Otto Schmidt Verlag


Abzug von Leistungen im Rahmen eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs

Ein schuldrechtlicher Versorgungsausgleich kann auch in einem Ehevertrag vereinbart sein. Mit § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG hat der Gesetzgeber auch die schuldrechtliche Teilung einer Rente als möglichen steuerrechtlich relevanten Einkünftetransfer akzeptiert.

BFH v. 22.8.2012X R 36/09

Der Kläger (K) leistete aufgrund eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs an seine geschiedene Ehefrau durch Abtretung von 1/3 seiner gesetzlichen und betrieblichen Altersrenten Zahlungen i.H.v. 37.000 €, die er gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG auf der Lohnsteuerkarte für 2008 eingetragen haben wollte, was das FA zum Teil ablehnte und nur den Höchstbetrag gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.H.v. 13.805 € eintrug. K hatte mit seiner getrennt lebenden Ehefrau E im Jahr 1991 eine notarielle "Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung sowie Ehevertrag" getroffen, wonach K die o.g. Rentenansprüche an E abtrat. Diese erklärte zugleich ihre Zustimmung, dass K die Unterhaltszahlungen als Sonderausgabe gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG geltend macht (sog. begrenztes Realsplitting) und sie die Unterhaltszahlungen als Einkünfte versteuert. Zugleich wurde gem. § 1408 Abs. 2 BGB a.F. der Versorgungsausgleich zwischen geschiedenen Ehegatten (§ 1587 ff. BGB) ausgeschlossen. Nach der Scheidung im Jahre 1992 wurde ein Versorgungsausgleich infolge des vertraglich vereinbarten Ausschlusses nicht durchgeführt. Die als Fortsetzungsfeststellungsklage gegen den zwischenzeitlich ergangenen Einkommensteuerbescheid 2008 gerichtete Klage war erfolglos, da die Eheleute keinen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG vereinbart hätten und die Zahlungen auch keine Werbungskosten darstellten. Der BFH gab der Revision des K statt und erklärte die Ablehnung des Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte in voller Höhe für rechtswidrig.

Entscheidung im Rahmen der Fortsetzungsfeststellungsklage: Für die auf der Lohnsteuerkarte 2008 eintragungsfähigen Werbungskosten bzw. Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG fehlt es ab dem 1. April des Folgejahres am Rechtsschutzinteresse, weil sich danach ein Eintrag ab diesen Zeitpunkt nicht mehr auf den Lohnsteuerabzug auswirken kann. In diesem Fall ist die von K erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage (Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ablehnung der Eintragung) zulässig, da für die künftigen Jahre eine Wiederholungsgefahr besteht (Ablehnung der begehrten Eintragung), so dass das erforderliche Feststellungsinteresse zu bejahen ist.

Kein Eintrag als Werbungskosten: Die Zahlungen des K sind nicht allein deshalb Werbungskosten, weil sie im sachlichen Zusammenhang mit Versorgungsanwartschaften stehen. Nur solche Ausgleichszahlungen, die ein zum Versorgungsausgleich verpflichteter Ehegatte gem. § 1587o BGB an den anderen Ehegatten leistet, um Kürzungen seiner Versorgungsbezüge (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) zu vermeiden, sind sofort als Werbungskosten abzugsfähig. Hier fließen dem K auch im Scheidungsfall die ungekürzten Versorgungsbezüge zu, so dass die Vereinbarung, die den dinglichen Versorgungsausgleich durch eine andere Regelung ersetzt, nicht den Bereich der Einkunftserzielung, sondern den der Einkommensverwendung betrifft, wenn K einen Teil der Versorgungsbezüge an den ausgleichsberechtigten Ehegatten weiterleiten muss.

Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG: Nach der ab 2008 geltenden Norm sind Leistungen aufgrund eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs, soweit die ihnen zugrunde liegenden Einnahmen beim Ausgleichsverpflichteten der Besteuerung unterliegen, als Sonderausgaben abziehbar. Im Streitfall haben die ehemaligen Eheleute in einem Ehevertrag gem. § 1408 Abs. 2 BGB a.F. den Versorgungsausgleich (§§ 1587 ff. BGB) ausgeschlossen, so dass sie eindeutig den Versorgungsausgleich nicht nach §§ 1587 ff BGB durchführen, sondern durch eine ehevertragliche Regelung ersetzen wollten.

