Otto Schmidt Verlag


Geldwerter Vorteil beim Erwerb eines Jobtickets

Kann der Arbeitnehmer aufgrund einer Vereinbarung seines Arbeitgebers mit einem Verkehrsbetrieb eine Jahresnetzkarte vergünstigt erwerben, liegt im Erwerbszeitpunkt ein Sachbezug i.S.d. § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG vor. Auf diesen Zeitpunkt ist der Vorteil aus der Verwertung des Bezugsrechts zu bewerten.

BFH v. 14.11.2012 – VI R 56/11

Streitig ist, ob monatliche Zahlungen, die die Klägerin (K) im Rahmen eines sog. Jobticketprogramms an zwei Verkehrsbetriebe geleistet hat, unter die 44 €-Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG fallen. Bei den von allen Arbeitnehmern erwerbbaren Jobtickets handelt es sich um ermäßigte, auf den Namen der Mitarbeiter ausgestellte, nicht übertragbare Jahreskarten für das jeweilige Verbundnetz. Durch Zahlung des Grundbetrags erhielt jeder Mitarbeiter das Recht, ein sog. Jobticket als ermäßigte Jahreskarte zu erwerben. Hierfür war von dem Mitarbeiter ein monatlicher Eigenanteil durch zwingend vorgeschriebenen Lastschrifteinzug an den jeweiligen Verkehrsverbund zu entrichten. Ausgabe und Zahlung der Jobtickets wurden über das DB-Abo-Center abgewickelt. Nach Erteilung der Einzugsermächtigung wurde der Eigenanteil für das Jobticket vom Girokonto des Mitarbeiters monatlich abgebucht. Bei einer Lohnsteuer-Außenprüfung wurde festgestellt, dass K im Jahr 2005 die an die Verkehrsbetriebe geleisteten Grundbeträge nicht dem Lohnsteuerabzug unterworfen hatte. Der Jahresbetrag pro Arbeitnehmer wurde daraufhin im Rahmen eines Haftungsbescheids als steuerbarer geldwerter Vorteil erfasst, da dieser nach Auffassung des FA sofort und in vollem Umfang  - und nicht etwa monatlich - zugeflossen sei. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Der BFH hat die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück verwiesen.

Gewährung von Arbeitslohn: Zum Arbeitslohn gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 2 LStDV alle Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Dies gilt grundsätzlich unabhängig vom Rechtsanspruch und Verbleib der Leistung.

Verschaffung der Bezugsmöglichkeit: Ein Sachbezug liegt auch vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Bezugsmöglichkeit für eine Sach- und Dienstleistung verschafft, sofern diese Zuwendung nicht nur einen ideellen Wert hat. Im Urteilsfall hat K ihren Arbeitnehmern das Recht zum Bezug vergünstigter Jahresnetzkarten zweier Verkehrsbetriebe eingeräumt. Die Arbeitnehmer sind hierdurch bereichert worden, da sie für die Anschaffung von Jahresnetzkarten im Rahmen des Jobticketprogramms einen geringeren als den Normalpreis zu entrichten hatten. Da dieser Vorteil nur den Arbeitnehmern der K gewährt worden ist, handelt es sich um einen aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses gewährten Vorteil, der als Arbeitslohn zu beurteilen ist.

Zuflusszeitpunkt: Nur den Arbeitnehmern, die tatsächlich ein Jobticket erworben haben, ist der geldwerte Vorteil mit Ausübung des Bezugsrechts sofort zugeflossen. Zuflusszeitpunkt ist daher der (einmalige) Erwerb der Jahresnetzkarten. Unbeachtlich ist insoweit, ob den Arbeitnehmern oder den Verkehrsbetrieben ein Kündigungsrecht zusteht und ob die am Jobticketprogramm teilnehmenden Arbeitnehmer ihren Eigenanteil an die Verkehrsbetriebe einmalig oder monatlich entrichten. Monatliche Zahlungen an den vorteilsgewährenden Dritten bewirken nämlich keinen anteiligen monatlichen Zufluss des Bezugsrechts. Denn der Vorteil aus diesem Recht ist den Arbeitnehmern im Streitfall mit Ausübung des Rechts sofort und nicht aufgrund arbeitgeberseitiger Zahlungen an einen Dritten zugeflossen.

Den nicht erwerbenden Arbeitnehmern ist hingegen kein geldwerter Vorteil zugewendet worden, da allein das Einräumen von Ansprüchen keinen Zufluss von Arbeitslohn darstellt.

Bewertung: Auf den Zeitpunkt des Zuflusses ist der Vorteil aus der Verwertung des Bezugsrechts zu bewerten. Hierbei sind gem. § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG die üblichen Endpreise am Abgabeort um übliche Preisnachlässe zu mindern. Im Urteilsfall ist von der Differenz zwischen dem üblichen Endpreis (Verkaufspreis) einer mit den von den Arbeitnehmern bezogenen vergleichbaren Jahreskarte am Abgabeort und den diesbezüglichen Aufwendungen der Arbeitnehmer noch der übliche Preisnachlass, den der Verkehrsbetrieb im Rahmen eines Jobticketprogramms den Arbeitnehmern gewährt, und damit in der Regel der über Zuzahlungen des Arbeitgebers an den Verkehrsbetrieb hinausgehende Nachlass abzuziehen.

Im zweiten Rechtsgang hat das FG daher zu prüfen, in welchem Umfang der dem vorliegenden Jobticketprogramm innewohnende Vorteil, d.h. der Nachlass auf den Normalpreis einer entsprechenden Jahresnetzkarte, den teilnehmenden Arbeitnehmern durch den Arbeitgeber vermittelt worden ist. Dazu ist festzustellen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe sich der Nachlass auf den Normalpreis im Urteilsfall als nichtsteuerbarer "Mengenrabatt" der Verkehrsbetriebe, mithin als üblicher Preisnachlass i.S.d. § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG, darstellt.

Beraterhinweis: Bei dem Urteilsfall vergleichbaren Vereinbarungen, die dem Arbeitnehmer den Erwerb eines verbilligten Jobtickets ermöglichen, ist der Zuflusszeitpunkt – unabhängig von den Zahlungsmodalitäten – der Erwerbszeitpunkt der Jahresnetzkarte. Eine Anwendung der 44 €-Freigrenze wird daher nur in den seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommen, in denen der geldwerte Vorteil diesen Betrag unterschreitet. Da es insoweit in der Praxis somit regelmäßig zu einem zu versteuernden geldwerten Vorteil kommen dürfte, ist darauf zu achten, dass dieser Vorteil zutreffend ermittelt wird. Entsprechend der gesetzlichen Regelung sind beim geldwerten Vorteil noch übliche Preisnachlässe abziehbar, so dass Mengenrabatte, die Verkehrsbetriebe Großkunden üblicherweise gewähren, mindernd zu berücksichtigen sind.

Dipl.-Finw. Julia Schanko, Düsseldorf

Service: BFH v. 14.11.2012 – VI R 56/11

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 22.02.2013 14:37

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