Otto Schmidt Verlag


Kosten einer Betriebsveranstaltung als Arbeitslohn

Die Freigrenze von 110 € wird für das Streitjahr 2007 noch als ausreichend angesehen.

BFH v. 12.12.2012 – VI R 79/10

Die Klägerin (K) führte im Streitjahr 2007 eine Betriebsveranstaltung durch. Die Kosten beliefen sich je Teilnehmer auf 175 €. Das FA hatte deshalb die dem Arbeitgeber entstandenen Kosten insgesamt als lohnsteuerpflichtig behandelt und erhob pauschale Lohnsteuer in Höhe von über 11.000 € nach. Mit der Klage wendet sich der Arbeitgeber gegen die Höhe der Freigrenze. Der Betrag von 110 € sei zu gering bemessen, da er nicht mehr dem Wert entspreche, bis zu dem es sich nach allgemeiner Verkehrsauffassung um eine übliche Zuwendung handeln dürfte. Die Vorinstanz (FG Hessen v. 1.9.2010 – 10 K 381/08, EFG 2011, 443) wies die Klage ab.

Der BFH bestätigte zwar die Rechtsauffassung des FG, dass die Freigrenze auch im Streitjahr 2007 110 € beträgt. Er hob die Vorentscheidung jedoch auf und wies die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück. Denn es steht nach Ansicht des VI. Senats nicht fest, ob sämtliche Leistungen insgesamt in unmittelbarem Zusammenhang mit der Betriebsveranstaltung standen und deshalb Lohncharakter anzunehmen ist. Insoweit wird das FG nach den Grundsätzen des BFH die Ermittlung der als Arbeitslohn zu beurteilenden Gesamtkosten der Betriebsveranstaltung und die Aufteilung des Gesamtbetrags auf die Arbeitnehmer der K, soweit sie teilgenommen haben, erneut vornehmen müssen.

Hintergrund: Zuwendungen des Arbeitgebers sind nicht als Arbeitslohn zu versteuern, wenn sie nicht der Entlohnung des Arbeitnehmers dienen. Dies kann bei Leistungen aus Anlass von Betriebsveranstaltungen der Fall sein, wenn diese Veranstaltungen der Förderung des Kontakts der Arbeitnehmer untereinander dienlich sind. Die lohnsteuerrechtliche Wertung derartiger Zuwendungen hängt nicht davon ab, ob die Vorteilsgewährung im Einzelfall üblich ist. Der BFH hat vielmehr in seiner bisherigen Rechtsprechung in typisierender Gesetzesauslegung eine Freigrenze angenommen, bei deren Überschreitung erst die Zuwendungen als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu qualifizieren sind. Die Finanzverwaltung legt seit dem VZ 2002 eine Freigrenze von 110 € (zuvor seit 1993: 200 DM) je Veranstaltung zugrunde.

Höhe der Freigrenze: Nach Ansicht des VI. Senats ist eine ständige Anpassung der vorgenannten Freigrenze an die Geldentwertung nicht Aufgabe des Gerichts. Nach seiner Auffassung ist zumindest noch für das Streitjahr 2007 an der Freigrenze von 110 € festzuhalten. Beachten Sie: Der BFH fordert die Finanzverwaltung jedoch auf, alsbald den Höchstbetrag auf der Grundlage von Erfahrungswissen neu zu bemessen. Er behält sich vor, seine bisherige Rechtsprechung zur Bestimmung einer Freigrenze als Ausfluss typisierender Gesetzesauslegung zu überprüfen. Die Reaktion der Verwaltung bleibt daher abzuwarten.

Ermittlung der Gesamtkosten: Es muss sich bei den Kosten des Arbeitgebers, die in die Ermittlung, ob die Freigrenze überschritten ist, einbezogen werden, um Arbeitslohn aus Anlass einer Betriebsveranstaltung handeln. Nach der Rechtsprechung des BFH sind nur solche Leistungen des Arbeitgebers, die den Rahmen und das Programm der Betriebsveranstaltung betreffen, zu berücksichtigen. Leistungen, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Betriebsveranstaltung stehen und durch die der Arbeitnehmer deshalb nicht bereichert ist, sind kein Lohn und daher weder in die Ermittlung, ob die Freigrenze überschritten ist, einzubeziehen noch gem. § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG zu besteuern. Entsprechendes gilt für Aufwendungen des Arbeitgebers, die nicht direkt der Betriebsveranstaltung zuzuordnen sind (z.B. Kosten der Buchhaltung oder für die Beschäftigung eines „Event-Managers“). Zudem ist zu beachten, dass eine Betriebsveranstaltung Elemente einer sonstigen betrieblichen Veranstaltung enthalten kann, die nicht zur Lohnzuwendung führt. Beachten Sie: In die Gesamtkostenermittlung dürfen nur solche Kosten des Arbeitgebers einfließen, die untrennbar Kosten der Betriebsveranstaltung sind. Individualisierbare und als Arbeitslohn zu berücksichtigende Leistungen (so z.B. Kosten für Fahrten mit dem Taxi) sind gesondert zu erfassen; ggfs. unter Beachtung von § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG.

Beraterhinweis: Auch eine mehrtägige Betriebsveranstaltung steht der Annahme nicht entgegen, dass der Arbeitgeber die Veranstaltung im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse durchführt, sofern die Freigrenze von 110 € eingehalten wird (BFH v. 16.11.2005 – VI R 151/99, EStB 2006, 50). Hingegen stellen Aufwendungen des Arbeitgebers für mehr als zwei Betriebsveranstaltungen im Kalenderjahr ab der dritten Veranstaltung steuerpflichtigen Arbeitslohn dar (BFH v. 16.11.2005 – VI R 68/00, EStB 2006, 131). Unschädlich ist jedoch, wenn ein Arbeitnehmer aufgrund eines funktionalen Wechsels (z.B. Eintritt in den Ruhestand, Versetzung) oder in Erfüllung beruflicher Aufgaben (z.B. als Personalchef, Betriebsratsmitglied) an mehr als zwei Veranstaltungen teilnimmt.

Dipl.-Finw. Martin Hilbertz, Neuwied

Service: BFH v. 12.12.2012 – VI R 79/10

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 22.02.2013 14:15

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