wirft jedoch die Frage auf, ab welchem Zeitpunkt und bei welchen Einkommensverhältnissen von der wirtschaftlichen Selbständigkeit eines Kindes auszugehen ist. Diese Frage wird nach Auffassung des Verfassers demnächst die Gerichte beschäftigen. Allerdings wird dies nur noch für die Jahre bis einschließlich 2013 von Bedeutung sein, da ab 2014 strengere Anforderungen an das Vorliegen eines eigenen Hausstands gelten. Als Reaktion auf die großzügige (neuere) BFH-Rechtsprechung verlangt nämlich das Gesetz wieder - entsprechend der früheren Rechtsprechung - eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung (Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts v. 20.2.2013, BStBl I 2013, 188).

StB Dipl.-Finw. (FH) Georg Schmitt, Limburg

Service: BFH v. 16.1.2013 – VI R 46/12

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 29.04.2013 16:32

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