Otto Schmidt Verlag


Keine Anwendung des StraBEG auf Veranlagungsfehler des FA nach fehlerfreier Steuererklärung

Wer eine fehlerfreie Steuererklärung abgegeben hat, begeht keine Steuerhinterziehung, wenn er in einem Folgejahr einen vom FA zu Unrecht bestandskräftig festgestellten Verlustvortrag geltend macht. Der Steuerpflichtige ist nicht verpflichtet, Fehler des FA richtig zu stellen. Der Veranlagungsfehler des FA ist kein Anlass für eine strafbefreiende Erklärung nach dem StraBEG.

BFH v. 4.12.2012 – VIII R 50/10

Streitig ist die Wirksamkeit einer strafbefreienden Erklärung i.S.d. StraBEG. Nach Erhalt von Schätzungsbescheiden für 1999 und 2000 gab der Kläger (K) richtige Steuererklärungen mit positiven Einkünften aus selbständiger Arbeit ab. Im Änderungsbescheid für 1999 erfasste das FA jedoch irrtümlich den erklärten Gewinn von 1 Mio. DM als negative Einkünfte. Dies führte unter Einbeziehung weiterer negativer Einkünfte des K insgesamt zu einem negativen Gesamtbetrag der Einkünfte i.H.v. 1,7 Mio. DM, sodass die Einkommensteuer auf 0 DM festgesetzt wurde. Das FA stellte dann den verbleibenden Verlustvortrag zum 31.12.1999 auf 1,2 Mio. DM fest. Die Einkommensteuer 2000 wurde unter Ansatz des Verlustvortrags aus 1999 auf 0 DM festgesetzt und zugleich der verbleibende Verlustvortrag auf 800.000 DM festgestellt. In der Einkommensteuererklärung für 2001 begehrte K die Verrechnung seiner positiven Einkünfte mit dem festgestellten Verlustvortrag, so dass die Einkommenteuer 2001 ebenfalls auf 0 DM festgesetzt und der verbleibende Verlustvortrag zum 31.12.2001 auf nunmehr 350.000 DM festgestellt wurde. Dem K wurden alle geleisteten Vorauszahlungen erstattet. Für die Folgejahre wurden keine Vorauszahlungen festgesetzt.

Im Mai 2004 gab K eine strafbefreiende Erklärung für die Jahre 2000 und 2001 ab. Die zu Unrecht nicht besteuerten Einnahmen i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StraBEG gab er mit 500.000 € an und bezifferte die zu entrichtende Abgabe mit 25 % des Betrags (125.000 €). Der Verlustvortrag aus 1999 sei in 2000 zu Unrecht in Anspruch genommen worden und werde weiterhin auch in 2001 in Anspruch genommen, nachdem er zum 31.12.2000 irrtümlich festgestellt wurde. Die strafbefreiende Erklärung für das Jahr 2000 nahm K zurück. Die strafbefreiende Erklärung für das Jahr 2001 lehnte das FA ab, da K mangels einer Straftat keine strafbefreiende Erklärung abgeben könne. Die Klage hiergegen blieb erfolglos.

Der BFH wies die Revision des K als unbegründet zurück.

Regelung des § 1 Abs. 1 StraBEG: Eine strafbefreiende Erklärung kommt nur für Steuerpflichtige in Betracht, die unrichtige Angaben in ihrer Steuererklärung gemacht und dadurch Steuern verkürzt haben. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor, da K seine Einkünfte für 1999 richtig erklärt hat. Deren Erfassung als negative Einkünfte in dem daraufhin ergangenen Einkommensteuerbescheid beruhte allein auf einem Eingabefehler des FA. Auch die für die Folgejahre abgegebenen Einkommensteuererklärungen enthielten keine unrichtigen Angaben. Die Bestandskraft des Verlustvortragsbescheids zum 31.12.1999 rechtfertigte es, den festgestellten Verlustvortrag durch Ankreuzen in Zeile 92 des Mantelbogens in Anspruch zu nehmen und zu erklären, mit einer Erstattung zu rechnen.

Keine Steuerhinterziehung durch Unterlassen: K hat mit diesen Erklärungen das FA auch nicht "pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen" i.S.d. § 370 Abs. 1 Nr. 2. Dies setzt voraus, dass der Steuerpflichtige im konkreten Fall verpflichtet ist, dem FA bestimmte steuerlich erhebliche Tatsachen zur Kenntnis zu bringen. Steuerlich erhebliche Tatsache ist im Streitfall der Umstand, dass K in den Jahren 1999 und 2000 positive Einkünfte erzielt hat. Hinsichtlich dieser Tatsache fehlt es an einer Unkenntnis der Finanzbehörde i.S.d. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO. Hat nämlich das FA - auf welchem Weg auch immer - die erforderlichen Informationen erhalten (hier durch die Steuererklärungen des K), scheidet eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen aus.

Keine Pflicht zur Fehlerkorrektur: Eine darüber hinausgehende Pflicht des Steuerpflichtigen, das FA auf ihm selbst unterlaufene und aus den Steuerakten ersichtliche Fehler sowie auf eine sich daraus ergebende Möglichkeit zur Änderung von Steuerbescheiden zu Lasten des Steuerpflichtigen hinzuweisen, ist nicht gegeben. Denn eine Garantenstellung als Voraussetzung für die Pflicht zur Mitwirkung an der Korrektur von Steuerbescheiden setzt jedenfalls ein vorangegangenes pflichtwidriges Tun, "ein pflichtwidriges gefährdendes Vorverhalten" voraus, das im Streitfall angesichts der ordnungsgemäß abgegebenen Steuererklärungen ersichtlich nicht gegeben ist. Weicht die aufgrund der zutreffend erklärten Tatsachen durchgeführte Veranlagung des Steuerpflichtigen zu dessen Gunsten vom geltenden Recht ab, ergeben sich aus dem Verfahrensrecht keine weiteren Erklärungspflichten.

Beraterhinweis: Der Kläger wollte im Streitfall durch die Abgabe der Erklärung nach dem StraBEG erreichen, dass seine positiven Einkünfte lediglich pauschal mit 25% besteuert werden, andererseits aber der zum 31.12.1999 festgestellte Verlustvortrag für spätere Verrechnungen aufrecht erhalten bleibt. Dies kann aber nicht dadurch erreicht werden, dass der Steuerpflichtige eine Steuerhinterziehung „konstruiert“, die in Wirklichkeit gar nicht vorliegt. Mit der Erklärung, "mit einer Steuererstattung zu rechnen" sowie mit dem Ankreuzen der Kästchen in der Einkommensteuererklärung zum Verlustabzug liegt keine zumindest konkludent steuerrechtlich unzutreffende Erklärung des Inhalts, er habe Anspruch auf den festgestellten verbleibenden Verlustabzug. Die Gewinne wurden richtig erklärt und der vortragsfähige Verlust war bestandskräftig festgestellt, so dass er ihm auch zustand.

RD a.D. Michael Marfels, Nordkirchen

Service: BFH v. 4.12.2012 - VIII R 50/10

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 04.04.2013 10:13

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