Otto Schmidt Verlag


Zufluss und Bewertung von Aktienoptionsrechten für Arbeitnehmer

Der Vorteil aus einem vom Arbeitgeber eingeräumten Aktienoptionsrecht fließt dem Arbeitnehmer bei Ausübung oder anderweitiger Verwertung zu. Eine solche anderweitige Verwertung liegt insbesondere vor, wenn der Arbeitnehmer das Recht auf einen Dritten überträgt. Die Bemessung des Vorteils erfolgt nach dem Wert des Rechts im Verfügungszeitpunkt.

BFH v. 18.9.2012 – VI R 90/10

Der Kläger (K) war bei der E-GmbH als Geschäftsführer beschäftigt und erzielte hieraus Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Daneben war er an dieser E-GmbH auch in geringem Umfang (unter 1,5 %) beteiligt. Die E-GmbH räumte K 2002 für seine erfolgreiche Tätigkeit das Recht ein, 15.000 Stückaktien der A-AG zum Kaufpreis von 0,65 € je Aktie vom 1.1.2004 bis zum 10.1.2005 zu erwerben. K durfte zudem seine Rechte und Pflichten aus dem Optionsvertrag auf die Z-GmbH – an der K zu 100 % beteiligt war – übertragen, sofern K mindestens 90 % der Geschäftsanteile an der Z-GmbH hielt. Andere Verfügungen über das Optionsrecht waren unzulässig. Am 29.11.2002 übertrug K sein Optionsrecht gegen ein Entgelt i.H.v. 0,10 € pro zu erwerbender Aktie auf die Z-GmbH. Die Z-GmbH übte das Optionsrecht gegenüber der E-GmbH am 9.1.2004 aus. Die Aktien der A-AG wurden am 12.1.2004 in das Depot der Z-GmbH eingeliefert. Das FA änderte im Anschluss an eine Betriebsprüfung den Einkommensteuerbescheid des K für das Streitjahr 2004 und erhöhte dessen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit um den geldwerten Vorteil aus der Optionsausübung durch die Z-GmbH i.H.v. 71.400 € unter Anwendung § 34 Abs. 1 EStG. Die Höhe des geldwerten Vorteils ermittelte das FA mit dem Kurswert im Zeitpunkt der Einbuchung der Aktien in das Depot der GmbH abzüglich des Kaufpreises der Aktien ermittelt. Die nach erfolglosem Einspruch hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.

Der BFH hat der Klage stattgegeben und die Vorentscheidung aufgehoben.

Zufluss Aktienoptionsrecht: Der geldwerte Vorteil in Form des auf den Aktienerwerb gewährten Preisnachlasses gelangt regelmäßig erst aufgrund der Ausübung der Option in das wirtschaftliche Eigentum des Arbeitnehmers. Der Zufluss ist daher nach ständiger Rechtsprechung des BFH erst mit Ausübung der Option durch den verbilligten Erwerb der Aktien selbst erfolgt. Bei der bloßen Einräumung des Rechts, zu einem späteren Zeitpunkt Aktien verbilligt zu erwerben, handelt es sich dementsprechend noch nicht um den Zufluss eines geldwerten Vorteils. Dabei richtet sich der einkommensteuerrechtlich maßgebende Zuflusszeitpunkt des aus einer Option stammenden Vorteils grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Verwertung des Rechts.

Zuflusszeitpunkt bei Optionsausübung: Regelmäßig ist hier Zuflusszeitpunkt der Tag der Erfüllung des Anspruchs des Arbeitnehmers auf Verschaffung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über die Aktien. Das ist der Zeitpunkt der Einbuchung der Aktien in das Depot des Arbeitnehmers.

Anderweitige Verwertung: Der Zufluss eines geldwerten Vorteils ist auch bei anderweitiger Verwertung des Optionsrechts gegeben. Eine anderweitige Verwertung findet regelmäßig bei Verfügung über das Recht statt, da der Arbeitnehmer auch insoweit den dem Optionsrecht innewohnenden Wert realisiert.

Zuflusszeitpunkt bei anderweitiger Verfügung: Soweit der Arbeitnehmer über das Optionsrecht anderweitig verfügt, ist der Vorteil aus der Verwertung dieses Rechts im Zeitpunkt der Verfügung darüber zu erfassen, nämlich im Zeitpunkt der Übertragung des Rechts oder des Verzichts darauf.

Nach diesen Grundsätzen hat K im Urteilsfall das eingeräumte Optionsrecht bereits am 29.11.2002 durch Übertragung auf die Z-GmbH verwertet. Auch bei einer verdeckten Einlage eines dem Arbeitnehmer von dessen Arbeitgeber eingeräumten Optionsrechts handelt es sich um eine Verwertung des Rechts durch den Arbeitnehmer, indem er das Recht auf einen anderen Rechtsträger überträgt. Somit kommt eine Erfassung des geldwerten Vorteils im Streitjahr 2004 nicht in Betracht. Auf den tatsächlichen Zuflusszeitpunkt im Jahr 2002 ist – soweit noch eine Änderungsmöglichkeit besteht – zu prüfen, ob und inwieweit sich Leistung und Gegenleistung bei der Übertragung der Option entsprachen und daher tatsächlich eine verdeckte Einlage vorlag.

Gestaltungsmissbrauch: Die am 9.1.2004 erklärte Ausübung des auf die Z-GmbH übertragenen Optionsrechts ist dem K auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung unmittelbar zuzurechnen. Die Z-GmbH hat als selbständiges Steuersubjekt i.S.d. § 1 KStG die von ihr erzielten Einkünfte entsprechend dem sog. Trennungsprinzip unabhängig von den Einkünften ihrer Gesellschafter zu erfassen und zu versteuern. Das Halten eines Vermögensgegenstands mittelbar über eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft begründet selbst dann keinen Gestaltungsmissbrauch, wenn dieser Umstand zu unterschiedlichen steuerlichen Belastungen führt.

Beraterhinweis: Sofern ein Arbeitnehmer ein ihm gewährtes Optionsrecht nicht selbst ausübt, fließt ihm ein geldwerter Vorteil im Zeitpunkt der anderweitigen Verfügung zu. Veräußert der Arbeitnehmer das ihm zustehende Optionsrecht an einen Dritten, liegt hierin der Zufluss durch anderweitiges Verfügen. Auf dieser Basis ist auch der Wert des erlangten geldwerten Vorteils zu ermitteln und als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu erfassen.

Dipl.-Finw. Julia Schanko, Düsseldorf

Service: BFH v. 18.9.2012 - VI R 90/10

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 07.02.2013 16:13

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