Otto Schmidt Verlag


Rechtsanwaltshonorar als tarifbegünstigte Vergütung

Ein Honorar, das einem Rechtsanwalt für die mehrjährige Bearbeitung diverser Klageverfahren für die gleichen Mandanten in einem Betrag in einem einzigen VZ zufließt, ist nicht den außerordentlichen Einkünften i.S.d. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG zuzuordnen.

BFH v. 30.1.2013 – III R 84/11

Der Kläger (K), ein Rechtsanwalt, wurde in einer Erbschaftsangelegenheit über ein Vermögen von ca. 10 Mio. € mandatiert. Der Rechtsstreit über die Erbschaft erstreckte sich über drei Jahre. Vorschussansprüche gegenüber seinen Mandanten machte K nicht geltend, weil diese nicht zahlungsfähig waren. Vorschüsse aus Prozesskostenhilfe wurde nicht beantragt, da sich diese lediglich auf 1.018 € beliefen. Nach Abschluss der Erbschaftsangelegenheit zahlten die Mandanten das Honorar von 54.500 €. K begehrte für die Einnahmen von 54.500 € den ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG, da ohne diese Einnahmen sein Gewinn lediglich 7.431 € betragen hätte. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte keinen Erfolg.

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Das FG hatte zu Recht den ermäßigten Steuersatz nicht auf die steitgegenständlichen Einnahmen angewandt. Berufsübliche Honorareinnahmen eines Rechtsanwalts führen zu laufenden Gewinnen, die dem Regelsteuersatz zu unterwerfen sind.

Gefestigte BFH-Rechtsprechung: Der BFH hat in den vergangenen Jahrzehnten seine auf Entscheidungen des Reichsfinanzhofs zurückgehende Rechtsprechung zur Anwendung des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG bzw. der Vorgängervorschriften im Bereich der Einkünfte aus selbständiger Arbeit wiederholt im Hinblick auf verschiedentlich erhobene Einwendungen überprüft und stets daran festgehalten, dass die Anwendung der Tarifermäßigung auf besondere Tätigkeiten beschränkt ist, die von der üblichen Tätigkeit eines Freiberuflers abgrenzbar sind müssen.

Übliche Tätigkeit des Freiberuflers: Grundlage der ständigen Rechtsprechung ist dabei der Befund, dass mehrjährige Tätigkeiten und die hierfür erhaltenen Vergütungen bei freiberuflich tätigen Steuerpflichtigen nicht unüblich sind, häufig sogar die Regel sein dürften. So wird die Bearbeitung der an Architekten oder Ingenieure erteilten Aufträge ebenfalls vielfach mehr als ein Jahr benötigen.

Ausgleich gewährleistet: Infolge der Häufigkeit und Regelmäßigkeit, mit der mehrjährige Aufträge von Freiberuflern typischerweise angenommen, abgewickelt und abgerechnet werden, gehen Vergütungen – auch ohne Vorschusszahlungen – für mehrjährige Tätigkeiten kontinuierlich in die Gewinnermittlung der jeweiligen VZ ein und sorgen schon hierdurch, jedenfalls bei halbwegs stabiler Auftragslage, für die von § 34 EStG bezweckte Tarifglättung.

Temporale Schwankungen hinnehmbar: Bei stabiler Auftragslage oder überhaupt bei wechselhaftem unternehmerischen Erfolg in einzelnen Jahren sind die daraus resultierenden Steuersatzunterschiede von den betreffenden Steuerpflichtigen hinzunehmen. § 34 EStG dient insoweit nicht dazu, die nachteiligen Folgen temporal schwankender Einkünfte generell auszugleichen.

Großmandant keine Ausnahme: Die sich aus dem Vergleich zu anderen Mandaten ergebende relative „Größe“ eines Einzelmandats kann für sich genommen nicht zur Annahme „außerordentlicher“ Einkünfte und zur Anwendung der Tarifermäßigung führen.

Keine neuen Fallgruppen: Die Rechtsprechung hat für Freiberufler verschiedene Fallgruppen gebildet, die einen ermäßigten Steuersatz rechtfertigen. Der BFH sieht für die Besonderheiten des Streitfalls keine Veranlassung, eine neue Fallgruppe zu entwickeln bzw. eine bestehende zu erweitern.

Beraterhinweis: Der BFH bestätigt seine bisherige Rechtsprechung. Die Tatsache, dass ein Freiberufler in Anbetracht der Zahlungsunfähigkeit seines Mandanten keine Vorschusszahlungen erlangen kann, ändert an der Berufsüblichkeit des dann ggf. geballten Honorars nichts. Honorareinnahmen sind nicht deshalb „außerordentlich“ oder atypisch, weil der Auftraggeber finanziell nicht oder kaum in der Lage ist, Vorschusszahlungen zu leisten.

Fallgruppeneinteilung für außerordentliche Einkünfte: Zum Zwecke der Abgrenzung der dem gewöhnlichen Tarif unterliegenden laufenden Einkünfte aus selbständiger Arbeit von den ermäßigt besteuerten außerordentlichen Einkünften sind auch solche Einkünfte, die Ertrag einer mehrjährigen Tätigkeit darstellen, nur dann den außerordentlichen Einkünften zuzuordnen, wenn der Steuerpflichtige sich während mehrerer Jahre ausschließlich einer bestimmten Sache gewidmet und die Vergütung dafür in einem einzigen VZ erhalten hat.

Abgrenzbare Sondertätigkeit vom regelmäßigen Gewinnbetrieb: Entsprechendes gilt, wenn eine sich über mehrere Jahre erstreckende Sondertätigkeit, die von der übrigen Tätigkeit des Steuerpflichtigen ausreichend abgrenzbar ist und nicht zum regelmäßigen Gewinnbetrieb gehört, in einem einzigen VZ entlohnt wird.

Auch wenn eine einmalige Sonderzahlung für langjährige Dienste aufgrund einer arbeitnehmerähnlichen Stellung geleistet wird, kommt § 34 EStG zur Anwendung. Daneben hat der IV. Senat des BFH außerordentliche Einkünfte auch für den Fall bejaht, dass dem Steuerpflichtigen eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit aufgrund vorausgegangener rechtlicher Auseinandersetzungen zusammengeballt zufließt (BFH v. 14.12.2006 – IV R 57/05, BStBl. II 2007, 180).

Dipl.-Finw., RD, Wilfried Apitz, Sundern

Service: BFH v. 30.1.2013 – III R 84/11

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 04.04.2013 10:19

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