Otto Schmidt Verlag


Positive Differenz der Rückgewähr von Einlagen gegenüber den Anschaffungskosten

Der i.S.v. § 17 Abs. 1 EStG qualifiziert beteiligte Gesellschafter erzielt steuerbare Einnahmen aus § 17 Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG durch die Zurückzahlung von Beträgen aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S.d. § 27 KStG nur, soweit diese die Anschaffungskosten der Beteiligung übersteigen. Das nachträgliche Bekanntwerden der Anschaffungskosten rechtfertigt eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO.

BFH v. 19.2.2013 – IX R 24/12

Der Kläger (K) erwarb eine 70 %-ige Beteiligung an einer GmbH. Im Streitjahr erhielt K eine Ausschüttung aus dem steuerlichen Einlagekonto, die die Anschaffungskosten bei weitem überschritt. Im Rahmen seiner mit Hilfe eines steuerlichen Beraters erstellten Einkommensteuererklärung machte K keine Angaben zu der von der GmbH erhaltenen Ausschüttung oder über seine Anschaffungskosten der Beteiligung. Er fügte seiner Erklärung lediglich eine Steuerbescheinigung der GmbH über die Ausschüttung aus dem steuerlichen Einlagekonto bei. Das FA berücksichtigte im Rahmen der Steuerfestsetzung keine Einkünfte i.S.d. § 17 EStG. Nach einer Außenprüfung gelangte das FA zu der Auffassung, dass K durch die Ausschüttung einen Veräußerungsgewinn nach § 17 Abs. 4 EStG erzielt habe und änderte die Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte keinen Erfolg.

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Das FG hatte zu Recht die Änderungsmöglichkeit nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bejaht und einen Veräußerungsgewinn nach § 17 Abs. 4 EStG angesetzt.

Bedeutung der Anschaffungskosten in § 17 Abs. 4 EStG: Die Anschaffungskosten im Tatbestand des § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG haben eine die Steuerbarkeit leitende Funktion. Wird eine qualifizierte Beteiligung nach § 17 Abs. 1 EStG veräußert, ist der Veräußerungspreis steuerbar, auch wenn die Veräußerung deshalb zu einem Verlust führt, weil der Preis die Anschaffungskosten nicht übersteigt.

Rückzahlung aus steuerlichem Einlagekonto: Anders verhält es sich bei dem Ersatztatbestand der Zurückzahlung von Beträgen aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S.d. § 27 KStG. Hier bilden die Anschaffungskosten Erwerbsaufwendungen nur, soweit die Zurückzahlung die Anschaffungskosten übersteigen. Der übersteigende Teil des Rückzahlungsbetrags allein ist steuerbare Einnahme und aktuell zu 60 % steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn i.S.v. § 17 Abs. 4 Satz 2 und Abs. 2 i.V.m. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG.

Erfolgsneutrale Behandlung: Sind die zurückgezahlten Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S.d. § 27 KStG niedriger als die Anschaffungskosten, mindern sie die Anschaffungskosten der Beteiligung erfolgsneutral, führen also per se nicht zu steuerbaren Einnahmen.

Spätere steuerliche Auswirkung: Erst dann, wenn der Steuerpflichtige später einen Steuertatbestand i.S.d. § 17 EStG (Veräußerung oder Ersatztatbestand) verwirklicht, erfasst das Gesetz die zurückgezahlte Einlage mit dem wegen geminderter Anschaffungskosten höheren Veräußerungsgewinn.

Bedeutung der Zurückzahlung aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S.d. § 27 KStG: Liegen die Voraussetzungen eines Steuertatbestands i.S.d. § 17 Abs. 1 oder Abs. 4 EStG aber nicht vor, werden die zurückgezahlten Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto steuerneutral mit den höheren Anschaffungskosten verrechnet. Deshalb handelt es sich bei der Zurückzahlung von Beträgen aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S.d. § 27 KStG nicht um eine steuerbare Einnahme, sondern um eine Position, welche die Anschaffungskosten der Beteiligung mindert.

Fehlende Anschaffungskosten: Der Umstand, dass dem FA keine Erwerbsaufwendungen erklärt werden, hindert das FA nicht daran, den Steueranspruch festzustellen. Werden keine Anschaffungskosten erklärt, können sie ggf. geschätzt werden. Besteht dafür keine Grundlage, muss das FA den Steuertatbestand erfassen, ohne Erwerbsaufwendungen zu berücksichtigen.

Bedeutung für den Streitfall: Im Besprechungsfall wusste das FA mit seiner bloßen Erkenntnis des Rückzahlungsbetrags ohne Kenntnis der Anschaffungskosten nichts von einer steuerbaren Einnahme gem. § 17 Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG. Dieses Wissen hätte ihm erst der entsprechende Eintrag in der Steuererklärung vermittelt. Im Streitfall waren auch aus den weiteren Akten keinerlei Anhaltspunkte über die Höhe der Anschaffungskosten ersichtlich. Der notarielle Vertrag über die Anschaffung war erst nach Abschluss der Veranlagung eingereicht worden. Der BFH sah daher keinen Verstoß gegen Ermittlungspflichten des FA und kommt zutreffend zu dem Ergebnis, dass eine Änderung der bestandskräftigen Steuerfestsetzung wegen neue Tatsachen i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zulässig ist.

Beraterhinweis: Fehlen entsprechende Eintragungen in den Steuererklärungsformularen zu einem erzielten Veräußerungsgewinn i.S.v. § 17 Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 EStG, stellt die Erzielung des Gewinns auch dann eine neue Tatsache i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO dar, wenn der Steuerpflichtige zusammen mit der Steuererklärung eine Steuerbescheinigung vorlegt, aus der ein Zufluss von Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S.d. § 27 KStG hervorgeht.

Bedeutung der Steuerbescheinigung: Die Steuerbescheinigung, aus welcher ein Zufluss von Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto (§ 27 KStG) hervorgeht, gibt letztendlich keinen Aufschluss über einen etwaigen Veräußerungsgewinn i.S.d. § 17 Abs. 4 EStG. Das FA darf in diesem Fall bei Nichtausfüllung der entsprechenden Anlagen die Steuererklärung so verstehen, dass dem Steuerpflichtigen zwar Zahlungen aus dem Einlagekonto zugeflossen sind, gleichwohl aber kein Veräußerungsgewinn anzugeben ist.

Ausnahme: Eine unterbliebene oder nur unvollständige Steuererklärung steht nur dann einer Änderungsveranlagung wegen neuer Tatsachen i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 1 EStG entgegen, wenn die ergänzungsbedürftigen Angaben des Steuerpflichtigen nach ihrem Erklärungsinhalt bereits auf einen steuerlich relevanten Sachverhalt schließen lassen.

Bedeutung von Verträgen: Im Urteilsfall war von Bedeutung, dass das FA keine Kenntnis über die Höhe der Anschaffungskosten hatte. Der BFH hätte sicherlich anders entschieden, wenn der Vertrag über die Anschaffung der Beteiligung bei Durchführung der ursprünglichen Veranlagung Gegenstand des Akteninhalts gewesen wäre. In diesem Fall hätte das Verschulden des FA wegen unterlassener Aufklärung des Sachverhalts die Nichtangabe des besteuerungsrelevanten Sachverhalts überlagert und die Änderungsmöglichkeit nach § 173 Abs.1 Nr. 1 AO hätte verneint werden müssen.

Dipl.-Finw., RD, Wilfried Apitz, Sundern

Service: BFH v. 19.2.2013 – IX R 24/12

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 29.04.2013 16:28

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