Schuldrechtlicher Versorgungsausgleich durch Ehevertrag: Ein schuldrechtlicher Versorgungsausgleich i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG kann auch vorliegen, wenn er in einem Ehevertrag geregelt ist. Nach der Gesetzesbegründung sollte der Abzug von Leistungen aufgrund eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs, wie er vom BFH gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG aufgrund der Gleichstellung mit einem öffentlich-rechtlichen (dinglichen) Versorgungsausgleich zugelassen wurde, auch nach der Einschränkung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG durch Schaffung einer eigenständigen Regelung erhalten bleiben. Diese Gleichbehandlung von schuldrechtlichem und dinglichen Versorgungsausgleich ist auch dann geboten, wenn der Versorgungsausgleich nicht nach den §§ 1587 ff. BGB a.F., sondern als Teil eines Ehevertrags durchgeführt wird, da dies steuerrechtlich keinen Unterschied ausmacht. Die zivilrechtlichen Unterschiede sind insoweit steuerrechtlich nicht von Bedeutung; entscheidend ist vielmehr, dass im Zuge der Ehescheidung der versorgungsberechtigte Ehegatte an den Versorgungsanwartschaften beteiligt wird und insoweit ein "Einkünftetransfer" stattfindet.

Bedeutung des VersAusglG: Die gesetzliche Neuregelung des Versorgungsausgleichs im VersAusglG hat den Begriff des "schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs" durch den der schuldrechtlichen Ausgleichszahlungen ersetzt. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG n.F. können die Ehegatten Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich in die Regelung der ehelichen Vermögensverhältnisse einbeziehen; sie können ihn auch ausschließen. Neben der Möglichkeit der internen und der externen Teilung kann eine schuldrechtliche Ausgleichsrente verlangt werden. Dass diese (materielle) Interpretation des Begriffs "schuldrechtlicher Versorgungsausgleich" mit § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG vereinbar ist, zeigt sich auch daran, dass § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG n.F. selbst auf die §§ 20, 21, 22 und 26 VersAusglG n.F. verweist.

Inhalt ehevertraglicher Regelungen: Diese enthalten typischerweise auch Elemente einer Vermögensauseinandersetzung und unterhaltsähnliche Leistungen (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VersAusglG n.F). Zwar sind Leistungen im Rahmen einer Vermögensauseinandersetzung grundsätzlich keine steuerlich abziehbaren Aufwendungen; dasselbe gilt für Unterhaltszahlungen. Soweit aber Renten geteilt werden, dinglich oder schuldrechtlich, nach Maßgabe des dispositiven Gesetzesrechts oder als Teil eines Ehevertrags, hat der Gesetzgeber mit § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG eine Regelung getroffen, die auch die schuldrechtliche Teilung einer Rente als möglichen steuerrechtlich relevanten Einkünftetransfer akzeptiert.

Auslegung des Ehevertrags: Nach dem Ehevertrag wollten K und E einen "schuldrechtlichen Ausgleich" der Rentenansprüche des K vereinbaren, der zu einem Einkünftetransfer führen sollte und damit die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG erfüllte, zumal nach dem Vertrag nur der "gesetzliche Versorgungsausgleich" betroffen sein sollte. Auch wenn der Senat an die Auslegung des Vertrags durch das FG gebunden ist, kann er dessen rechtliche Würdigung durch das FG überprüfen: Hier ist entscheidend, dass das FG den Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG zu Unrecht auf Fälle des § 1587f BGB a.F. beschränkt hat.

Beraterhinweis: Das Urteil ist von Bedeutung für Zahlungen aufgrund eines Ehevertrags, der vor dem 1.9.2009 geschlossen worden ist und in dem die gesetzlichen Versorgungsausgleichsansprüche durch anderweitige Regelungen ersetzt werden. Der BFH stellt klar, dass steuerlich solche in einem Ehevertrag vereinbarten Zahlungen, die dem Versorgungsausgleich dienen sollen, ab 2008 den (schuldrechtlichen) Ausgleichszahlungen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG gleichzustellen sind, zumal sie bis einschl. 2008 gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG ebenfalls als Sonderausgaben abzugsfähig waren. Bei Eheverträgen, die ab dem 1.9.2009 geschlossen wurden, ergibt sich kein Problem hinsichtlich der Anwendung der Norm, da die darauf beruhenden Ausgleichszahlungen im Rahmen des Versorgungsausgleichs nach § 20 VersAusglG erfolgen, der anwendbar ist bei einer entsprechenden ehevertraglichen Regelung über § 1408 Abs. 2 BGB n.F. i.V.m. § 6 VersAusglG.

RD a.D. Michael Marfels, Nordkirchen

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 25.01.2013 10:54

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